(HomosapiensL.), das höchst entwickelte organisierte
Wesen, unterscheidet sich in seiner körperlichen
Organisation
in keiner
Weise von einem
Tier, er besitzt kein einziges
Organ, das nicht auch bei diesem sich fände. Ebensowenig bestehen
fundamentale Unterschiede der äußern Gestaltung zwischen ihm und den ihm zunächst stehenden sogen.
anthropoiden (d. h. menschenähnlichen)
Affen,
[* 2] dem
Gorilla,
Schimpanse und
Orang. Mit
Recht reiht man daher den Menschen dem
Tierreich
ein, statt ihn, wie dies namentlich de
Quatrefages thut, auf
Grund gewisser
Qualitäten der
Intelligenz
(Vorstellung von
Gut und
Böse,
Glaube an höhere Mächte, an die Fortdauer nach dem
Tod) als Vertreter eines besondern Schöpfungsreichs
aufzustellen.
Nur in betreff seiner
Stellung im
Tierreich finden sich Meinungsverschiedenheiten.
Cuvier,
Owen u. a. stellten für den Menschen
eine besondere
Ordnung der
Säugetiere, die
Zweihänder (Bimana), auf, während
Häckel,
Darwin u. a., wie dies bereits
Linné
that, den Menschen mit denAffen zu der
Ordnung der
Primates, der »Hochtiere«
(Brehm), vereinigen, in welcher
er nur eine besondere
Familie bilden soll. Der Mensch teilt mit den schmalnasigen
Affen der
Alten Welt
(Simiae catarrhinae) die wichtigsten
Merkmale: Zahl und Art der
Zähne,
[* 3] Schwanzlosigkeit, Grundcharakter
der hintern
Gliedmaßen als echter
Füße.
Ebenso ist der Grundplan des
Gehirns der gleiche. Die Unterschiede zwischen und
Affe
[* 4] liegen zunächst in der
Bildung des
Gesichts- und
Hirnschädels, in dem Überwiegen des letztern über erstern beim Menschen, wodurch das
Gesicht
[* 5] nicht
vor, wie bei den
Affen, sondern fast senkrecht unter die geräumige Schädelkapsel zu liegen kommt. Eine
Annäherung an
die tierische Schnauzenbildung findet sich indessen als Prognathie (d. h. Vorspringen des Kieferteils
des
Gesichts) bei niedern
Menschenrassen.
[* 6]
Bedingt wird jenes Überwiegen des
Schädels beim Menschen durch die mächtige
Entwickelung seines
Inhalts, des
Gehirns, namentlich
des Großhirns in seinen Vorder- und Hinterlappen. Die Hirnwindungen und
-Furchen sind ferner reichlicher ausgebildet und
bewirken so eine bedeutende Oberflächenvergrößerung des
Organs (besonders die als Sitz des Sprachsinns beim Menschen angesehene
dritte Hirnwindung, welche bei
Affen und Mikrokephalen nur rudimentär ist; vgl.
Rüdinger, Ein Beitrag zur
Anatomie des Sprachzentrums,
Stuttg. 1882). In der Gesichtsbildung ist es außer der fehlenden Schnauzenbildung, die durch
die Kleinheit des Kieferapparats bedingt wird, besonders die Form der
Nase
[* 7] und Nasenöffnung sowie das
Hervorragen des untern Teils des
Unterkiefers als
Kinn, ebenso die geschlossene, nicht durch
Lücken unterbrochene Zahnreihe,
welche den Menschen von den nächstverwandten
Affen unterscheiden.
Dazu kommt noch die besondere
Konfiguration des
Kehlkopfes, dessen
Ausbildung den Menschen zu den ihm eigentümlichen
sprachlichen und gesanglichen Leistungen befähigt.
BeimAffen ist der
Arm immer länger als das
Bein (namentlich Vorderarm und
Hand);
[* 8] beim Menschen überwiegt die mächtige
Entwickelung der
Beine als säulenartige
Träger
[* 9] des lediglich von ihnen gestützten,
aufrecht gestellten
Körpers. Mit diesem aufrechten
Gang,
[* 10] der das
Charakteristische der menschlichen Körperhaltung
ist und der selbst von den höchstgestellten
Affen nur ganz vorübergehend ausgeführt werden kann (vgl.
Brehm, Tierleben,
Bd. 1, S. 47 und Abbildung), geht nun
Hand in
Hand eine weitere
Reihe von Verschiedenheiten im
Bau und der
Entwickelung der
Knochen
[* 11] und
Muskeln
[* 12] beider Lebewesen, so namentlich die schaufelförmige
Bildung des
Beckens, die mehrfache
Krümmung
der
Wirbelsäule, die stark entwickelte
Gesäß- und Wadenmuskulatur des Menschen.
Der
Fuß des Menschen ist nach demselben
Plan wie der Affenfuß gebaut, so daß letzterer mit Unrecht als
Hand, vielmehr als
Greiffuß zu bezeichnen ist. Der wesentliche Unterschied beruht darin, daß die Innenzehe beim Menschen nicht
daumenartig wie bei den
Affen den übrigen
Zehen entgegengestellt werden kann, daß die Fußwurzel- und Mittelfußknochen zu
einem
Gewölbe
[* 13] verbunden sind, und daß die
Sohle dem
Boden horizontal zugewendet ist; die einzelnen
Knochen und
Muskeln sind
aber im
Grund bei beiden dieselben.
Auch in der
Hand finden sich Unterschiede, die in der bedeutend geringern
Ausbildung des
Daumens bei den
Affen ihren Hauptgrund haben. Derselbe ist auffallend klein, schwach und kurz. Ebensowenig wie im gröbern Körperbau
unterscheidet sich der Mensch fundamental von den
Tieren in der mikroskopischen
Struktur der seinen
Körper aufbauenden
Gewebe
[* 14] und
in den Leistungen seiner verschiedenen
Organe, also in physiologischer Beziehung. Es kommt somit wesentlich
darauf an, ob die geistige
Entwickelung des Menschen, der
Besitz der
Vernunft und von moralischen und religiösen
Begriffen sowie
¶
mehr
die artikulierte Sprache
[* 16] genügen, um ihn als außerhalb des Tierreichs stehend anzusehen. Vom rein naturwissenschaftlichen
Standpunkt muß diese Frage verneint werden.
Die Naturauffassung Darwins wirft ihr Licht
[* 17] auch auf die Frage der Stellung des Menschen zu den Tieren. In folgerichtiger Durchführung
des Entwickelungsprinzips sieht sie in ihm nur das Endglied einer unendlichen Reihe von Ahnen; in der gegenwärtigen
Schöpfungsperiode sind die sogen. anthropoiden (menschenähnlichen) Affen seine nächsten Verwandten, und beide, und Anthropoiden,
führen auf einen gemeinsamen Urtypus zurück. Nach Häckel bestand noch eine Zwischenstufe beider, die er als Affenmenschen
(Pithecanthropi) oder sprachlose Urmenschen (Alali) bezeichnet.
Ihnen soll noch die wichtigste menschliche Eigenschaft, die artikulierte Wortsprache, und damit die höhere
Begriffsbildung gefehlt haben. Darwin entwirft folgendes Bild des »Urmenschen«: allgemeine Behaarung des Körpers, Bartbildung
bei beiden Geschlechtern, beim Mann große Hundszähne als Waffe, bewegliche, zugespitzte Ohren, Fuß mehr zum Greifen eingerichtet.
»Die Ahnen des Menschen lebten ohne Zweifel für gewöhnlich auf Bäumen in einem mit Wäldern bedeckten
heißen Land.« Man stellt sogar als Ursprungsstätte desselben einen jetzt unter die Fläche des IndischenMeers versunkenen
frühern großen Kontinent, Lemuria (s. d.), hin, der von Ostafrika bis nach Ostasien gereicht haben soll.
Wenn auch in dieser hypothetischen Abstammung des Menschen von den Tieren für die naturforschende Betrachtung
nichts Erniedrigendes liegt (ebensowenig wie für die dogmatische in der Formung aus einem Erdenkloß), so muß doch gesagt
werden, daß thatsächliche Belege für dieselbe noch ausstehen. Nur so viel steht fest, daß im Skelettbau des Menschen gelegentlich
sich Abweichungen vorfinden, die man als Wiederauftauchen affenartiger Bildungen und somit als pithekoide
bezeichnen muß, und die im Sinn des Darwinismus als Rückschläge in die frühere niedere Ahnenstufe angesehen werden.
Dahin gehört z. B. der sogen. Stirnfortsatz der Schläfenschuppe,
eine abnorme Verbindung, welche das Stirn- und Schläfenbein durch Bildung eines Fortsatzes eingehen, während sonst beim Menschen
beide Knochen getrennt erscheinen. Dieselbe bedingt, ebenso wie die abnorme Schmalheit der normalen Nahtverbindung
zwischen Keil- und Scheitelbein an dieser Stelle, eine Verkümmerung der Stirngegend (Stenokrotaphie nach Virchow). Die anthropoiden
AffenGorilla und Schimpanse besitzen ausnahmslos diesen Fortsatz, während er beim Orang-Utan wenigstens bisweilen vorkommt.
Diese tierartige Bildung (Theromorphie) findet sich namentlich bei gewissen niedrig stehenden Menschenrassen.
Eine andre hierher gehörige Bildung ist die eigentümliche Gestaltung der Nasenöffnung (Apertura pyriformis), deren unterer
Saum nicht, wie sonst, scharfrandig erscheint und so scharf den Nasenboden von der Oberkieferaußenfläche absetzt. Es
findet vielmehr ein allmählicher Übergang beider statt, indem statt des Saums eine schiefe Ebene mit grubenartiger
Einsenkung besteht (Fossae praenasales).
Auch die Verkümmerung der Nasenbeine gehört hierher, die an die Bildung der katarrhinen Affen streift (daher von Virchow Katarrhinie
genannt). Die mächtige Entwickelung der Augenbrauenbogen gemahnt, in Verbindung mit einer starken Hebung
[* 18] des mittlern, die
Sagittalnaht tragenden Teils des Scheitels, an die Kammbildung bei anthropoiden Affen. Dahin gehört auch
der sogen. Torus occipitalis transversus (Schaaffhausen,
Ecker, Joseph, Waldeyer), eine im Bereich der Nackenlinien der Hinterhauptschuppe
auftretende, bei niedern Rassen häufige pithekoide Bildung. (Vgl. Anthropologie, S. 630.) Auch was bisher von fossilen Menschenresten
gefunden ist, spricht nicht für die Annahme einer niedern, den Affen nahestehenden Bildung, und die Hypothese,
daß der Vorfahr des Menschen sich von ausgestorbenen Affenarten abgezweigt habe, würde erst dann in der Wissenschaft anerkannt
werden können, wenn Zwischenformen und Übergänge von jenen Affen der eocänen Zeit zu den heutigen Menschen irgendwo entdeckt
würden.
Was das mutmaßliche Alter des Menschengeschlechts betrifft, so haben die anthropologischen Forschungen
ergeben, daß dasselbe bedeutend höher anzunehmen ist, als die biblische Überlieferung lehrt (vgl. Anthropologie, S. 629).
Die Berechnungen begründen sich meist auf die Dicke von Anschwemmungsschichten, unter denen man Spuren menschlicher Thätigkeit
(Topfscherben, Steinwaffen etc.) fand, unter Zugrundelegung einer bestimmten Ablagerungsdauer
derselben, und sind daher höchst unsicher und schwankend. Ebenso unbestimmt lautet die Antwort nach
der Abstammung von einem oder mehreren Menschenpaaren (Mono- oder Polyphylie). Während Agassiz, dem auch Nott und Gliddon
folgen, die einheitliche Schöpfung des Menschen aus dem Grund bestreitet, weil der an bestimmte Faunen- und Florengebiete gebunden
sei, halten andre, wie Peschel und Quatrefages, für wahrscheinlich, daß der Mensch nur von einem einzigen
Schöpfungsherd aus die Erde bevölkert hat.
Das Leben des Urmenschen kann nur ein höchst kümmerliches gewesen sein, denn vielleicht jahrtausendelang vermochte er sich
lediglich aus Stein, Knochen und Horn ganz rohe Werkzeuge
[* 19] herzustellen. Erst allmählich schritt er zur Fabrikation besserer,
d. h. feiner behauener und polierter, Steinwerkzeuge fort (s.
Steinzeit).
[* 20] Auch diese Periode, aus welcher die Kjökkenmöddinger (s. d.), die Hünengräber (s. d.), die Pfahlbauten
[* 21] (s. d.)
etc. stammen, war eine ungemein lange; als dann der Mensch mit der Verarbeitung der Metalle, insbesondere der Bronze
[* 22] und des Eisens,
bekannt wurde (s. Metallzeit),
[* 23] schritt er zu einer höhern Kulturstufe empor.
Diese Entwickelung ist zweifellos von örtlichen Verhältnissen abhängig gewesen und hat sich demgemäß an verschiedenen
Gebieten des Erdballes zeitlich sehr verschieden verhalten. So kommt es, daß noch jetzt bei gewissen Völkern, die man als
Naturvölker bezeichnet, vielfach Zustände sich vorfinden, die denen der rohen Urzeit entsprechen. Auch
eine wenigstens örtliche rückläufige Entwickelung, ein Zurückverfallen in tiefere Barbarei aus verhältnismäßig höhern
Kulturstufen, ist nicht ausgeschlossen, ohne daß jedesmal an eine Verdrängung eines höhern Kulturträgers durch ein kräftigeres,
roheres Volk zu denken wäre.
Australiens, Polynesiens und Amerikas. Allein wie diese, so verstanden die Menschen in frühster Zeit gewiß schon so manche
einfache Künste, durch welche sie sich ihren Lebensunterhalt verschafften und gegen Klima
[* 25] und Witterung schützten; sie lernten
das Hüttenbauen sowie das Feueranmachen durch Reiben zweier Hölzer aneinander; sie fertigten sich Waffen,
[* 26] Geschirre
und Kleidung, machten Jagd auf Tiere. Doch scheinen sie auch, wie man aus gewissen, allerdings noch ziemlich zweifelhaften Erscheinungen
bei Höhlenfunden in Belgien
[* 27] schloß, ebenso wie die jetzigen Anthropophagen (s. Anthropophagie) Menschenfleisch verzehrt zu
haben.
Allmählich erlernten sie primitiven Ackerbau, züchteten Haustiere, trieben Weberei
[* 28] etc.; sie traten in Handel und
Verkehr mit Nachbarvölkern. Aus dem einfachen patriarchalischen Familienleben schritten sie durch die Stammesgenossenschaften
zur Staatenbildung vor; aus dem ursprünglichen Naturdienst bildeten sich mythologische Anschauungen. Wie noch jetzt bei Urvölkern
mochten Zauberer als weise Männer gegolten haben; doch später gelangte die Priesterschaft zu höherm Ansehen und gründete
eine hierarchische Verfassung.
Zu einem ganz besondern Gegenstand der Forschung wurde in neuerer Zeit die Sprache des Menschen erhoben, indem teils
die Frage der Lautbildung mittels der Sprachwerkzeuge, teils die Frage, wie sich die Sprache aus Urlauten entwickelt habe, teils
die Frage über Verschiedenheit und Verwandtschaft der Sprachen der Völker in den Vordergrund trat. Man gruppierte die Sprachen
je nach ihrer Verwandtschaft und nach der vermuteten Ableitung von gemeinschaftlichen Sprachstämmen; allein
die Sprache eines Volkes darf man keineswegs als hauptsächliches Merkmal bei der Rasseneinteilung benutzen, denn viele Völker
haben ihre ursprüngliche Sprache mit einer andern vertauscht.
Dagegen machte die Sprachwissenschaft die Erklärung einer Menge alter Ausdrücke und dunkler Gebräuche sowie mythologischer
Vorstellungen möglich. Auch kann man aus gewissen einer Sprache eigentümlichen Benennungen und Bezeichnungen
von Gegenständen schließen, inwieweit das betreffende Volk mit diesen Gegenständen schon in der Urheimat bekannt war oder
erst später mit denselben durch andre Völker bekannt wurde. So eröffnet die Sprachwissenschaft weite Fernblicke in die
Urgeschichte der Menschheit. Schließlich begründet sich durch sie eine Gesetzlichkeit in der Entwickelung
von Dialekten und neuen Sprachformen (Lautverschiebungsgesetz); man hat auch in dieser Hinsicht auf eine Analogie mit der EvolutionstheorieDarwins hingewiesen (s. Sprache und Menschenrassen). - An die Geschichte, Entwickelung und Verbreitung der Sprache schließt sich
die Erfindung und der Gebrauch der Schrift (s. d.) eng an, denn sie ist ein wesentliches
Moment für den geistigen Fortschritt der Menschheit.
Die Einteilung des Menschengeschlechts durch eine systematische Gruppierung geschieht nach verschiedenen Gesichtspunkten, je
nachdem man die körperliche Beschaffenheit, die geistige Begabung oder die Kulturzustände in den Vordergrund
stellt. Man konnte dabei nicht stehen bleiben, einfach die Völker als solche voneinander zu unterscheiden und sie etwa nach
dem Grad ihrer Zivilisation in Ur- oder Naturvölker (Wilde) und Kulturvölker, vielleicht auch je nach ihrer Beschäftigung
in Jäger-, Fischer-, Ackerbau-, Industrie- und Handelsvölker einzuteilen.
Vielmehr stellte sich mehr und mehr heraus, daß viele Völker in mehr oder weniger naher verwandtschaftlicher
Beziehung zu einander stehen. Die Forschungen nach dieser Richtung hin sind besonders Aufgabe der Ethnologie oder Ethnographie
(s. d.). Allein die großen Gruppen, die sich bei solcher Untersuchung der Völker auf ihre Verwandtschaft, auf ihren ethnischen
Zusammenhang aufstellen lassen, werden von der Anthropologie (s. d.) als Menschenarten oder Rassen bezeichnet.
Wenn nun auch die ethnologischen Grenzen
[* 31] vielfach mit den geographischen zusammenfallen, so zeigen sich doch überall große
Schwierigkeiten bei Bestimmung der Verwandtschaftsgrade und der Zusammengehörigkeit der Völker nach Rassen. Denn einesteils
kamen in geschichtlicher und vorgeschichtlicher Zeit ausgedehnte Wanderungen und Übersiedelungen der
Völker vor, so daß verwandte Völker und Stämme nunmehr weit entfernt voneinander wohnen; andernteils schwanden körperliche
Merkmale durch Vermischung, Kreuzung und Einfluß des Klimas; schließlich änderten sich Sitten und Sprachen durch fremde Eindringlinge
und Nachbarvölker. Unter diesen Verhältnissen bleiben immerhin die körperlichen Charaktere der verschiedenen Völker
und Stämme die sichersten Anhaltspunkte für die Bestimmung der Rassen. Deshalb haben Schädel- und Skelettbau, die Proportion
der Gliedmaßen, die Farbe und Beschaffenheit der Haut,
[* 32] der Haare
[* 33] und der Regenbogenhaut der Augen das höchste Interesse für die
Rassenlehre. Vgl. Menschenrassen.
Die Verbreitung des Menschen über die Erde ist eine sehr ausgedehnte. Das Gedeihen gewisser Rassen ist
allerdings von einem bestimmten Klima abhängig; allein bis zu einem gewissen Grad ist es dem Menschen möglich, sich verschiedenen
Lokalitäten zu akklimatisieren (vgl. Bevölkerung).
[* 34] Die Bevölkerungszahl der Erde schätzt man auf 1495 Mill., davon kommen
auf die einzelnen Erdteile:
Ausführlicheres darüber s. unter Bevölkerung (mit Karten und Tabellen). Die Statistik ermittelte ferner die Durchschnittszahlen
der Dimensionen, welche die einzelnen Teile des menschlichen Körpers zeigen. Die Proportionslehre der
menschlichen Gestalt wurde auch in ästhetischer Hinsicht schon von A. Dürer, dann von K. G. Carus, Fechner u. a. kultiviert.
In
¶
(Alter desselben). Während die Existenz des Menschen in der Quartärzeit (Diluvium)
[* 35] von keiner
Seite bestritten wird, werden gegen die Annahme, daß derselbe bereits während der Tertiärzeit gelebt hat, von namhaften
Anthropologen Einwände erhoben. Die von Bourgeois in den Mitteltertiärschichten von Thenay (LandschaftBeauce in Frankreich)
aufgefundenen Feuersteine sollen nicht, wie derselbe behauptet, von Menschenhand bearbeitet sein, sondern
vielmehr der zufälligen Einwirkung von Naturkräften ihre Gestalt verdanken.
Auch die Spuren menschlicher Thätigkeit, welche an den aus den Sandgruben von St.-Prest (unweit Chartres) zu Tage geförderten
Tierknochen nachgewiesen wurden und die ebendaselbst aufgefundenen Feuersteingeräte, ferner die von Ribeiro in den mittel-
und spättertiären Ablagerungen des Tajothales (Portugal)
[* 36] gesammelten Feuersteine und Quarzite sowie jene
an den Rippen eines unweit Poggarione (Toscana) in spättertiären Mergeln aufgefundenen Walfischskelettes nachzuweisenden Einschnitte,
die von Capellini auf die Thätigkeit des Tertiärmenschen zurückgeführt werden - alle diese Thatsachen und Beobachtungen werden
als nicht beweiskräftig genug erachtet, um damit die Lehre, daß der Mensch bereits während der Tertiärperiode
in Europa
[* 37] existiert hat, mit Sicherheit zu begründen.
Anderseits kann die Thatsache, daß während der Tertiärzeit Amerika
[* 38] bereits von Menschen bewohnt war, kaum noch bestritten
werden. Durch genaue Feststellung und Untersuchung der Umstände und der Lokalität, wo vor mehreren Jahrzehnten in der Sierra NevadaKaliforniens der Calaverasschädel aufgefunden wurde, gelangt EmilSchmidt zu dem Schlusse, daß der Inhaber
dieses Schädels, wenn nicht schon früher, doch spätestens während des Pliocäns (Spättertiärzeit) gelebt hat.
Weiterhin wird die Existenz des Tertiärmenschen in Nordamerika
[* 39] bezeugt durch die von Menschenhand hergestellten Artefakte,
die auf dem Boden von Thälern aufgefunden wurden, deren Bildung außerordentlich weiten die Vergangenheit
zurück reicht. Auch die kürzlich in Butte-County (Kalifornien) bei der Bearbeitung der dortigen Minen in pliocänen Kiesablagerungen
entdeckten Steinmörser, die offenbar menschlicher Thätigkeit ihre Entstehung verdanken, liefern einen Beweis für die Existenz
des Menschen während der Tertiärzeit.
Merkmale tierischer Bildung. Eigentümlichkeiten der menschlichen Körperbildung, die auf die Abstammung des
heutigen Menschen vom Tiere hindeuten und wenigstens teilweise an die Körperbildung der Affen erinnern
(daher pithekoide, d. h. affenähnliche, Merkmale), sind teils als Atavismus, teils als rudimentäre Organe aufzufassen, d. h.
als Körperteile, die in vergangenen Entwickelungszuständen des Menschen für denselben von Wichtigkeit waren, jetzt aber
unter veränderten Lebensbedingungen keine Bedeutung mehr für das Fortbestehen der menschlichen Gattung besitzen.
Aus jenen atavistischen Bildungen und rudimentären Organen ergeben sich nun wichtige Schlüsse bezüglich
der körperlichen Beschaffenheit der Vorfahren des heutigen Menschen. Nach Wiedersheim ist es zweifellos, daß bei denselben
die Wirbelsäule viel länger war als diejenige des heutigen Homo sapiens, daß die Vorfahren des Menschen geschwänzt waren,
daß das Becken früher ungleich weiter nach hinten, bez. nach
unten lag als heutzutage, und daß ein allmähliches Vorwärtsrücken des Kreuzbeines sowie des gesamten Beckengürtels vom
Schwanzende der Wirbelsäule nach dem Kopfende derselben hin stattgefunden hat.
Ferner ist es unverkennbar, daß beim Menschen, bez. dessen Vorfahren die Zahl der Rippen ehedem eine größere war als jetzt,
daß der Brustkorb sich immer mehr verkürzt hat, dafür aber in die Breite
[* 41] gewachsen ist, und daß auch für die Zukunft
eine weitere Verkürzung des Brustkorbes und Verminderung der Rippenzahl (schon jetzt läßt das elfte und zwölfte Rippenpaar
die beginnende Verkümmerung erkennen) mit Sicherheit zu erwarten steht. Der bei Amphibien, Reptilien,
Monotremen und Marsupialien sich findende Episternalapparat ist beim Menschen durch die im Gelenk zwischen Brustbein und Schlüsselbein
auftretenden Knorpel
[* 42] noch angedeutet.
Ganz besonders zahlreich sind die pithekoiden Bildungen am Schädel des heutigen Menschen. Der bei gewissen Menschenrassen fast
regelmäßig vorhandene Knochenwulst des Hinterhauptsbeines ist als Überrest des mächtigen Hinterhauptskammes
der Affen aufzufassen. Ferner werden von Belsanti zu den pithekoiden Merkmalen des menschlichen Schädels gerechnet: ausgesprochene
Vieleckigkeit des Schädels, Schwund der Nasenbeine, Fehlen des Nasenstachels, Hufeisenform des knöchernen Gaumens, stark entwickelte
Knochenleisten, Einfachheit der Knochennähte, bedeutende Entwickelung des Stirnfortsatzes des Schläfenbeines, rückwärts
gebogene Keilbeinflügel und der Reihe nach zunehmende Größe der Molarzähne.
Ferner sind als pithekoide, bez. tierähnliche Bildungen anzusehen: die Durchbohrung des Oberarmknochens unmittelbar über
dem Ellbogengelenk sowie die starke Entwickelung der »rauhen Linie« (linea aspera) und das Vorhandensein eines dritten Knochenvorsprunges
(Trochanter tertius) am Oberschenkelbein. Auch im Bereich des Muskelsystems finden sich beim heutigen MenschenBildungen, die
den charakteristischen Verhältnissen gewisser Affen genau entsprechen.
Der breite Halsmuskel stellt beim Menschen wahrscheinlich den letzten Rest eines bei Säugetieren fast über den ganzen Rumpf
verbreiteten Hautmuskels dar; die mimische Muskulatur des Menschen, d. h. jene Muskeln, welche den Gesichtsausdruck bedingen,
gehören ebenfalls jener Muskulatur an, die ursprünglich den ganzen Körper
bedeckt hat. Auch die Muskelgruppe,
die ursprünglich zur Bewegung der Ohrmuschel gedient hat, ist beim Menschen noch teilweise erhalten, wie auch jene Muskeln,
vermittelst deren geschwänzte Säugetiere den Schwanz bewegen, beim Menschen an der vordern und hintern Fläche sowie am Seitenrande
des Steißbeines in rudimentärem Zustand nachgewiesen werden können. Bemerkenswert ist endlich noch
die Thatsache, daß jener bei den Beuteltieren zur Brutpflege in inniger Beziehung stehende Beutelmuskel auch beim Menschen in
die Scheide des geraden Bauchmuskels mit eingeschlossen in rudimentärem Zustand angetroffen wird.
Die Körperproportionen sind in verschiedenen Entwickelungszuständen und Lebensaltern verschieden. Infolge
des bedeutenden Wachstums des Kopfes sinkt beim Fötus das Verhältnis des Rumpfes zur Gesamtkörperlänge (letztere zu 100 angenommen)
von 38,1 auf 36,8 herab. Während der ersten Jahre nach der Geburt wächst dann aber der Rumpf dermaßen, daß sein Verhältnis
zur Gesamtkörperlänge auf 42,5 steigt. Vom vierten Lebensjahr an sinkt
infolge des rapiden Wachstums der Beine das Verhältnis des Rumpfes zur Gesamtkörperlänge allmählich wieder bis auf 36,3.
Bei Europäern ist der Rumpf des Weibes verhältnismäßig etwas länger als derjenige des Mannes; die Länge der Extremitäten
ist beim Weibe im allgemeinen geringer als beim Manne.
Die Entwickelung der Extremitäten wird durch die Beschäftigung wesentlich beeinflußt. Bei Personen des
Arbeiterstandes beträgt die Länge der obern Extremität 43,4 Proz., bei geistig thätigen
Männern durchschnittlich nur 42,6 Proz. der Gesamtkörpergröße.
Bei Seeleuten, die vorzugsweise die Beine anstrengen, beträgt die Länge der obern Extremität 43,2 Proz., diejenige der untern
Extremität 47,5 Proz. der Gesamtkörpergröße;
auch ist der Rumpf der Seeleute durchschnittlich kürzer als derjenige der Arbeiter und der geistig thätigen Personen.
Während des Fötallebens ist der Vorderarm (inkl. Hand) anfangs länger als der Oberarm; später kehrt sich das Verhältnis
um. BeimFötus und in den ersten zwei Lebensjahren ist der Unterschied zwischen der Länge des Oberschenkels
und derjenigen des Unterschenkels geringfügig; vom zweiten Lebensjahr an wächst aber der Oberschenkel dermaßen, daß vom
sechsten bis neunten Lebensjahr letzterer zum Unterschenkel im Verhältnis von 100:79 steht. Bei den Kulturvölkern steht
das Weib durch die Schmalheit der Schultern, die geringe Entfernung der Brustwarzen voneinander, die geringe
Kapazität des Brustkastens und andre Eigentümlichkeiten dem kindlichen Typus nahe. Bei den unzivilisierten Völkern ist insofern
eine Annäherung an den Affentypus vorhanden, als bei denselben die obere Extremität durchschnittlich länger ist als bei
den Kulturvölkern.
Daß der Mensch während des frühsten Abschnittes der Diluvialzeit (Quartärzeit) sich den aufrechten Gang noch nicht vollständig
angeeignet hatte, wird bewiesen durch Untersuchungen, die Fraipont an den Schienbeinen der in der Höhle von Spy (ProvinzNamur
[* 44] in Belgien) ausgegrabenen, mit dem Schädel des Neanderthals eine bemerkenswerte Übereinstimmung aufweisenden
menschlichen Skelette angestellt hat. Daraus, daß beim Spy-Menschen ebenso wie
¶
(Homosapiens L.), der höchstentwickelte lebende Organismus.
1) Naturgeschichtliches. Der Mensch ist nach dem anatom.
Bau und den funktionellen Leistungen seiner Organe von den Wirbeltieren nicht abzutrennen, sondern er muß als auf der
höchsten Stufe der Säugetiere stehend betrachtet werden. Die ihm in körperlicher Beziehung am nächsten stehenden Tiere sind
die Affen und zwar besonders deren höchste Abteilung, die Anthropoiden oder Menschenaffen (s. d.). Mit ihnen
hat er die Gesamtanlage der Organisation gemein; er unterscheidet sich von ihnen aber in der Bildung einzelner Organe, namentlich
des Gehirns, und, hiervon abhängig, des Schädels,
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mehr
sowie der untern Extremitäten, von welchen letztern die Fähigkeit des aufrechten Ganges besonders abhängt. Von den Anthropoiden
hat nur der Gibbon einen aufrechten Gang, der ihm aber nur ermöglicht wird, indem er mit den weit fortgestreckten langen
Oberextremitäten den schwankenden Körper im Gleichgewicht
[* 49] hält. Die andern Anthropoiden gehen nicht vollständig
aufrecht, sondern sie benutzen beim Gehen die Rückenfläche der Hände zur Stütze; somit gehen sie also auf allen Vieren.
Einem allgemeinen Gesetze zufolge liegt in der Teilung derArbeit ein Princip der höhern Vervollkommnung, und es steht deshalb
der Affe, bei dem alle vier Extremitäten in Händen endigen und gleichmäßig sowohl zum Greifen als zur
Ortsbewegung
[* 50] benutzt werden, tiefer als der Mensch, obgleich Hände mit entgegenstellbarem Daumen an und für sich weiter entwickelte
Organe sind als Füße, deren Großzehe mit den übrigen Zehen in derselben Ebene liegt. In zoolog.
Hinsicht ist deshalb die Bildung der Füße für den Mensch charakteristisch und auszeichnendes Merkmal gegenüber
den Affen.
Der menschliche Fuß unterscheidet sich durch die Größe und Dicke der ersten Zehe, die Kürze der übrigen Zehen, die feste
Verbindung der Knochen des Mittelfußes und der Fußwurzel, die ein elastisches Gewölbe bilden, durch die Größe und Ausbildung
des Fersenbeins, das den hintern Stützpunkt des Fußgewölbes abgiebt. Bisweilen ist aber die zweite
Zehe etwas länger als die erste. Mit dieser Bestimmung des Beins als Stütz- und Bewegungsorgan hängt auch zusammen die Größe
und Festigkeit
[* 51] des Schienbeins und namentlich des Schenkelbeins, das beim Mensch allein den längsten Knochen des Skeletts bildet,
während bei den Affen das Oberarmbein den Schenkel an Länge übertrifft oder ihm wenigstens gleichkommt;
ferner die Breite und Ausdehnung
[* 52] des Beckens, besonders der Darmbeine, die großenteils das Gewicht der Eingeweide
[* 53] bei der aufrechten
Stellung zu tragen haben; die doppelt S-förmige Krümmung der Wirbelsäule, sowie in den weichen Teilen namentlich die Konzentration
der Muskeln des Unterschenkels zu einer Wade, des Oberschenkels und des Gesäßes zu abgerundeten Massen.
Weit geringer sind, abgesehen von ihrer weit beträchtlichern Länge und Stärke,
[* 54] die Unterschiede der Arme und Hände; doch
ist bei dem Affen der Daumen weniger ausgebildet und namentlich der Ballenmuskel des Daumens weniger vorstehend, sowie der
Oberarm bei dem Mensch im Verhältnis zu den übrigen Teilen, Vorderarm und Hand, länger. Endlich beruht in der
aufrechten Stellung und der damit zusammenhängenden Balancierung des Kopfes auf der Wirbelsäule die geringere Ausbildung
der Dornen der Halswirbel und des Nackenbandes, das sich einerseits an diese Dornen, andererseits an das Hinterhaupt festsetzt.
Der Unterstützungspunkt des Kopfes ist bei dem Affen an dem Hinterrande der Schädelbasis, bei dem Mensch sehr annähernd in der
Mitte gelegen, was für die aufrechte Haltung des Kopfes beim Mensch von Wichtigkeit ist.
Der Kopf des Mensch unterscheidet sich wesentlich durch die sehr beträchtliche Ausbildung des Gehirnschädels und
des Gehirns im Verhältnis zum Gesicht. Zwar hat der Mensch weder das absolut größte Gehirn
[* 55] in der Tierwelt
(Elefant,
[* 56] Walfisch übertreffen ihn in dieser Hinsicht), noch auch das größte Gehirn im Verhältnis zum Körper (einige kleine
Affen und Singvögel stehen ihm hierin voran), auch steht er nicht in Bezug auf die Ausbildung aller
einzelnen
Teile des Gehirns höher als die übrigen Tiere (der Hund z. B. übertrifft ihn durch die große Ausbildung des Riechlappens);
aber die für die geistigen Funktionen allerwichtigsten Teile des Gehirns, die Großhirnhemisphären, sind in ihrem Verhältnis
zu den übrigen Teilen des Gehirns bedeutend größer als bei allen Tieren, auch übertreffen sie die tierischen
Großhirnhemisphären ganz wesentlich durch bedeutend größere Zahl und Ausbildung der sog.
Gehirnwindungen, und hiermit durch eine erhebliche Vergrößerung der Großhirnrinde und durch eine Vermehrung der in der
letztern liegenden Ganglienzellen.
[* 57]
Die Hinterhauptslappen der Großhirnhemisphären ragen nur bei dem Mensch über die Hemisphären des Kleinhirns hinaus
und verdecken dieselben gänzlich; bei den Tieren bleiben die letztern teilweise unverdeckt, und zwar sind sie um so weniger
verdeckt, je niedriger die Stufe ist, auf welcher die Tierart steht. Man hat sich über die Frage gestritten, ob der Mensch besondere
Hirnteile besitze, die andern Tieren und namentlich auch den menschenähnlichen Affen nicht zukämen, und
es war namentlich der Vogelsporn oder kleine Seepferdefuß (s. Gehirn, Bd. 7, S. 676 a), dessen Anwesenheit für das Affengehirn
geleugnet wurde.
Dieser Streit ist jetzt durch genaue Erörterung der Thatsachen dahin entschieden, daß nur quantitative, aber keine qualitativen
Unterschiede existieren;
daß die Affen alle wesentlichen Hirnteile besitzen, welche der auch hat;
daß
ihre Windungen des Großhirns im ganzen nach demselben Plane angelegt sind;
daß sich der Mensch aber unterscheidet durch die
größere Komplikation der Windungen, durch die Ausbildung der auf dem Augendache ruhenden untern Vorderhirnwindungen und
durch die größere Masse, Höhe und Breite des Großhirns, das überhaupt als Organ der Intelligenz zu
bezeichnen ist.
Dieser Ausbildung des Gehirns entsprechend, ist die knöcherne Kapsel desselben, der Schädel, über das Gesicht
herübergewölbt und namentlich über die Augen herübergeschoben, so daß eine wirkliche, mehr oder minder senkrecht stehende
Stirn gebildet ist, die den Tieren entweder ganz fehlt oder nur eine stark geneigte Fläche darstellt. Die
Schädelkapsel ist dabei rundlich, harmonisch gewölbt, und es sind keine vorspringenden Leisten zur Anheftung der Muskeln
an ihr ausgebildet.
Hiermit in Übereinstimmung sind das Gesicht und ganz besonders die Kiefer weit weniger entwickelt, nicht schnauzenförmig
vorstehend, die Nase dagegen vorragend und auch ein vorspringendes Kinn gebildet, während bei allen Affen
der Unterkiefer von den Schneidezähnen an zurückweicht, ohne eine vordere oder untere Ecke zu bilden, ein Kinn also bei ihnen
nicht zur Entwicklung kommt. Hinsichtlich der Zahl und Bildung der Zähne stimmt der Mensch mit den Affen der Alten Welt überein.
Von allen Affen aber unterscheidet er sich dadurch, daß die Kronen
[* 58] seiner Eckzähne nicht über die der andern Zähne hervorragen
und also auch keine Lücken in der Zahnreihe sich finden, in welche diese vorspringenden Eckzähne eingreifen.
Über das Verhältnis der Ordnung und Gattung Mensch zu den Affen besteht noch immer heftiger Streit. Die Darwinianer
sehen im M. die Vollendung des in den Affen begonnenen Typus und betrachten den Dryopithecus
[* 59] Fontani (s. d.) als das Missing
link, den «Vormenschen» oder Proanthropos. Ganz neuerdings hat Eugen Dubois
in den von ihm in
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Trinil auf Java gefundenen Resten des Pithecanthropus erectus den Übergang vom Affen zum Mensch erkennen wollen. Andere sehen
in diesen Resten nur Teile eines riesigen fossilen Gibbon. Eine Anzahl von Naturforschern nimmt für den Mensch einen besondern
Schöpfungsakt an.
Über dieLage der lebenswichtigen Organe des menschlichen Körpers giebt die beigefügte Tafel: Der Körper
des Menschen (Durchschnitt) Aufschluß, die nach dem Durchschnitt in der Mittellinie einer gefrorenen männlichen Leiche angefertigt
ist. Der Kopf zerfällt in den Schädel und das Gesicht; von den einzelnen Schädelknochen ist auf dem Durchschnitt das Stirnbein
mit der Stirnhöhle sowie das Hinterhauptsbein zu erkennen. In der geräumigen Schädelhöhle liegt, von
den Gehirnhäuten umschlossen, das Gehirn mit den beiden Großhirnhemisphären, dem Hirnbalken, der Zirbeldrüse und den Vierhügeln,
darunter das Mittelhirn mit der Varolsbrücke und dem verlängerten Mark, sowie das KleineGehirn mit dem Lebensbaum (s. Gehirn).
Unterhalb der Schädelhöhle befinden sich die Nasenhöhle, von der man auf dem Durchschnitt nur die
Nasenscheidewand erblickt, sowie die Mundhöhle
[* 61] mit ihrem knöchernen Dach,
[* 62] dem harten Gaumen, mit dem beweglichen weichen
Gaumen und dem Zäpfchen, die die Grenze zwischen Mund- und Rachenhöhle bilden, mit der Zunge, dem Unterkiefer und dem Schließmuskel
des Mundes. Der Hals, dessen knöcherne Grundlage die sieben Halswirbel bilden, vermittelt die Verbindung
zwischen dem Kopf und dem Rumpf und enthält außer zahlreichen wichtigen Nerven
[* 63] und Blutgefäßen das Zungenbein, den Kehlkopf,
von dem man auf der Tafel den durchschnittenen Schild- und Ringknorpel sieht, die Luftröhre mit der vorgelagerten Schilddrüse,
dahinter die Speiseröhre, die Halswirbelsäule mit dem eingeschlossenen Rückenmark, die Zwischenwirbel-
und Nackenmuskeln sowie das starke Nackenband.
In der von dem Brustbein, den Rippen und den Rückenwirbeln umschlossenen und durch das Zwerchfell von der Bauchhöhle getrennten
Brusthöhle liegen das Herz mit seinen beiden Kammern und Vorkammern, die Lungen, von denen in der Mittellinie nur ein kleiner
Teil der rechten Lunge
[* 64] sichtbar ist, der untere Teil der Luftröhre mit dem rechten und linken Bronchus,
die Speiseröhre und die großen Blutgefäße, von denen auf der Tafel die Schlüsselbeinschlagader, die unbenannte Blutader
(s. Anonyma), die aufsteigende und die absteigende Brustschlagader sichtbar sind; an der hintern Wand der Brusthöhle liegen
die Wirbelsäule mit ihren Wirbelkörpern und Dornfortsätzen, das Rückenmark und die Rückenmuskulatur.
(S. Brust.) Die vom Bauchfell fast allenthalben ausgekleidete Bauchhöhle enthält die Leber mit der Gallenblase und Pfortader,
den Magen,
[* 65] den Darmkanal mit dem Zwölffingerdarm, dem Dünndarm und Grimmdarm (s. Darm)
[* 66] sowie die Bauchspeicheldrüse.
Milz und Nieren sind auf der Tafel nicht sichtbar, weil sie nicht in der Mittellinie liegen; nur die linke
Nierenblutader ist erkennbar. Von sonstigen Blutgefäßen erblickt man die große Bauchschlagader, die obere und untere Gekrösblutader
sowie die linke Hüftblutader. In der Beckenhöhle endlich, die vorn vom Schambein, hinten vom Kreuzbein und Steißbein begrenzt
wird, liegen beim Manne die Harnblase mit dem Anfangsteil der Harnröhre und der Vorsteherdrüse sowie der
Mastdarm, der nach außen durch einen kräftigen Schließmuskel verschlossen wird. Über die Extremitäten s. Arm und Bein.
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In Bezug auf seine Entwicklung im Mutterleibe weicht der Mensch durchaus nicht von dem für die übrigen Wirbeltiere
gültigen Plane ab. (S. Embryo.) Die Differenzierung in zwei verschiedene Geschlechter scheint nach neuen Untersuchungen, namentlich
von Nagel, schon in der ersten Keimanlage vor sich zu gehen. Es entwickeln sich, abgesehen von der Verschiedenheit der
Geschlechtsteile, eine große Anzahl sog. sekundärer Geschlechtscharaktere, unter denen
Geschlechtsunterschiede in dem Bau des Schädels, des Gehirns, des Beckens, des Hautsystems mit seinem Zubehör, der innern
Organe u. s. w. zu nennen sind.
Auch in Bezug auf die Wachstumsverhältnisse, auf die Größe und das Körpergewicht finden sich Unterschiede zwischen den
beiden Geschlechtern, ebenso in der Sterblichkeit (s. Sterblichkeitsstatistik). Im erwachsenen Zustande
scheint bei allen Menschenrassen (s. d.) das Weib kleiner zu bleiben als der Mann, die Größenverhältnisse
des letztern zeigen aber sehr erhebliche Schwankungen, welche teils individueller Natur, teils durch den Rasseneinfluß bedingt
werden.
Ähnlich verhält es sich mit dem Körpergewicht. Auch die Entwicklung von den kindlichen zu den erwachsenen
Zuständen, der Eintritt der Pubertät, findet bei verschiedenen Völkern in verschiedenem Lebensalter statt. Im allgemeinen
tritt die Pubertät bei dem weiblichen Geschlecht früher ein als bei dem männlichen, und bei beiden Geschlechtern in tropischen
und subtropischen Gegenden frühzeitiger als in der kalten Zone. Das Studium des Mensch hat sich in den letzten
Jahrzehnten zu einer besondern Wissenschaft herausgebildet, zu der Anthropologie (s. d.).
2) Anthropometrie. Die Forschungen über die Naturgeschichte des Mensch (somatische Anthropologie und Rassenanatomie) haben besonders
in der neuesten Zeit einen sehr bedeutenden Aufschwung genommen, teils durch die Entdeckung des größten und
menschenähnlichsten Affen, des Gorilla (s. d.), teils durch die sich immer häufiger bietende
Gelegenheit, Vertreter fremder Rassen in Europa oder in ihrer Heimat durch anthropologisch geschulte Forscher untersuchen zu
können.
Dafür wurden exakte Meßmethoden der Anthropometrie (Menschen- oder Körpermessung) ausgebildet, die nicht nur den Schädel
in allen seinen Teilen, sowie seinem Innenraum nach, in Betracht ziehen (Kraniometrie), sondern ebenso
genau jeden einzelnen Knochen des Skeletts und vor allem auch eine exakte vergleichende Aufnahme lebender Mensch gestatten. Wesentlich
sind diese Forschungen gefördert worden durch die Stiftung anthropol. Gesellschaften (Berlin,
[* 70] Wien,
[* 71] München,
[* 72] Paris,
[* 73] London,
[* 74] Brüssel,
[* 75] Rom,
[* 76] Petersburg
[* 77] u. a.), die in ihren Gesellschaftspublikationen die wichtigsten
Forschungsmethoden und -Ergebnisse mitteilen. In Frankreich (Paris) arbeiteten in dieser Richtung vor allem Broca (s. d.) und
seine Schule, Topinard, Manouvrier u. a. und bildeten die Methoden der Technik namentlich für die Messung der einzelnen Knochen
(Osteometrie) auf das feinste aus. Die von Göttingen
[* 78] ausgegangene, von Retzius (s. Menschenrassen) zuerst ausgebildete
Schädelmessung wurde auch in Deutschland
[* 79] hauptsächlich fortgebildet, in der neuesten Zeit namentlich durch Virchow und seine
anthropol. Schule, der es gelang, 1882 eine
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