Meerschaum
,
Mineral aus der Ordnung der Silikate (Talkgruppe), findet sich derb und in Knollen, [* 2] auch in Pseudomorphosen nach Calcit, ist weiß oder gräulichweiß, matt, undurchsichtig, mit flachmuscheligem und feinerdigem Bruch, fühlt sich etwas fettig an, haftet stark an der Zunge, spez. Gew. 0,99-1,28, Härte 2-2,5, besteht aus wasserhaltiger kieselsaurer Magnesia Mg2Si3O8 + 4H2O, enthält stets auch etwas Kohlensäure und bis gegen 14 Proz. hygroskopisches Wasser.
Der Meerschaum
findet sich lose oder eingesprengt (besonders in
Kalk oder
Serpentin), in größter
Menge und von
schönster
Beschaffenheit bei Kiltschik und
Eski Schehr in
Anatolien, von wo er gegenwärtig fast ausschließlich in den
Handel
kommt, außerdem unweit Thiwa in Livadien, zu Valecas bei
Madrid,
[* 3] bei
Pinheiro in
Portugal,
[* 4] Hrubschitz und
Neudorf
in
Mähren,
[* 5] im Lyubicer
Gebirge in
Bosnien,
[* 6] in der
Krim
[* 7] etc. Der in
Anatolien gewonnene Meerschaum
bildet einzelne
Knollen oder nierenförmige
Stücke, die, frisch gegraben, weich wie
Wachs sind, an der
Luft aber unter
Bildung zahlreicher
Risse schnell erhärten und zur
Vermeidung dieser letztern sehr vorsichtig getrocknet werden müssen.
Man befreit ihn dann von der bräunlichgelben
Rinde und allen Verunreinigungen und bringt ihn nach
Brussa,
wo er sortiert und besonders nach
Wien,
[* 8]
Leipzig,
[* 9]
Paris
[* 10] und
Nordamerika
[* 11] versandt wird. Im spezifischen
Gewicht, in der Weichheit
und Gleichmäßigkeit der
Masse und in der
Farbe zeigt der Meerschaum
große Verschiedenheiten, und namentlich enthält
er oft Einschlüsse von opalartiger
Masse, welche die Verarbeitung sehr erschweren. Man benutzt ihn fast ausschließlich zu
Pfeifenköpfen und Zigarrenspitzen, während die
Römer
[* 12] wahrscheinlich kostbare
Gefäße daraus geschnitten haben. In
Europa
[* 13] entstanden die ersten
Fabriken zur Verarbeitung von Meerschaum
im letzten Jahrzehnt des vorigen
Jahrhunderts zu
Lemgo und etwa um
dieselbe Zeit in
Ruhla, wo schon 1800 in 27
Fabriken 150
Personen beschäftigt waren.
Hier wurden auch zuerst die
Abfälle zu einer schneidbaren
Masse verarbeitet und so der künstliche Meerschaum
(Masse) gewonnen, welcher
gegenwärtig in großer
Menge verarbeitet wird. Auch
Nürnberg
[* 14] und
Paris liefern Meerschaum
waren; Hauptsitz der
Industrie ist
aber
Wien, wo jährlich etwa 100,000 Meerschaum
pfeifen gefertigt werden. Zur
Darstellung des künstlichen
Meerschaums
werden die
Abfälle sehr sorgfältig gewaschen, zerstampft oder gemahlen, mit
Wasser angerührt und durch wiederholtes
Sieben des Schlammes und Vermahlen der Rückstände in einen höchst zarten Schlamm verwandelt.
Man mischt diesen dann mit
Kaolin oder besser mit kieselsaurer
Thonerde
(aus
Alaun
[* 15] und
Wasserglas erhalten),
kocht die
Mischling und füllt sie in Kistchen mit Leinwandböden, in welchen sie das
Wasser verliert und so viel
Konsistenz
gewinnt, daß sie bald in die Trockenkammern gebracht werden kann. Einen andern künstlichen Meerschaum
erhält man
durch
Fällen der gemischten
Lösungen von
Alaun und
Bittersalz mit
Wasserglas und
Natronlauge oder durch
Imprägnieren
von kohlensaurer
Magnesia mit
Wasserglas.
Die besten
Imitationen sind dem natürlichen Meerschaum
ungemein ähnlich, und nur der Kenner vermag sie von diesem zu unterscheiden;
an Dauerhaftigkeit und Anrauchfähigkeit stehen sie ihm aber weit nach. Beide werden im feuchten Zustand verarbeitet, dann
aber getrocknet, in geschmolzenen
Talg oder
Walrat gelegt, bis sie an den Rändern durchscheinend geworden sind, abgeschliffen,
poliert, getrocknet und in geschmolzenes
Wachs gebracht. Durch diese Behandlung mit
Fett wird der Meerschaum
fester, dauerhafter, politurfähiger,
und vor allem raucht er sich dann gleichmäßiger an. Die sogen. Ölköpfe oder
Ruhlaer
Köpfe, welche
beim
Rauchen eine marmorartige, bunte
Farbe annehmen, werden aus unreinem, wolkigem, geädertem Meerschaum
hergestellt, indem man sie
nach dem Eintauchen in
Talg und dem
Polieren mit dünnflüssigem Leinölfirnis tränkt, bei 50° trocknet, wieder mit
Firnis
behandelt und von neuem trocknet; bisweilen gibt man ihnen auch gleich die braune
Farbe, indem man sie
in einer eisernen Bratröhre genügend stark erhitzt.
Schwarz gefärbte Meerschaum
köpfe sind gegenwärtig nicht mehr beliebt.
Vgl. Raufer, Meerschaum-
und Bernsteinwarenfabrikation
(Wien 1876);
Tomasek, Pfeifenindustrie (Weim. 1878);
Ziegler, Geschichte
des Meerschaums
(2. Aufl.,
Dresd. 1883).