Mehl
(Getreidemehl;
lat. farina; frz. farine; engl.
flour). Ein ansehnlicher Teil der Brotfrucht gelangt in neurer Zeit nicht mehr als Körner, sondern schon
vermahlen an den Markt und bildet in dieser Form einen sehr bedeutenden Handelsartikel, der natürlich dieselben, je nach
den Ernteerträgen verschiedner Länder, veränderlichen Wege geht wie das
Getreide selbst. Das M. ist als ein Halbfabrikat
zu betrachten und dieses setzt Fabriken voraus; solche Fabriken sind in der That die neuzeitigen Kunstmühlen,
die sich an Umfang und Leistungsfähigkeit zu den alten deutschen Mühlen ungefähr ebenso verhalten wie Fabriken überhaupt
zu den Werkstätten kleiner Handwerker.
Die Mühlen nach alter Art versorgen nur kleine Mahlkreise und ihr Geschäft ist die sog. Posten- oder Lohnmüllerei, d. h. sie verarbeiten die ihnen zugebrachten größern und kleinern Posten gegen Lohn. Die großen neuern Anstalten sind dagegen Handelsmühlen, die eingekauftes Getreide vermahlen und die Mahlprodukte an den Markt bringen, nicht mehr bloß an den großen von Land zu Land gehenden, sondern auch an den innern, denn auch die Bäckerei hat sich wenigstens in größern Städten so eingerichtet, daß sie nicht mehr Getreide anschafft und mahlen läßt, sondern fertiges M. kauft.
Der Anstoß zur Umformung des Mühlwesens ging besonders von Nordamerika aus, das bei der Fülle seiner Weizenproduktion
darauf denken mußte, wie das Mehl
massenhafter und für den Seehandel haltbarer herzustellen sei. Auch
die Engländer beschäftigten sich angelegentlich mit Verbesserung der Mühlen; sie modifizierten das System der Amerikaner
und man pflegt daher die verbesserten Mühlen überhaupt englisch-amerikanische zu nennen. Eine solche Mühle zeichnet sich
in vielen wesentlichen Punkten von den gewöhnlichen aus.
Erstlich sind die Mechanismen feiner und so viel als möglich in
Eisen konstruiert; sie gehen deshalb
leichter und es wird eine gegebene Kraft viel besser ausgenutzt. Durch verschiedne Einrichtungen bedient sich die Mühle
so zu sagen selbst und es werden viele Handreichungen durch Mechanismen ersetzt. Dann haben sie bessere und größere
Mühlsteine,
mit welchen das
Getreide trocken vermahlen werden kann, während es bei der alten Müllerei vorher gefeuchtet
werden muß. Es wird also, unter Vorkehrungen zur Kühlhaltung des Mahlgutes, ein M. erhalten, das nur den natürlichen Wassergehalt
des Korns hat, der zuweilen auch noch durch künstliche Wärme ausgetrieben wird, wo dann die Ware Darrmehl
heißt und
besonders zu Schiffsproviant dient.
Das M. solcher Mühlen ist daher immer trockner und darum halt- und versendbarer und wird daher als Dauermehl
oder auch Dampfmehl
bezeichnet. Die Dampfkraft ist allerdings nichts Wesentliches dabei und es stehen viele der immer zahlreicher werdenden Handelsmühlen
auch am Wasser und haben etwa nur eine Reservedampfmaschine für wasserarme Zeiten. Es haben die Kunstmühlen
ferner komplizierte Reinigungsapparate, welche die Körner vor dem Vermahlen viel gündlicher ^[richtig: gründlicher] als
gewöhnlich entspitzen und
¶
mehr
von allem, auch dem fest ansitzenden Schmutze befreien und so bewirken, daß ein weit weißeres, schön in die Augen fallendes M. erhalten wird. In allen derartigen Mühlen geschieht die Beutelung mittels sog. Cylinder, langer schräg liegender Hohlwalzen aus Lattenwerk und mit Beutelgaze von verschiedner Maschenweite überzogen, sodaß bei einmaliger Durchpassierung des Mahlgutes gleich drei oder vier Feinheitssorten von M. erhalten werden und die Kleie zu unterst herausfällt.
Die Methoden des Mahlens sind verschieden. Nach dem amerikanischen Verfahren, das auch in England, Belgien und sonst für
Proviantmehl
geübt wird, passiert der Weizen nur einmal die Mühle und wird dabei gleich so vollständig
gepulvert, daß er den Beutelcylindern übergeben werden kann. Das so erhaltene M. ist gelblich, wie Staub anzufühlen, und
enthält die feinsten Partikel der Kleie mit. Um schöneres, reines M. zu erhalten, wie es für feines Gebäck erforderlich
ist, muß man umständlicher zu Werke gehen und sich der sog. Griesmahlerei
bedienen, der Methode, die jetzt gewöhnlich als die Wiener bezeichnet wird.
Hierbei wird beim ersten Durchgang der Weizen von den scharfen Steinen nur geschält, der Inhalt mehr oder weniger zerbrochen
und das Produkt besteht aus Hülsen, Gries und etwas M., die sich leicht trennen lassen, worauf dann der Gries für
sich weiter in M. verwandelt wird. Der Roggen ist wegen seiner fester ansitzenden Hülsen schwieriger als Weizen zu vermahlen
und erfordert dem entsprechend eine etwas modifizierte Behandlung. Weizen- und Roggenmehl
aber sind die beiden Sorten, welche
als Großhandelsartikel allein in betracht kommen; nur in Nordamerika bildet auch Maismehl
neben dem
des Weizens einen bedeutenden Ausfuhrartikel. -
Das M. für weitergehenden Handel erhält seine Verpackung in Fässern, in die es entweder lose eingeworfen oder fest eingestampft
wird. Die letztere Füllung paßt besser zum Versand in kältere, die erste in heißere Gegenden. Nordamerika versendet die
größten Massen seines Weizenmehls
aus Newyork, dann aus Neuorleans, Baltimore, Philadelphia, Boston,
und hat seinen ständigen Absatz in Westindien, Brasilien etc. An die europäischen Hafenplätze
kommt solches M. seltner, seit hier die Handelsmüllerei selbst in Schwung gekommen ist.
Deutschland hat in den meisten Jahren ansehnliche Ausfuhr von M., neuerdings ist jedoch die Ausfuhr von M. infolge
der Zollverhältnisse stark zurückgegangen und die Handelsmühlen, welche für Export arbeiteten, sind
dadurch sehr gefährdet. Rußland und Polen geben ebenfalls starke Posten an den Westen ab, ebenso Ungarn. Ein Hauptplatz
für Mehl
produktion und Handel ist Wien; dort hat man den vorzüglichsten Weizen aus dem Banat zur Disposition und erzeugt
daraus vorzüglich gute und beliebte Mehl
sorten.
Die österreichische Mehl
ausfuhr geht hauptsächlich über Triest nach den Mittelmeerländern. In Norddeutschland will die
Bezeichnung Wiener M. meistens nur sagen, daß die Ware nach Wiener Art gemahlen (Griesmüllerei) und sortiert ist. Verhandelt
wird das M. in der Regel nach
Gewicht, in Deutschland nach dem Zollzentner. Sorten sind von Weizen wie
Roggenmehl
gewöhnlich drei, die beste mit Null bezeichnet, als 0, 1, 2 für beide, oder für Roggen 0, 1, durchgemahlen,
oder auch 0, 0 und 1, durchgemahlen. Die Sortimente der Wiener Kunstmühlen sind zahlreicher, aber nicht durchgängig gleich,
z. B. Kaiserauszug, Prima M. 00, Prima 0, Sekunda 0, M. I, ditto II.
- M. aus Getreide und Hülsenfrüchten Nr. 25 q 2. Kraft- und Stärkemehl
Nr. 25 q 1.