Mendrisio
,
Bezirkshauptort im schweizer. Kanton Tessin, [* 2] an der Linie Lugano-Chiasso der Gotthardbahn, mit Seidenzucht und (1881) 2749 Einw. Von hier aus wird der Monte Generoso (s. d.) bestiegen.
Mendrisio
3 Seiten, 1'608 Wörter, 11'164 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Mendrisio,
Bezirkshauptort im schweizer. Kanton Tessin, [* 2] an der Linie Lugano-Chiasso der Gotthardbahn, mit Seidenzucht und (1881) 2749 Einw. Von hier aus wird der Monte Generoso (s. d.) bestiegen.
Im Geographisches Lexikon der SCHWEIZ, 1902
Mendrisio,
deutsch Mendris. Südlichster Bezirk des Kantons Tessin
und der Schweiz überhaupt. 10230 ha Fläche und 24292 Ew.; ist
mit 236 Ew. auf einen km2 der am dichtesten bevölkerte Bezirk des Kantons. 3325 Häuser, 5355 Haushaltungen; 270 Ew.
deutscher Zunge. 189 Reformierte, die meist aus der deutschen Schweiz stammen. Umfasst folgende 28 Gemeinden: Kreis Mendrisio
mit Mendrisio
, Coldrerio, Salorino und Genestrerio;
Kreis Balerna mit Balerna, Castello San Pietro, Chiasso, Morbio Inferiore und Pedrinate;
Kreis Caneggio mit Caneggio, Cabbio, Vacallo, Sagno, Morbio Superiore, Monte, Bruzella, Muggio und Casima;
Kreis Stabio mit Stabio, Novazzano und Ligornetto;
Kreis Riva San Vitale mit Riva San Vitale, Meride, Arzo, Besazio, Tremona, Rancate und Capolago.
Der Bezirk ist im Königreich Italien eingekeilt und hängt mit dem übrigen Kanton (Bezirk Lugano) blos im N. mit dem W.-Hang des Monte Generoso und dem S.-Ufer des Luganersees zusammen.
In den Bezirk reichen die letzten Ausläufer der Alpen hinein, die hier nur noch einige mit Dörfern und Landhäusern besäte und gegen die grosse Ebene der Lombardei ausstreichende Hügelzüge bilden. Eigentliche Berge sind blos noch der Monte Generoso (1704 m) u. der Monte San Giorgio (1094 m) im n. Abschnitt des Bezirkes. Der Sasso Gordona (1409 m) u. Monte Bisbino (1325 m) gehören bereits zu Italien. Das einzige alpine Thal ist das Val di Muggio mit dem am Generoso und Sasso Gordona entspringenden Wildbach Breggia.
Sehr gesunde und fruchtbare Landschaft. Der Kulturboden umfasst 98 der gesamten Fläche; davon entfallen wieder 49% auf Wald. Der mit Moränenschutt überführte Boden ist ein Gemisch von Kalk und Lehm und eignet sich zum Getreide-, Mais-, Tabak- und Maulbeerbaumbau, ganz besonders aber zum Anbau der Weinrebe, die einen sehr geschätzten Ertrag liefert. Leider haben in den letzten Jahren auch hier Pilzkrankheiten und Phylloxera ihr Vernichtungswerk begonnen, so dass die 1871 noch 15229 hl (im Wert von 399719 Fr.) betragende Weinernte im Jahr 1902 auf 4823 hl (im Wert von 106262 Fr.) gesunken ist. Die Weinbauern hoffen aber, durch Anpflanzung von amerikanischen Reben dem Uebel Einhalt ¶
gebieten zu können. Abgenommen hat auch die Zucht der Seidenraupe: 1871 brachte sie einen Ertrag von 291521 Fr., heute einen solchen von kaum noch 80000 Fr. Hauptursache dieses Rückgangs ist das Sinken der Seidenpreise während der Jahre 1871-1875. Die Viehzucht lässt noch manches zu wünschen übrig; der Viehschlag ist klein und wenig kräftig. Die Statistik hat folgende Zahlen ergeben:
1886 | 1896 | 1901 | |
---|---|---|---|
Rindvieh | 4191 | 3817 | 4046 |
Pferde | 203 | 295 | 363 |
Schweine | 194 | 718 | 787 |
Ziegen | 1220 | 980 | 1032 |
Schafe | 1127 | 787 | 985 |
Bienenstöcke | 365 | 449 | 557 |
Die Zahl der Viehbesitzer beträgt 1676. Die Flora des Bezirkes ist eine derart artenreiche, dass die Botaniker dem an seltensten Blumen reichen Monte Generoso den Beinamen des princeps montium gegeben haben.
Von ziemlicher Bedeutung ist die industrielle Tätigkeit; man findet hier Seidenspinnereien, Eisengiessereien, mehrere Tabak-
und Zigarrenfabriken, Filzhutfabriken, Margarinefabriken, Zement- u. Backsteinfabriken, Ziegeleien etc. Die den ganzen Bezirk
durchziehende Gotthardbahn und ein Netz von ausgezeichneten Strassen, von denen 8 direkt nach Italien
führen, leisten natürlich auch dem Handel bedeutenden Vorschub, so dass er jetzt (besonders in Chiasso, Mendrisio
und Balerna)
sehr lebhaft ist.
Die Gegend von Mendrisio
erfreute sich schon vor der Römerherrschaft einer gewissen Zivilisation, was durch eine Reihe von
etruskischen Inschriften bezeugt wird. Immerhin erscheint der Name Mendrisio
erst 880 in der Karolingerzeit;
damals gehörten Balerna, Mendrisio
und Rancate dem Castello Seprio bei Varese. Sehr viel zu leiden hatte der Bezirk unter dem
verderblichen Krieg von 1117-1127 zwischen Mailand und Como, der seinen Ursprung hauptsächlich im Ehrgeiz der beiden Bischöfe
hatte. 1158 nahmen die Schlossherren von Chiasso, Stabio etc. und ihre Untertanen Anteil am Zuge Kaiser
Friedrichs gegen Mailand, wofür sich die Mailänder 1242 durch die Plünderung von Mendrisio
und die Zerstörung seines Schlosses
rächten. Zur Zeit der Visconti und Sforza gehörte das Land den Rusca und della Torre, deren Schloss zu
Mendrisio
auf Befehl des Erzbischofes Giovanni Visconti 1350 zerstört wurde. Am endlich trat Herzog Maximilian
Sforza den Bezirk zusammen mit Lugano, Locarno und Valle Maggia
an die 12 alten Kantone ab, und 1803 kam
er zum neu gegründeten Kanton Tessin.
Mendrisio,
deutsch Mendris (Kt. Tessin,
Bez. Mendrisio
). 370 m. Gem. und Flecken, Hauptort des Bezirkes gleichen
Namens; am S.-Fuss des Monte Generoso in einer der schönsten Lagen der S.-Schweiz. Station der Linie Bellinzona-Lugano-Chiasso
der Gotthardbahn. Postbureau, Telegraph, Telephon; Postwagen ins Val Muggio, nach Stabio, Meride, Novazzano und Morbio Superiore.
Elektrisches Licht.
Gemeinde, mit Banchette, Barnasco, Campascio-Sagoma, Cascina d'Armirone, Casvegno, Croci, Resega, Torre und Vignôo: 363 Häuser, 3338 kathol. Ew.; Flecken: 318 Häuser, 2932 Ew. Sitz des Bezirkskommissärs (Statthalters) und des Bezirksgerichtes. Lebhafte Handels- und industrielle Tätigkeit: Seidenspinnereien, je eine Filzhut-, Wichse-, Seifen- und Kerzenfabrik, Fabrikation verschiedener Arten von Oelen, Teigwarenfabrikation;
Eisengiesserei und Brückenbauwerkstätte;
eine Bierbrauerei, Weinhandel.
Filialen aller Bankgeschäfte des Kantons. Hotels und Pensionen. Kantonales Technikum (mit Abteilung für Literatur und Internat), in dem 1451 gestifteten und 1852 aufgehobenen Kloster der Servitenbrüder vom Orden Johannes des Täufers untergebracht. Mädchensekundarschule und ausgezeichnete Fröbelschule. Grosser Martinimarkt am 11., 12. und 13. November. Am grünen Donnerstag und Charfreitag findet jeweilen die grosse kostümierte Prozession statt, die den Leidensweg und Tod Christi darstellt und zahlreiche Fremde anzieht.
Kantonsspital mit Kirche, vom Mailänder Grafen A. Turconi zum Dank dafür gestiftet, dass ihn die Behörden von Mendrisio
zur Zeit der französischen Revolution durch die Erklärung, er sei republikanischer Bürger dieses Ortes,
aus den Händen der Pariser Insurgenten retteten. In Casvegno (1 km s. Mendrisio) steht die 1898 nach den modernen Anforderungen
erbaute grosse kantonale Irrenheilanstalt, die mit ihren 12 Gebäulichkeiten (wovon 8 für die Kranken) ein ganzes Dorf bildet
und im Durchschnitt 204 Insassen (125 Männer, 79 Frauen) zählt. Sie hat ihre eigene Kirche, Gärten,
Obstbaumgärten und grosse Stallungen. Die ehemalige Klosterkirche zu San Giovanni ist im Rokokostil gehalten und vom Architekten
Pietro Magni aus Castel San Pietro 1735 an der Stelle eines sehr alten einstigen Gotteshauses erbaut worden. Die den h. Cosmus
und Damian geweihte Pfarrkirche stammt aus 1862-1875, ist im orientalischen Stil gehalten und vom Architekten
Fontana ausgeführt
¶
worden. Sie steht an schöner Stelle mitten im Flecken. Das im 15. Jahrhundert gegründete Stift zu Mendrisio hat einen Propst und 8 Chorherren. Auf dem Platz vor der Kirche steht das vom Bildhauer Soldini aus Chiasso geschaffene Denkmal für den aus Mendrisio stammenden Naturforscher Luigi Lavizzari.
Mendrisio ist schon vor der Römerzeit gegründet worden, doch findet man nur wenige Gegenstände aus dieser entlegenen Epoche. 793 erscheint der Name Mendrici und später «locus Mendrixio». Um die Mitte des 9. Jahrhunderts gehörten Mendrisio und Balerna zur Schlossherrschaft von Castel Seprio bei Varese. Der Ort hatte dann im zehnjährigen Krieg (1117-1127) zwischen Como und Mailand Vieles zu erdulden. Als die Grafen von Mendrisio, die della Torre oder Torriani, später auf Seite von Friedrich Barbarossa gegen die Mailänder standen, rächten sich diese 1242 durch Zerstörung des Schlosses und des ganzen Dorfes.
Nachher kam Mendrisio unter die Herrschaft der Visconti zu Mailand, 1512 wurde es vom Herzog Maximilian Sforza an die Eidgenossen abgetreten, 1798 gehörte es zum Kanton Lugano, und seit 1803 endlich ist es dem Kanton Tessin einverleibt. Der Ort ist die Heimat einer sehr grossen Anzahl von Männern, die sich in Kunst, Wissenschaft oder als Kriegshauptleute ausgezeichnet haben. Wir nennen: die im 17. Jahrhundert lebenden Maler Gebrüder Francesco und Innocente Torriani;
den Maler Antonio Baroffio (18. Jahrhundert);
den Pater Oldelli (1763-1807), der ein biographisches Lexikon der berühmten Männer des Kantons Tessin, sowie eine Reihe von religiösen und politischen Abhandlungen verfasst hat;
Bischof della Torre von Como (1204);
die aus dem Kanton Uri stammende und in Mendrisio ansässige Familie von Beroldingen, der eine Reihe von italienischen und spanischen Diplomaten angehört;
Luigi Lavizzari (1814-1871), den grössten Naturforscher des Tessin, Verfasser der Phénomènes des corps cristallisés und der bekannten Escursioni nel cantone Ticino;
den Musiker Francesco Pollini (1830-1871);
den Architekten am russischen Hof Luigi Ferrazzini (1822-1893).
500 m n. von Mendrisio befinden sich am Ende einer mit indischen Kastanienbäumen bepflanzten Allee die berühmten Weingrotten von Mendrisio (s. den Art. Cantine di Sopra und Cantine di Sotto) und 3 km über dem Flecken in 548 m die nur durch einen steilen und schwierigen Fussweg zugänglichen «Caverne del Tannone e dei Tre Buchi», zwei grosse Höhlen, deren Eingang einst durch eine mit Türe und zwei Fenstern versehene Mauer verschlossen war. Von der Einsiedelei St. Nikolaus (658 m), wo die Bewohner von Mendrisio zweimal im Jahr ein Volksfest feiern, hat man eine prachtvolle Aussicht auf den ganzen Bezirk. Fund einer nordetruskischen Inschrift, die sich heute im Rätischen Museum zu Chur befindet; Flachgräber aus der Eisenzeit, Römergräber.
Im Geographisches Lexikon der SCHWEIZ, 1902
Bezirk des Kantons Tessin. Die Viehzählung vom Jahre 1906 ergab folgende Zahlen:
1906 | |
---|---|
Rindvieh | 4293 |
Pferde | 463 |
Schweine | 972 |
Schafe | 871 |
Ziegen | 1525 |
Bienenstöcke | - |
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
deutsch Mendris.
1) Bezirk im schweiz. Kanton Tessin, hat 102,3 qkm und (1888) 20931 E., darunter 130 Evangelische, in 28 Gemeinden. Der Bezirk Mendrisio, das Mendrisotto, ist die reichste und fruchtbarste Gegend des Tessin. –
2) Flecken und Hauptort des Bezirks Mendrisio, 15 km südlich von Lugano, in 363 m Höhe, an der Linie Bellinzona-Lugano-Chiasso der Gotthardbahn, in dem üppigen, am Westfuße des Monte-Generoso ausgebreiteten Hügellande, hat (1888) 2872 meist kath. E., Post, Telegraph; [* 6] Feld- und Weinbau, Seidenzucht, Seidenspinnerei und Tabakfabrikation. Die ehemaligen Klöster sind aufgehoben. Früher zum Herzogtum Mailand [* 7] gehörig, kam Mendrisio 1512 an die Eidgenossen, deren Landvögte das Mendrisotto bis 1798 als Gemeine Herrschaft der 12 Orte regierten.