Mensch
(Homo sapiens L.), der höchstentwickelte lebende Organismus.
1) Naturgeschichtliches. Der Mensch
ist nach dem anatom.
Bau und den funktionellen Leistungen seiner Organe von den Wirbeltieren nicht abzutrennen, sondern er muß als auf der
höchsten
Stufe der Säugetiere stehend betrachtet werden. Die ihm in körperlicher
Beziehung am nächsten stehenden
Tiere sind
die
Affen
[* 2] und zwar besonders deren höchste
Abteilung, die
Anthropoiden oder
Menschenaffen (s. d.). Mit ihnen
hat er die Gesamtanlage der Organisation gemein; er unterscheidet sich von ihnen aber in der
Bildung einzelner Organe, namentlich
des
Gehirns, und, hiervon abhängig, des Schädels,
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sowie der untern Extremitäten, von welchen letztern die Fähigkeit des aufrechten Ganges besonders abhängt. Von den Anthropoiden hat nur der Gibbon einen aufrechten Gang, [* 7] der ihm aber nur ermöglicht wird, indem er mit den weit fortgestreckten langen Oberextremitäten den schwankenden Körper im Gleichgewicht [* 8] hält. Die andern Anthropoiden gehen nicht vollständig aufrecht, sondern sie benutzen beim Gehen die Rückenfläche der Hände zur Stütze; somit gehen sie also auf allen Vieren.
Einem allgemeinen Gesetze zufolge liegt in der Teilung der Arbeit ein Princip der höhern Vervollkommnung, und es steht deshalb
der Affe,
[* 9] bei dem alle vier Extremitäten in Händen endigen und gleichmäßig sowohl zum Greifen als zur
Ortsbewegung
[* 10] benutzt werden, tiefer als der Mensch
, obgleich Hände mit entgegenstellbarem Daumen an und für sich weiter entwickelte
Organe sind als Füße, deren Großzehe mit den übrigen Zehen in derselben Ebene liegt. In zoolog.
Hinsicht ist deshalb die Bildung der Füße für den Mensch
charakteristisch und auszeichnendes Merkmal gegenüber
den Affen.
Der mensch
liche Fuß unterscheidet sich durch die Größe und Dicke der ersten Zehe, die Kürze der übrigen Zehen, die feste
Verbindung der Knochen
[* 11] des Mittelfußes und der Fußwurzel, die ein elastisches Gewölbe
[* 12] bilden, durch die Größe und Ausbildung
des Fersenbeins, das den hintern Stützpunkt des Fußgewölbes abgiebt. Bisweilen ist aber die zweite
Zehe etwas länger als die erste. Mit dieser Bestimmung des Beins als Stütz- und Bewegungsorgan hängt auch zusammen die Größe
und Festigkeit
[* 13] des Schienbeins und namentlich des Schenkelbeins, das beim Mensch
allein den längsten Knochen des Skeletts bildet,
während bei den Affen das Oberarmbein den Schenkel an Länge übertrifft oder ihm wenigstens gleichkommt;
ferner die Breite
[* 14] und Ausdehnung
[* 15] des Beckens, besonders der Darmbeine, die großenteils das Gewicht der Eingeweide
[* 16] bei der aufrechten
Stellung zu tragen haben; die doppelt S-förmige Krümmung der Wirbelsäule, sowie in den weichen Teilen namentlich die Konzentration
der Muskeln
[* 17] des Unterschenkels zu einer Wade, des Oberschenkels und des Gesäßes zu abgerundeten Massen.
Weit geringer sind, abgesehen von ihrer weit beträchtlichern Länge und Stärke,
[* 18] die Unterschiede der Arme und Hände; doch
ist bei dem Affen der Daumen weniger ausgebildet und namentlich der Ballenmuskel des Daumens weniger vorstehend, sowie der
Oberarm bei dem Mensch
im Verhältnis zu den übrigen Teilen, Vorderarm und Hand,
[* 19] länger. Endlich beruht in der
aufrechten Stellung und der damit zusammenhängenden Balancierung des Kopfes auf der Wirbelsäule die geringere Ausbildung
der Dornen der Halswirbel und des Nackenbandes, das sich einerseits an diese Dornen, andererseits an das Hinterhaupt festsetzt.
Der Unterstützungspunkt des Kopfes ist bei dem Affen an dem Hinterrande der Schädelbasis, bei dem Mensch
sehr annähernd in der
Mitte gelegen, was für die aufrechte Haltung des Kopfes beim Mensch
von Wichtigkeit ist.
Der Kopf des Mensch
unterscheidet sich wesentlich durch die sehr beträchtliche Ausbildung des Gehirnschädels und
des Gehirns im Verhältnis zum Gesicht.
[* 20] Zwar hat der Mensch
weder das absolut größte Gehirn
[* 21] in der Tierwelt
(Elefant,
[* 22] Walfisch übertreffen ihn in dieser Hinsicht), noch auch das größte Gehirn im Verhältnis zum Körper (einige kleine
Affen und Singvögel stehen ihm hierin voran), auch steht er nicht in Bezug auf die Ausbildung aller
einzelnen
Teile des Gehirns höher als die übrigen Tiere (der Hund z. B. übertrifft ihn durch die große Ausbildung des Riechlappens);
aber die für die geistigen Funktionen allerwichtigsten Teile des Gehirns, die Großhirnhemisphären, sind in ihrem Verhältnis
zu den übrigen Teilen des Gehirns bedeutend größer als bei allen Tieren, auch übertreffen sie die tierischen
Großhirnhemisphären ganz wesentlich durch bedeutend größere Zahl und Ausbildung der sog.
Gehirnwindungen, und hiermit durch eine erhebliche Vergrößerung der Großhirnrinde und durch eine Vermehrung der in der
letztern liegenden Ganglienzellen.
[* 23]
Die Hinterhauptslappen der Großhirnhemisphären ragen nur bei dem Mensch
über die Hemisphären des Kleinhirns hinaus
und verdecken dieselben gänzlich; bei den Tieren bleiben die letztern teilweise unverdeckt, und zwar sind sie um so weniger
verdeckt, je niedriger die Stufe ist, auf welcher die Tierart steht. Man hat sich über die Frage gestritten, ob der Mensch
besondere
Hirnteile besitze, die andern Tieren und namentlich auch den mensch
enähnlichen Affen nicht zukämen, und
es war namentlich der Vogelsporn oder kleine Seepferdefuß (s. Gehirn, Bd. 7, S. 676 a), dessen Anwesenheit für das Affengehirn
geleugnet wurde.
Dieser Streit ist jetzt durch genaue Erörterung der Thatsachen dahin entschieden, daß nur quantitative, aber keine qualitativen Unterschiede existieren;
daß die Affen alle wesentlichen Hirnteile besitzen, welche der auch hat;
daß ihre Windungen des Großhirns im ganzen nach demselben Plane angelegt sind;
daß sich der Mensch aber unterscheidet durch die größere Komplikation der Windungen, durch die Ausbildung der auf dem Augendache ruhenden untern Vorderhirnwindungen und durch die größere Masse, Höhe und Breite des Großhirns, das überhaupt als Organ der Intelligenz zu bezeichnen ist.
Dieser Ausbildung des Gehirns entsprechend, ist die knöcherne Kapsel desselben, der Schädel, über das Gesicht herübergewölbt und namentlich über die Augen herübergeschoben, so daß eine wirkliche, mehr oder minder senkrecht stehende Stirn gebildet ist, die den Tieren entweder ganz fehlt oder nur eine stark geneigte Fläche darstellt. Die Schädelkapsel ist dabei rundlich, harmonisch gewölbt, und es sind keine vorspringenden Leisten zur Anheftung der Muskeln an ihr ausgebildet.
Hiermit in Übereinstimmung sind das Gesicht und ganz besonders die Kiefer weit weniger entwickelt, nicht schnauzenförmig vorstehend, die Nase [* 24] dagegen vorragend und auch ein vorspringendes Kinn gebildet, während bei allen Affen der Unterkiefer von den Schneidezähnen an zurückweicht, ohne eine vordere oder untere Ecke zu bilden, ein Kinn also bei ihnen nicht zur Entwicklung kommt. Hinsichtlich der Zahl und Bildung der Zähne [* 25] stimmt der Mensch mit den Affen der Alten Welt überein. Von allen Affen aber unterscheidet er sich dadurch, daß die Kronen [* 26] seiner Eckzähne nicht über die der andern Zähne hervorragen und also auch keine Lücken in der Zahnreihe sich finden, in welche diese vorspringenden Eckzähne eingreifen.
Über das Verhältnis der Ordnung und Gattung Mensch zu den Affen besteht noch immer heftiger Streit. Die Darwinianer sehen im M. die Vollendung des in den Affen begonnenen Typus und betrachten den Dryopithecus [* 27] Fontani (s. d.) als das Missing link, den «Vormenschen» oder Proanthropos. Ganz neuerdings hat Eugen Dubois in den von ihm in ¶
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Trinil auf Java gefundenen Resten des Pithecanthropus erectus den Übergang vom Affen zum Mensch erkennen wollen. Andere sehen in diesen Resten nur Teile eines riesigen fossilen Gibbon. Eine Anzahl von Naturforschern nimmt für den Mensch einen besondern Schöpfungsakt an.
Über die Lage der lebenswichtigen Organe des menschlichen Körpers giebt die beigefügte Tafel: Der Körper des Menschen (Durchschnitt) Aufschluß, die nach dem Durchschnitt in der Mittellinie einer gefrorenen männlichen Leiche angefertigt ist. Der Kopf zerfällt in den Schädel und das Gesicht; von den einzelnen Schädelknochen ist auf dem Durchschnitt das Stirnbein mit der Stirnhöhle sowie das Hinterhauptsbein zu erkennen. In der geräumigen Schädelhöhle liegt, von den Gehirnhäuten umschlossen, das Gehirn mit den beiden Großhirnhemisphären, dem Hirnbalken, der Zirbeldrüse und den Vierhügeln, darunter das Mittelhirn mit der Varolsbrücke und dem verlängerten Mark, sowie das Kleine Gehirn mit dem Lebensbaum (s. Gehirn).
Unterhalb der Schädelhöhle befinden sich die Nasenhöhle, von der man auf dem Durchschnitt nur die Nasenscheidewand erblickt, sowie die Mundhöhle [* 29] mit ihrem knöchernen Dach, [* 30] dem harten Gaumen, mit dem beweglichen weichen Gaumen und dem Zäpfchen, die die Grenze zwischen Mund- und Rachenhöhle bilden, mit der Zunge, dem Unterkiefer und dem Schließmuskel des Mundes. Der Hals, dessen knöcherne Grundlage die sieben Halswirbel bilden, vermittelt die Verbindung zwischen dem Kopf und dem Rumpf und enthält außer zahlreichen wichtigen Nerven [* 31] und Blutgefäßen das Zungenbein, den Kehlkopf, von dem man auf der Tafel den durchschnittenen Schild- und Ringknorpel sieht, die Luftröhre mit der vorgelagerten Schilddrüse, dahinter die Speiseröhre, die Halswirbelsäule mit dem eingeschlossenen Rückenmark, die Zwischenwirbel- und Nackenmuskeln sowie das starke Nackenband.
In der von dem Brustbein, den Rippen und den Rückenwirbeln umschlossenen und durch das Zwerchfell von der Bauchhöhle getrennten Brusthöhle liegen das Herz mit seinen beiden Kammern und Vorkammern, die Lungen, von denen in der Mittellinie nur ein kleiner Teil der rechten Lunge [* 32] sichtbar ist, der untere Teil der Luftröhre mit dem rechten und linken Bronchus, die Speiseröhre und die großen Blutgefäße, von denen auf der Tafel die Schlüsselbeinschlagader, die unbenannte Blutader (s. Anonyma), die aufsteigende und die absteigende Brustschlagader sichtbar sind; an der hintern Wand der Brusthöhle liegen die Wirbelsäule mit ihren Wirbelkörpern und Dornfortsätzen, das Rückenmark und die Rückenmuskulatur. (S. Brust.) Die vom Bauchfell fast allenthalben ausgekleidete Bauchhöhle enthält die Leber mit der Gallenblase und Pfortader, den Magen, [* 33] den Darmkanal mit dem Zwölffingerdarm, dem Dünndarm und Grimmdarm (s. Darm) [* 34] sowie die Bauchspeicheldrüse.
Milz und Nieren sind auf der Tafel nicht sichtbar, weil sie nicht in der Mittellinie liegen; nur die linke Nierenblutader ist erkennbar. Von sonstigen Blutgefäßen erblickt man die große Bauchschlagader, die obere und untere Gekrösblutader sowie die linke Hüftblutader. In der Beckenhöhle endlich, die vorn vom Schambein, hinten vom Kreuzbein und Steißbein begrenzt wird, liegen beim Manne die Harnblase mit dem Anfangsteil der Harnröhre und der Vorsteherdrüse sowie der Mastdarm, der nach außen durch einen kräftigen Schließmuskel verschlossen wird. Über die Extremitäten s. Arm und Bein. -
Vgl. auch die Artikel Bänder, Bauch, [* 35] Blutgefäße, Brust, Gehirn, Gehör, [* 36] Herz, Muskeln, Nerven, Schädel, Skelett [* 37] mit den zugehörigen Tafeln.
In Bezug auf seine Entwicklung im Mutterleibe weicht der Mensch durchaus nicht von dem für die übrigen Wirbeltiere gültigen Plane ab. (S. Embryo.) Die Differenzierung in zwei verschiedene Geschlechter scheint nach neuen Untersuchungen, namentlich von Nagel, schon in der ersten Keimanlage vor sich zu gehen. Es entwickeln sich, abgesehen von der Verschiedenheit der Geschlechtsteile, eine große Anzahl sog. sekundärer Geschlechtscharaktere, unter denen Geschlechtsunterschiede in dem Bau des Schädels, des Gehirns, des Beckens, des Hautsystems mit seinem Zubehör, der innern Organe u. s. w. zu nennen sind.
Auch in Bezug auf die Wachstumsverhältnisse, auf die Größe und das Körpergewicht finden sich Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern, ebenso in der Sterblichkeit (s. Sterblichkeitsstatistik). Im erwachsenen Zustande scheint bei allen Menschenrassen [* 38] (s. d.) das Weib kleiner zu bleiben als der Mann, die Größenverhältnisse des letztern zeigen aber sehr erhebliche Schwankungen, welche teils individueller Natur, teils durch den Rasseneinfluß bedingt werden.
Ähnlich verhält es sich mit dem Körpergewicht. Auch die Entwicklung von den kindlichen zu den erwachsenen Zuständen, der Eintritt der Pubertät, findet bei verschiedenen Völkern in verschiedenem Lebensalter statt. Im allgemeinen tritt die Pubertät bei dem weiblichen Geschlecht früher ein als bei dem männlichen, und bei beiden Geschlechtern in tropischen und subtropischen Gegenden frühzeitiger als in der kalten Zone. Das Studium des Mensch hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer besondern Wissenschaft herausgebildet, zu der Anthropologie (s. d.).
2) Anthropometrie. Die Forschungen über die Naturgeschichte des Mensch (somatische Anthropologie und Rassenanatomie) haben besonders in der neuesten Zeit einen sehr bedeutenden Aufschwung genommen, teils durch die Entdeckung des größten und menschenähnlichsten Affen, des Gorilla (s. d.), teils durch die sich immer häufiger bietende Gelegenheit, Vertreter fremder Rassen in Europa [* 39] oder in ihrer Heimat durch anthropologisch geschulte Forscher untersuchen zu können.
Dafür wurden exakte Meßmethoden der Anthropometrie (Menschen- oder Körpermessung) ausgebildet, die nicht nur den Schädel in allen seinen Teilen, sowie seinem Innenraum nach, in Betracht ziehen (Kraniometrie), sondern ebenso genau jeden einzelnen Knochen des Skeletts und vor allem auch eine exakte vergleichende Aufnahme lebender Mensch gestatten. Wesentlich sind diese Forschungen gefördert worden durch die Stiftung anthropol. Gesellschaften (Berlin, [* 40] Wien, [* 41] München, [* 42] Paris, [* 43] London, [* 44] Brüssel, [* 45] Rom, [* 46] Petersburg [* 47] u. a.), die in ihren Gesellschaftspublikationen die wichtigsten Forschungsmethoden und -Ergebnisse mitteilen. In Frankreich (Paris) arbeiteten in dieser Richtung vor allem Broca (s. d.) und seine Schule, Topinard, Manouvrier u. a. und bildeten die Methoden der Technik namentlich für die Messung der einzelnen Knochen (Osteometrie) auf das feinste aus. Die von Göttingen [* 48] ausgegangene, von Retzius (s. Menschenrassen) zuerst ausgebildete Schädelmessung wurde auch in Deutschland [* 49] hauptsächlich fortgebildet, in der neuesten Zeit namentlich durch Virchow und seine anthropol. Schule, der es gelang, 1882 eine ¶