Melanchthon
oder
Melanthon, Philipp (gräcisiert aus Schwarzert),
Luthers Hauptmitarbeiter, geb. zu
Bretten
in der Pfalz. Als sein
Vater, Waffenschmied des Pfalzgrafen, 1507 starb, kam Melanchthon
nach
Pforzheim
[* 2] in das Haus seiner Großmutter,
einer Schwester Reuchlins. 1510 bezog er die
Universität
Heidelberg,
[* 3] wurde 1512
Baccalaureus und ging dann
nach
Tübingen.
[* 4] Hier wurde er 1514
Magister, las über
Aristotelische Philosophie, griech. und röm. Klassiker und
schrieb eine griech.
Grammatik.
Auf Reuchlins Empfehlung wurde Melanchthon
1518 Professor der griech.
Sprache
[* 5] und Litteratur in Wittenberg,
[* 6] entwickelte in der Antrittsrede
«De corrigendis adolescentiae studiis» sein humanistisches Programm und führte die
Jugend mit Eifer und
Geschick in die Welt des klassischen
Altertums ein.
Früh schloß sich an
Luther an im Kampfe für das reine Evangelium: immer
inniger wurde die Freundschaft beider und hat trotz vorübergehender Verstimmungen bis zu
Luthers
Tode gedauert.
Bei der
Leipziger Disputation war Melanchthon
anwesend, und als seine
Beschreibung derselben in einem
Briefe an Ökolampadius den Dr.
Eck zu einer Entgegnung veranlaßte, trat er offen für
Luther auf. Seine erste Schutzschrift für diesen richtete er 1521 unter
dem
Namen Didymus Faventinus gegen einen ital. Gegner
Luthers. 1521 entstanden aus Vorlesungen über den
Römerbrief seine «Loci communes rerum theologicarum» (in ihrer Urgestalt
neu hg. von Plitt; 2. Aufl. von Kolde, Lpz. 1800),
die erste prot. Dogmatik, die dann in erweiterten Ausgaben erschien, bis sie 1543 fg. ihre definitive Form erhielt. Seine «Epitome doctrinae christianae» (1524) bestimmte den Landgrafen Philipp von Hessen, [* 7] der Reformation sich anzuschließen; sein «Unterricht der Visitatoren an die Pfarrherren im Kurfürstentum Sachsen» [* 8] (1527),
eine Instruktion für die auf Befehl des Kurfürsten Johann des Beständigen vorgenommene Visitation der sächs. Kirchen, war die erste evang. Kirchen- und Schulordnung. Die «Augsburgische Konfession» (1530) ist nur nach ihrer letzten Ausarbeitung, dagegen die «Apologie der Augsburgischen Konfession» (1530) ganz sein Werk. Durch diese Arbeiten gewann in der prot. Welt ein so hohes Ansehen, daß Franz I. von Frankreich und Heinrich VIII. von England ihn zur Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten einluden.
Diesen
Aufforderungen folgte Melanchthon
nicht, dagegen nahm er in
Deutschland
[* 9] an allen wichtigen Verhandlungen
zwischen den deutschen
Protestanten oder mit den
Schweizern oder den Katholiken teil. Überall war er der milde, nachgiebige
Vermittler, der zu weitgehenden Zugeständnissen im Interesse der Einheit und des Friedens bereit war. 1529 war Melanchthon
auf dem
Reichstag zu
Speyer
[* 10] und auf dem
Marburger
Religionsgespräch, 1530 auf dem
Reichstag zu
Augsburg,
[* 11] 1535 auf dem
Religionsgespräch mit den Oberländern zu
Cassel, 1536 auf dem Gespräch zu Wittenberg, wo er mit
Bucer (s. d.) die «Wittenberger
Concordia» zu stande brachte, 1537 auf dem
Konvent zu Schmalkalden,
[* 12] 1540 auf dem
Religionsgespräch zu Hagenau,
[* 13] 1541 zu Worms
[* 14] und
Regensburg.
[* 15] 1543 versuchte er vergeblich, unter dem Kurfürsten
Hermann von
Wied die
Reformation in Köln
[* 16] durchzuführen. Besonders mit den
Schweizern, deren Abendmahlslehre er näher stand, wünschte Melanchthon
Frieden zu halten. Mehrmals
darüber ergrimmt, hat
Luther doch die Wittenberger Konkordie gebilligt, die Änderungen in der
Augsburgischen Konfession gutgeheißen
und bis ans Ende dem
«Magister Philipp» vertraut.
Nach
Luthers
Tode trat als Gelehrter weithin berühmt und als Praeceptor
Germaniae gepriesen, an die
Spitze der
Kirche. Doch war
er mit seiner
Milde bei der schwierigen
Lage wenig für diese
Stellung geeignet. Innerhalb des
Protestantismus trat immer rücksichtsloser
jene Partei hervor, die Melanchthon
wegen seiner abweichenden
Ansichten in der Abendmahlslehre (s.
Abendmahl) und
in der
Lehre
[* 17] von der Mitwirkung des menschlichen Willens beim Werke der
Bekehrung heftig anfeindete. Dazu kam, daß er im
Leipziger Interim
(1548) den Katholiken offenbar zu viel eingeräumt hatte. Für das Scheitern des Wormser Religionsgesprächs war der
Frankfurter
Rezeß ein geringer Ersatz. Melanchthon
starb zu Wittenberg.
Die Einheit der
Kirche war sein letzter Wunsch, die Streitsucht der Theologen (rabies theologorum) seine letzte Klage. Seit war
Melanchthon
verheiratet mit der Tochter des
Bürgermeisters von Wittenberg,
Katharina Krapp. Sie starb 1557, als Melanchthon
auf dem
Religionsgespräch
zu Worms verweilte. Von seinen
Kindern starb die älteste Tochter
Anna, unglücklich vermählt mit dem
Rektor
Georg Sabinus (s. d.), bereits 1547. Sein Sohn, Philipp, starb 1603 als Konsistorialsekretär,
und eine Tochter,
Magdalena, die Gattin
Peucers, 1567.
M.s
Standbild in Wittenberg (von
Drake) wurde in
Bretten (ebenfalls
von
Drake) 1867, das Reformationsdenkmal
vor der Johanniskirche in
Leipzig,
[* 18]
Luther und Melanchthon
darstellend, enthüllt.
Sein Leben beschrieb sein Freund Joach.
Camerarius (s. d.), ein «Verzeichnis
der
¶
mehr
Schriften M.s» lieferte Rotermund (Brem. 1814). Seine «Opera» (5 Bde., Bas. 1541) enthalten seine sämtlichen theol., philos. und philol. Schriften, mit Ausnahme seiner Reden; nicht einmal die theologischen vollständig enthält die von seinem Schwiegersohne Peucer besorgte Ausgabe seiner «Opera» (4 Bde., Wittenb. 1562-64). Die neueste und vollständigste Ausgabe der Schriften M.s haben Bretschneider und Bindseil in dem «Corpus reformatorum» (28 Bde., Braunschw. 1834-60) besorgt. Der letztere gab auch «Melanchtonis epistolae, judicia, consilia etc.» (Halle [* 20] 1874),
eine Ergänzung zum «Corpus reformatorum» Hartfelder u. d. T.
«Melanchthoniana
paedagogica» (Lpz. 1892) heraus.
Vgl. Galle, Versuch einer Charakteristik M.s als Theologen (Halle 1840);
Matthes, Philipp Melanchthon
, sein Leben
und Wirken aus den Quellen dargestellt (Altenb. 1842; 2. Ausg. 1840);
Meurer, M.s Leben (Lpz. 1860; 2. Aufl. 1869);
(S. Schmidt, Philipp M.s Leben und ausgewählte Schriften (Elberf. 1861);
Nisard, (Anmerkung des Editors: Désiré Nisard)Renaissance et réforme.
Erasme, Th. Morus, Melanchthon
(3. Aufl., 2 Bde.,
Par. 1877); Herrlinger, Die Theologie M.s (Gotha
[* 21] 1879); Hartfelder, als Praeceptor Germaniae, (in den «Monumenta
Germaniae paedagogica», Bd. 7, Berl.
1889).