Meer.
Unter den verschiedenen
Erklärungen, welche für die Entstehung der großen
Meeresströmungen
[* 2] aufgestellt sind,
haben nur zwei eine größere Bedeutung, die man als die Gravitationstheorie und die Windtheorie bezeichnen
kann. Die Gravitationstheorie führt die allgemeine ozeanische
Zirkulation auf die starke Erwärmung des Meer
eswassers unter
dem
Äquator zurück, wodurch das leichtere Oberflächenwasser polwärts abfließt und durch eine Rückströmung kalten und
dichten Polarwassers in der Tiefe ersetzt wird; die Windtheorie sieht als einziges
Agens der
Meeresströmungen
die
Passatwinde und die vorherrschenden
Winde
[* 3] an der Meer
esfläche an. Wenn nun auch festgestellt ist, daß die
Bewegungen der
Atmosphäre in erster
Linie für die Entstehung der
Meeresströmungen in Betracht kommen, so darf man gleichwohl die Temperaturschwankungen,
Dichteunterschiede,
Verdunstung,
Rotation der
Erde und
Druck der an der Oberfläche lagernden Wassermassen
als sekundäre
Faktoren nicht außer acht lassen.
Die allgemeine Versetzung der Wassermassen läßt sich oft weniger durch direkte Beobachtungen nachweisen als durch Temperaturmessungen. Letztere haben nun ergeben, daß in allen Meeren, die in der Tiefe frei mit den Eismeeren in Verbindung stehen, selbst unter dem Äquator, eiskalte Wassermassen lagern, die nur an der Oberfläche von einer verhältnismäßig dünnen Schicht warmen Wassers überlagert werden. Das Aufquellen des kalten Tiefenwassers am Äquator läßt sich unzweideutig durch die Lage der Isothermenflächen nachweisen, die von den höhern Breiten nach den Tropen aus der Tiefe emporsteigen.
Die chemische Zusammensetzung des Polarwassers lehrt ferner, daß das ganze Becken des norwegischen Meeres in seiner Tiefe mit salzreichem atlantischen Wasser von hohem Stickstoffgehalt angefüllt ist. In der Richtung der Meridiane herrscht also eine dreifache Zirkulation des Wassers: ein Absteigen in hohen Breiten, in der Tiefe eine Bewegung äquatorwärts und ein Aufsteigen unter dem Äquator. Auf die vorherrschende Windrichtung ist auch der Austausch des Wassers in der Richtung der Parallelkreise zurückzuführen.
Ein anhaltend gegen das
Ufer wehender
Wind bewirkt hier
eine Aufstauung des
Wassers; der
Druck, der hierdurch in der Tiefe an der
Luvküste erzeugt wird, veranlaßt einen Unterstrom am Meer
esboden in einer dem
Winde entgegengesetzten
Richtung. So wird eine vertikale
Zirkulation eingeleitet mit einer absteigenden
Bewegung des
Wassers an den Luvküsten und einer
aufsteigenden an den Leeküsten. Entschiedene Leeküsten sind in der Passatzone die Westküsten der
Kontinente, die Ostküsten
dagegen Luvküsten. Im nordatlantischen
Ozean trifft man an der
Küste von
Marokko,
[* 4] der
Sahara und von
Senegambien
bis zum
Kap Verde kaltes Küstenwasser, im südlichen
Atlantic erstreckt sich eine
Zone kalten Küstenwassers vom
Kap bis zur
Congomündung.
Dieselbe Erscheinung wiederholt sich an der Westküste von Nordamerika [* 5] vom Kap San Lucas bis San Francisco und an der Westküste von Südamerika [* 6] vom Kap Blanco bis über Valparaiso [* 7] hinaus. Diese Kaltwassergebiete verdanken ihre Entstehung den Passaten, die das Oberflächenwasser der Ozeane westwärts drängen; der Überdruck, der an den Luvküsten entsteht, veranlaßt eine Kompensation an den Leeküsten durch Emporsteigen kalten Wassers aus der Tiefe. Entsprechend diesen Verhältnissen, liegen im Westen der tropischen Ozeane die Isothermenflächen viel tiefer als in der Osthälfte.
In den Gebieten, welche außerhalb der Passatzone liegen, muß nun infolge der vorherrschenden Westwinde eine Zirkulation in entgegengesetzter Richtung stattfinden. Für den nordatlantischen Ozean ist dieselbe nachgewiesen. Die Isothermen senken sich gegen Osten; die »kalte Mauer«, jenes Kaltwassergebiet, das die amerikanische Küste von dem warmen Wasser des Golfstroms trennt, rührt nur zum Teil von dem Labradorstrom her, zum Teil ist der Auftrieb [* 8] an der Leeküste die Ursache.
Diese beiden großen Zirkulationssysteme stehen miteinander in einem Austauschverhältnis. Nur zum kleinen Teil sinken die Wassermassen des Äquatorialstromes an der Luvküste zur Tiefe, die größte Masse biegt an den Antillen um und lenkt als Golfstrom in den Oberflächenstrom der nördlichen Zirkulation ein. Von diesem letztern zweigt sich wieder ein Arm an der spanisch-afrikanischen Küste südwärts zum Äquatorialstrom ab. Dieses ganze System verdankt seine Entstehung der allgemeinen atmosphärischen Zirkulation, welche durch den Temperaturunterschied zwischen Pol und Äquator einerseits, Kontinent und Ozean anderseits bedingt ist.
Von den Strömungen ist nun die Verteilung der Oberflächentemperatur der Ozeane abhängig. In den Tropen, wo die Strömungen von O. nach W. setzen, verbreitert sich das Gebiet tropisch warmen Wassers (über 24°) ganz außerordentlich nach W. Entsprechend den in gemäßigten Breiten herrschenden östlichen Strömungen, finden sich die Ansammlungen von Wasser mit Temperaturen von 12-20° an den Ostseiten der Ozeane. Es beträgt die Breite [* 9] der Fläche mit einer Oberflächentemperatur von 12-24° im
Stillen Ozean | Atlantischen Ozean | |||
---|---|---|---|---|
Westseite | Ostseite | Westseite | Ostseite | |
August | 16° | 65° | 15° | 60° |
Februar | 12° | 45° | 8° | 50° |
Die
Folge hiervon ist, daß die Wasserflächen mit einer
Temperatur über 12° sehr viel breiter in den
Osthälften sind als in den Westhälften. Wie ausgedehnt die
Flächen warmen
Wassers sind, zeigt folgende
Tabelle: Es beträgt
in
Prozenten der bezüglichen Meer
esfläche das
Areal der Nordhemisphäre (NH.), bez. der Südhemisphäre (SH.) mit einer
Oberflächentemperatur
¶
mehr
über 24° | über 20° | |||||
---|---|---|---|---|---|---|
Febr. | Aug. | Jahr | Febr. | Aug. | Jahr | |
NH. | 36.0 | 56.0 | 46 | 47.6 | 65.2 | 56 |
SH. | 42.6 | 23.2 | 33 | 59.2 | 39.1 | 47 |
Erde | 39.6 | 38.6 | 39 | 53.7 | 51.3 | 52 |
Zwei Fünftel der gesamten Meer
esoberfläche sind im Jahresdurchschnitt tropisch und mehr als die Hälfte
über 20° erwärmt. Zugleich lassen die Zahlen erkennen, in wie hohem Maße die nördliche Halbkugel in Bezug auf die ozeanische
Wärmeverteilung begünstigt ist. Die Flächen hoher Temperatur verschieben sich mit dem Sonnenstand, so daß im Sommer der
Nordhemisphäre der größere Teil der erstern nördlich, im Winter aber südlich vom Äquator liegt. Im
Jahresmittel tritt die thermische Begünstigung der nördlichen Halbkugel deutlich hervor, wie folgende Tabelle zeigt, welche
angibt, wieviel Prozent der gesamten über 24°, bez. über 20° erwärmten Meer
esfläche
der nördlichen und wieviel der südlichen Hemisphäre zukommt.
über 24° | über 20° | |||||
---|---|---|---|---|---|---|
Febr. | Aug. | Jahr | Febr. | Aug. | Jahr | |
NH. | 42 | 68 | 55 | 43 | 59 | 51 |
SH. | 58 | 32 | 45 | 57 | 41 | 49 |
Der größere Teil der tropisch warmen Meer
esfläche gehört der Nordhemisphäre an.
Vgl. O. Krümmel, in der »Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie«, Bd. 6,1887. - Über Fauna der Tiefsee s. Naturforscherversammlung, S. 635, und Maritime wissenschaftliche Expeditionen.