Meroë,
altäthiop. Reich, welches sich von der großen Nilkrümmung in Nubien bis an die abessinischen Berge erstreckte. Die Stadt Meroë, deren Trümmer (Tempelreste und zwei Pyramidengruppen) man noch in Dar Schendi sieht, war der Hauptsitz dieses mächtigen, über zahlreiche Negerstämme herrschenden Priester- und Handelsstaats, dessen berühmteste Zierde ein Tempel des Ammon (Amn) mit Orakel war. Die einst so große und reiche Stadt lag schon zu Neros Zeit in Trümmern. Meroë hatte eine theokratische Verfassung; an der Spitze stand ein von den Priestern ägyptischen Ursprungs aus ihrer Mitte gewählter und daher vom ganzen Priesterkollegium abhängiger König.
Die Kultur Meroës war eine von Ägypten erborgte und nicht umgekehrt, wie man fälschlich angenommen hat. Die dortigen Pyramiden, 80 an der Zahl und von 4 bis 50 m Höhe wechselnd, die Sphinxalleen und ägyptischen Götterstatuen beweisen durch ihren entarteten Stil ihren Ursprung aus der letzten Zeit ägyptischer Kunstübung. An den meroitischen Denkmälern haben sich Inschriften erhalten, teils in hieroglyphischen und teils in kursiven, demotischen Charakteren, deren Entzifferung aber bisher nicht gelungen ist.
Die Bewohner waren Chamiten und Neger, zu denen sich Ägypter als Kulturträger gesellten. Seiner überwiegenden Kultur, dem Einfluß seiner Priesterschaft und seinem weitverzweigten Karawanenhandel mit Ägypten, Arabien etc. verdankte der Staat von eine solche Größe und Macht, daß er lange Zeit hindurch die Herrschaft über das ganze nördliche Äthiopien behauptete, bis endlich die Priesterherrschaft zur Zeit des Ptolemäos Philadelphos vom einheimischen Häuptling Ergamenes vernichtet wurde.