Mesopotamien
das Land zwischen Euphrat und Tigris bis südlich zum Persischen Golf, nördlich bis zum armenischen Bergland. Von den spätern Griechen wird darunter ¶
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801 nur das Gebiet zwischen mittlerm Euphrat und Tigris verstanden, ohne Babylonien. Dieser Begriff entspricht im ganzen dem
heutigen El-Dschesire (arab., «die Insel»). In der Bibel
[* 3] heißt das Land Aram-Naharaim, «Aram der zwei Ströme», wechselnd mit
Paddan Aram (Genesis). Dieser Name ist, wie die altägyptischen und die zu El- Amarna gefundenen Keilinschriften
bezeugen, sehr alt. Unter der röm. Verwaltung war Mesopotamien
der Name einer Provinz – Bis 800 v.Chr. scheint es teilweise unter einheimischen
Fürsten gewesen zu sein, dann wurde es (von Rammânniâri III.) dem Assyrischen Reiche einverleibt.
Schon Hieroglyphentexte berichten von Zügen Thutmes I. und III. dorthin, die aber keinen dauernden
Erfolg gehabt zu haben scheinen; seit 538 v.Chr. kam es aufeinander folgend unter pers., macedon.,
syr., parthische, röm. und wiederum pers.
Herrschaft, verfiel dann dem Chalifenreich, wurde nach dessen Sturz (1258) ein Raub der Mongolen, kam abermals an Persien
[* 4] und
wurde endlich 1648 der Türkei
[* 5] Unterthan. Lange hat sich Mesopotamien
einer hohen Kultur erfreut, die es hauptsächlich
einem wohlangelegten Bewässerungssystem zu verdanken hatte.
Heutzutage ist es, den die Ströme begrenzenden Saum ausgenommen, eine Wüstenei. Die Hauptprodukte des Landes sind dieselben wie in Kleinasien. Besondere Erwähnung verdienen heute wie im Altertum die Naphthaquellen und Galläpfel. Von Kurdistan aus reicht die Olivenkultur am Euphrat bis Anah, am Tigris etwa ebenso weit bis 34° nördl. Br., während erst jenseit dieser Breite [* 6] die Dattelpalme beginnt und nun als vorherrschende Ernährerin neben dem Getreidebau bestehen bleibt.
Von den wenigen Flüssen sind die bedeutendsten der Dschulab oder Belik (Belias) und der Chabur. Die hauptsächlichsten
Städte sind im N. Diarbekr (bei den Römern Amida), Urfa oder Wessa (Edessa), Mardin, Nisibin, Harran und Mosul. Von den Städten
im S. war Babylon die bedeutendste. Das Innere wird von Beduinen, der Norden
[* 7] von den Tai und Schammar, auch von Turkomanen, Syrern
und Kurden, der Süden von den Montefik bewohnt. Die Hauptsprachen sind türkisch und, südlich von Mardin,
arabisch. (S. Karte: Westasien I, beim Artikel Asien.)
[* 8] In Mesopotamien
, wohin schon 1574, und zwar nach Bagdad, der deutsche Arzt Rauwolf
gelangt war, war Carsten Niebuhr 1765 erster wissenschaftlicher Reisender der Neuzeit.
Ihm folgten 1808 Edw. Frederick, 1811 Rich, 1818 Ker Porter, 1824 Keppel, 1827 Buckingham und Mignan, 1834 Fraser, 1840 Wellsted. 1842 machte der franz. Konsularagent Botta die ersten erfolgreichen Ausgrabungen in Ninive; aber ihn überflügelte bald Layard (s. d.), der 1840 von Haleb aus durch Syrien nach Mosul wanderte und die Ruinen von Ninive besuchte; es folgte 1842 eine zweite Reise zu den Ruinenstädten, worauf er dann, von Sir Stratford Canning mit Geldmitteln unterstützt, 1845 in Nimrud seine Ausgrabungen begann, welche er jahrelang fortsetzte.
Der gewonnene Schatz an Inschriften und mit Stempellegenden versehenen Backsteinen (namentlich in der 1848 aufgefundenen Bibliothek
Assurbanipals) bildet die Grundlage aller assyriologischen Forschungen. Seit 1844 war H. Rawlinson, der
Hauptförderer der Keilschriftentzifferung, Konsul in Bagdad. Dann folgte von 1851 bis 1854 die franz. Expedition unter Fresnel,
Thomas und Oppert, und 1872, 1875 und 1876 G. Smith, der in Haleb
starb, endlich 1888, 1889 und 1891 E. A. Wallis
Budge.
Das untere Euphratgebiet bereiste 1849 Loftus. 1852–55 bereiste H. Petermann Mesopotamien
im
Auftrage der preuß. Regierung.