Merkantīlsystem,
Merkantilismus, dasjenige nationalökonomische System, das auf dem Grundgedanken beruht, daß der Reichtum eines Volks allein oder doch vorzugsweise in barem Gelde, also in Edelmetall, bestehe. Dieses System entwickelte sich vorzüglich seit Colbert (s. d.), daher es auch wohl Colbertismus genannt wird. Nach dem in seiner extremen Fassung, die freilich nicht von allen Schriftstellern, die man als Merkantilisten zu bezeichnen pflegt, geteilt wurde, war es die wichtigste staatswirtschaftliche Aufgabe der Verwaltung, die Vorräte der edeln Metalle möglichst zu vermehren. Man hielt deshalb den Bergbau [* 3] produktiv und fördernswert, auch wenn der Ertrag die Kosten nicht deckte.
Vor allem galt es,
die Industrie zu heben. Dies wollte man erreichen, indem man den
Arbeitslohn herabzudrücken,
die Preise der Lebensmittel und überhaupt der Produkte des
Ackerbaues und der Viehzucht
[* 4] auf niedrigem
Stande zu erhalten suchte.
Man behinderte demnach die Ausfuhr des Getreides und der Rohstoffe, förderte deren Einfuhr, zog geschickte
Arbeiter herein, unterstützte industrielle Unternehmungen, verbesserte die Transportanstalten, gründete den
Handel fördernde
Kolonien, rief Handelsgesellschaften hervor und privilegierte dieselben, verbot die Einfuhr von Fabrikaten oder
schränkte dieselbe durch
Zölle ein, während man die Ausfuhr durch Rückzölle und
Ausfuhrprämien zu vermehren strebte,
u. s. w. Handelsverträge sollten nach dem Merkantils
ystem mit andern
Staaten zwar abgeschlossen werden, aber derart, daß eine günstige
Handelsbilanz (s. d.) erzielt würde. Die Staatsabgaben
sollten, wenn irgend möglich, nur
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von dem Gewinn der Unterthanen entnommen werden.
Das Merkantils
ystem blühte hauptsächlich vom 17. bis zur Mitte des 18. Jahrh. und
prägte sich während dieser Zeit in den Gesetzgebungen und Verwaltungsgrundsätzen aller Länder mehr oder weniger deutlich
aus. Die energischsten und erfolgreichsten Vertreter desselben waren Colbert und Oliver Cromwell; letzterer namentlich
durch seine berühmte Navigationsakte (s. d.). Zu den Schriftstellern, die das
Merkantils
ystem vertraten, gehörten in England Mun, Child, Gee, Decker, Stewart;
in Deutschland [* 6] Klock, Becher, [* 7] von Schröder, von Horneck, von Justi, von Sonnenfels, in gewissem Sinne auch noch Büsch;
in Frankreich Melon, Forbonnais, Ferrier;
in Italien
[* 8] Serra, Belloni,
Genovesi u. a. Die allmähliche Auflösung des Merkantils
ystem erfolgte von England aus, hauptsächlich durch die Werke
von Adam Smith (s. d.);
an seine Stelle trat im wirtschaftspolit.
Leben zunächst der Physiokratismus (s. d.). –
Vgl. Roscher, Geschichte der Nationalökonomik in Deutschland (Münch. 1874);
Schmoller, Das in seiner histor.
Bedeutung (im «Jahrbuch für Gesetzgebung», Lpz. 1884); Ingram, Geschichte der Volkswirtschaftslehre (übersetzt von Roschlau, Tüb. 1890).