Medici
(spr. mehditschi, Mediceer), das berühmteste
Geschlecht des florentinischen
Staats, welches,
aus dem Mugello, dem Hügelland nördlich von
Florenz,
[* 2] gebürtig, schon im 13. Jahrh. durch glückliche Handelsunternehmungen
zu
Reichtum und Macht gelangt war. Zuerst 1291 erscheint ein Ardingo de' Medici
unter den
Prioren der
Zünfte von
Florenz. Avirardo
de' Medici
war 1314
Gonfaloniere. Die Medici
gehörten zu den angesehenen Popolanenfamilien, welche die Herrschaft
der Grandi bekämpften.
Nach dem
Wappen
[* 3] der Medici
, den
Palle (rote
Kugeln), hießen ihre Anhänger Palleschi.
In dem
Kampf der
Ricci und Albizzi nach
Walters
von
Brienne Vertreibung 1343 schlossen sich die Medici
den erstern an. Bartolomeo de' Medici versuchte 1360 vergeblich
eine
Erhebung gegen die herrschende Guelfenoligarchie.
Sein
Bruder Salvestro de' Medici
, 1378 beim
Ausbruch des
Aufstandes der Ciompi
Gonfaloniere di Giustizia, unterwarf die oligarchisch-aristokratische
Verfassung einer Änderung.
Durch dessen
Verbannung aus
Florenz seit 1381 dem öffentlichen
Leben mehr entrückt, vermehrten die Medici
durch glückliche Handelsunternehmungen
ihr
Vermögen außerordentlich
und galten seit Salvestros Zurückberufung für die
Häupter der
Volkspartei.
Salvestro stürzte die
Partei der Albizzi vollends und gewann durch die
Gunst des
Volkes eine fast unbeschränkte Macht.
Sein
Sohn
Veri de' Medici
wurde, da er der
Aufforderung des
Volkes, sich in dem
Kampf gegen die wieder emporgekommenen Albizzi an seine
Spitze zu stellen, nicht entsprach, 1393 samt seiner ganzen
Familie aus
Florenz verbannt.
Ein
Versuch, sich 1400 mit Waffengewalt die Rückkehr zu erzwingen, scheiterte, und eine neue
Verschwörung, an deren
Spitze der
Herzog von
Mailand
[* 4] stand, wurde entdeckt und brachte den meisten
Gliedern des
Mediceischen
Hauses den
Untergang. Die Übriggebliebenen
vergrößerten jedoch durch fortgesetzte Handelsthätigkeit ihren
Reichtum, und ihr damaliges
Haupt
Giovanni
di Bicci, Avirardos Sohn (geb. 1360), der durch geschickte
Spekulationen sich ein großes
Vermögen erworben und auch als
Diplomat
seiner Vaterstadt große
Dienste
[* 5] geleistet hatte, stieg 1421 wieder zum
Gonfaloniere empor. Nach seinem
Tod trat
sein Sohn
Cosimo de' Medici
, geb. 1389 (vgl.
Fabroni, Cosmi Medicei vita,
Pisa
[* 6] 1780), an die
Spitze der
Volkspartei und verschaffte sich durch
Freigebigkeit einen starken
Anhang.
Kaum war jedoch 1433 Rinaldo, das Haupt der Albizzi, an die Spitze der Regierung gelangt, als derselbe Cosimo verhaften, verräterischer Verbindungen mit Francesco Sforza beschuldigen und auf zehn Jahre aus der Republik verbannen ließ. Schon nach einem Jahr setzten jedoch Cosimos Freunde seine Rückberufung und Rinaldos Verbannung durch, und jener behauptete sich im Besitz außerordentlicher Befugnisse fortan ohne Waffengewalt, allein gestützt auf seine großen Reichtümer, die er mit der edelsten Freigebigkeit zum Besten der Einzelnen und des Vaterlandes verwandte, und auf seine klare Durchschauung der Verhältnisse, als das Haupt der Republik.
Seine
Staatsverwaltung war ebenso glücklich wie glänzend, und
Florenz erkannte ihm nach seinem
Tode den Beinamen
»Vater des
Vaterlandes« zu.
Cosimo war zugleich ein Mann von
Geschmack, den er namentlich in prachtvollen Bauten bekundete, sowie von
großer
Gelehrsamkeit und der thätigste Beförderer der
Wissenschaften und
Künste, wie denn nach
Konstantinopels
Fall 1453 viele gelehrte Griechen bei ihm
Aufnahme fanden.
In den letzten
Jahren zog er sich mehr von den
Geschäften zurück
und überließ die
Regierung einer gewissenlosen, habsüchtigen
Oligarchie, welche nach seinem
Tod unter
Luca
Pittis
Führung sogar
Cosimos kränklichen Sohn Piero (geb. 1416) von der Herrschaft zu verdrängen suchte.
Indes die Anhänglichkeit
des
Volkes an die Medici
vereitelte ihr Unternehmen. Piero, der seinem
Vater an
Geist und politischem
Scharfsinn weit nachstand,
ihn aber an Herzensgüte und Rechtsgefühl übertraf, regierte nun in
Frieden bis zu seinem
Tod
An seine Stelle traten seine beiden noch sehr jungen Söhne Lorenzo (geb. mit dem Beinamen il Magnifico (der Herrliche), und Giuliano I. Beide Brüder waren von den ersten Gelehrten ihrer Zeit, Gentili von Urbino, Christoph Landini, Argyropulos, Ficinus etc., unterrichtet worden, und namentlich zeichnete sich Lorenzo als Dichter und Redner aus. 1466 besuchte er die verschiedenen italienischen Höfe, vermählte sich 1469 mit Clarissa Orsini und übernahm in demselben Jahr mit seinem Bruder die Regierung des florentinischen Staats. Den hohen Ruhm, den er erlangt hat, verdankt er seiner Klugheit und Gewandtheit, der ¶
mehr
Liebenswürdigkeit seines Charakters, der Vielseitigkeit seines Geistes und seiner Bildung und seinem feinen Sinn für Kunst und Wissenschaft. Er machte Florenz immer mehr zum Sammelplatz von Gelehrten und Künstlern, unter denen Demetrios Chalkondylas, Angelo Poliziano, Christoforo Landini, Pico von Mirandola, Granacci, Teragiani und Michelangelo, sein täglicher Tischgenosse, hervorzuheben sind, verschönerte die Stadt durch öffentliche Gebäude und andre Anlagen, stiftete eine Schule der zeichnenden Künste und stattete sie mit Kunst- und litterarischen Schätzen aus; namentlich bereicherte er auch die von Cosimo gestiftete Mediceische Bibliothek.
Gleichwohl zettelten die Pazzi, nächst den Medici
das erste Geschlecht in Florenz, im Einverständnis mit Papst Sixtus
IV., dem Kardinal Riario und dem Erzbischof von Pisa, Francesco Salviati, eine Verschwörung gegen die Brüder an, und Giuliano fiel
als Opfer derselben im Dom. Das Volk nahm aber blutige Rache an allen Verschwornen und erklärten Feinden der Medici.
Der
Erzbischof selbst wurde an einem Fenster des Signorienpalastes aufgehängt. Sixtus IV. that hierauf die
Florentiner
[* 8] in den Bann und bot in Gemeinschaft mit Ferdinand I. von Neapel
[* 9] ein Heer gegen sie auf.
Aber Lorenzo gewann durch eine heimliche Reise nach Neapel den König für sich. Auch der Papst söhnte sich bald darauf (1480) mit der Republik aus. Die Wiederherstellung des Friedens in Italien [* 10] befestigte Lorenzos Ansehen ungemein, und seine Ansprüche auf fürstliche Gewalt traten jetzt offener hervor. Er wußte es durchzusetzen, daß einer permanenten Versammlung von 70 Bürgern die Leitung bei der Besetzung der öffentlichen Ämter und die höchste Entscheidung aller Angelegenheiten übergeben ward.
Durch Vorschüsse an Unbemittelte, fürstlichen Aufwand, gänzliche Vernachlässigung der Handelsgeschäfte brachte er jedoch den Wohlstand seines Hauses so tief herunter, daß nur dadurch ein Bankrott verhindert ward, daß die Republik Lorenzos Schulden für die ihrigen erklärte. Lorenzo starb Von seinen Werken, 1826 zu Florenz in einer Prachtausgabe auf Kosten des Großherzogs Leopold II. in 4 Bänden erschienen, sind hervorzuheben: »Stanze bellissime« (»Le [* 11] selve d'amore«, Pesaro 1513);
»Poesie volgari« (Vened. 1554);
»Rime sacre« (Flor. 1680, Bergamo 1763; in Auswahl, Lond. 1801).
Sein Leben beschrieben Fabroni (Pisa 1784, 2 Bde.),
Roscoe (Lond. 1796; deutsch, Leipz. 1861) und namentlich v. Reumont (»Lorenzo de' und seine Zeit«, das. 1874, 2 Bde.).
Vgl. auch Buser, Lorenzo de' als italienischer Staatsmann (Leipz. 1879).
Lorenzos jüngster Sohn, Giovanni, bestieg 1513 als Leo X. (s. d.) den päpstlichen Stuhl. Der ältere, Piero II., geb. trat nach seines Vaters Tod 1492 an die Spitze der florentinischen Republik, vermochte jedoch nicht das Ansehen seines Vorgängers zu behaupten, machte sich durch seine Gelüste nach der Fürstenwürde bald verhaßt und ward, als er 1494 dem in Italien einfallenden König Karl VIII. von Frankreich mehrere wichtige Plätze einräumte, samt seinen Brüdern geächtet; ihr Palast ward geplündert und Florenz von den Franzosen besetzt.
Mehrere Versuche, mit gewaffneter Hand
[* 12] sich die Rückkehr zu erzwingen, mißlangen, und Piero begab sich endlich zu den französischen
Truppen in Neapel. Als diese am Ufer des Garigliano von Gonsalvo de Cordova überfallen wurden, ertrank Piero bei der
Flucht in dem Fluß. Der dritte Bruder, Giuliano II. de' Medici
, erlangte unter dem Schutz
spanischer Truppen
im September 1512 wieder Aufnahme in Florenz und brachte die Regierung von neuem in seine Hände, entsagte jedoch 1513 derselben,
zog sich nach Rom
[* 13] zurück, erhielt von Franz I. von Frankreich den Titel eines Herzogs von Nemours und starb 1516. Der
Sohn Pieros II., Lorenzo II. de' Medici
, geb. ward von seinem Oheim, dem Papst Leo X., 1516 zum Herzog von Urbino ernannt,
nachdem er den bisherigen Herzog vertrieben hatte, vermählte sich 1518 mit einer französischen Prinzessin, starb aber schon Seine
Tochter war die nachherige Königin von Frankreich, Katharina von Medici.
Nach dem Tod Lorenzos war der einzige
rechtmäßige Nachkomme des von Cosimo dem ältern abstammenden Zweigs der Mediceischen Familie der Papst Leo X. Doch existierten
noch einige uneheliche Sprößlinge dieser Linie, nämlich Giulio, ein Sohn des 1478 ermordeten Giuliano I., dem nach
dem Tod Lorenzos von Leo X. die Regierung in Florenz übertragen, und der 1523 unter dem Namen Clemens VII. Papst wurde.
Ein unehelicher Sohn Giulianos II. war Ippolito de' Medici
(geb. 1509), der von Clemens VII. zum Kardinal ernannt, aber von seinem
Vetter Alessandro, einem etwas jüngern unehelichen Sohn Lorenzos II., 1535 vergiftet wurde. Dieser
Alessandro leitete den Staat, der noch immer den Namen Republik trug, bereits seit 1523 mit fürstlicher Gewalt; 1527 vertrieben,
ward er 1530 von Kaiser Karl V. zurückgeführt und zum Haupt von Florenz ernannt. Von der Partei seines Hauses in der Stadt zum
erblichen Herzog ausgerufen, herrschte er als Tyrann, ließ 1534 eine Citadelle anlegen und die Bürger entwaffnen
und schändete die Frauen der edelsten florentinischen Geschlechter. Er ward von seinem Vetter Lorenzino, der in vierter
Generation von Cosimos des ältern Bruder Lorenzo (gest. 1440) abstammte, und den dann 1548 zu Venedig
[* 14] das
gleiche Schicksal traf, ermordet. Von demselben Bruder Cosimos stammte Giovanni de' Medici
, »dalle bande nere« (von den von ihm befehligten
Söldnerhaufen), der sich als Feldherr einen gefürchteten Namen erwarb und 1526 im Kampf gegen die Kaiserlichen fiel.
Sein Sohn Cosimo I., geb. wurde nun nach der Ermordung Alessandros vom Senat als Herzog von Florenz proklamiert und vom Kaiser bestätigt, eroberte 1555 Siena, errichtete viele Festungen und räumte die Erbfeinde seines Hauses, die Strozzi, gänzlich aus dem Weg. Den Handel, der von der ältern Linie der Medici aufgegeben worden war, erklärte er wieder zum Regierungsmonopol. Zum Schutz des levantischen Handels gegen die Türken stiftete er den Orden [* 15] von St. Stephan.
Selbst einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit, besonders auf dem Gebiet der Chemie, umgab er sich mit den wissenschaftlichen und künstlerischen Größen seiner Zeit, gründete die Akademie zu Florenz, erneuerte die Universität zu Pisa und unterstützte die zu Florenz und Siena, sammelte Altertümer und Gemälde, erweiterte die Statuensammlung Lorenzos des Prächtigen, begründete die Sammlung von Bildnissen berühmter Männer, stiftete eine Zeichenschule und versuchte sich auch als Schriftsteller in dem Werk »Viaggio per l'alta Italia, descritto da Fil. Pizzichi« (mit Erläuterungen neu hrsg. von Moreni, Flor. 1828). 1569 ernannte ihn der Papst Pius V. zum Großherzog und krönte ihn im folgenden Jahr in Rom. Doch wurde dieser Titel erst 1575 von Kaiser Maximilian II. für eine große Geldsumme dem Sohn und Nachfolger Cosimos bestätigt. Dieser starb 21. ¶
mehr
April 1574 und hinterließ die Regierung seinem ältesten Sohn, Francesco I., geb. Dieser vermählte sich mit Johanna, Schwester Kaiser Maximilians II. (gest. 1578), in zweiter Ehe mit der berühmten Venezianerin Bianca Capello (s. d.), mit der er an Einem Tag an Gift starb. Seine Tochter Maria wurde die Gemahlin Heinrichs IV. von Frankreich. Ihm folgte 1587-1609 sein Bruder Ferdinand I. (s. Ferdinand 33). Ein Stiefbruder desselben, Don Pedro, der meist am Hof [* 17] König Philipps II. von Spanien [* 18] lebte und von diesem zum General der in Italien dienenden Truppen ernannt war, beanspruchte vergeblich, mit dem Großherzog Ferdinand die Erbschaft seines Vaters zu teilen; er starb Auf Ferdinand I. folgte 1609 sein Sohn Cosimo II., geb. in der Regierung.
Dieser verstärkte seine Flotte und verschaffte der toscanischen Flagge im ganzen Mittelmeer Achtung. Die Drusen [* 19] im Libanon unterstützte er in ihrem Kampf gegen die Türken. Auch unter ihm blühten Künste und Wissenschaften. Er starb Ihm folgte sein ältester Sohn, Ferdinand II., 1621-70 (s. Ferdinand 34), und diesem sein mönchisch erzogener Sohn Cosimo III., geb. ein Mann von ebenso geringen Fähigkeiten wie großem Stolz. Er unterstützte nur Dichter, die ihm schmeichelten, und Künstler, welche den äußern Pomp seines Hofs erhöhen konnten.
Unter ihm schritt der schon unter seinem Vater begonnene Verfall von Toscanas Wohlstand unaufhaltsam fort, und die meisten Quellen des Nationalwohlstandes versiegten vollends. Er starb und hatte seinen zweiten Sohn, Giovanni Gasto, geb. zum Nachfolger. Dieser, durch Ausschweifungen an Geist und Körper geschwächt, bewies zwar guten Willen und beseitigte manche Mißbräuche, ermangelte aber der Kraft [* 20] zu durchgreifenden Reformen. Mit ihm erlosch das Geschlecht der Medici. Zufolge der eventuellen Bestimmung des Wiener Friedens von 1735 fiel das Großherzogtum an den Herzog Franz Stephan von Lothringen.
Vgl. Reumont, Geschichte Toscanas seit dem Ende des florentinischen Freistaats, Bd. 1: Die Medici 1530-1737 (Gotha [* 21] 1876);
Buser, Die Beziehungen der Medici zu Frankreich 1434-94 (Leipz. 1879).
Von einem jüngern Zweig der Medici, der fürstlichen Familie Ottajano, die sich schon im 13. Jahrh. von der ältern getrennt hatte, stammte Don Luigi Medici, gewöhnlich Cavaliere von Medici genannt, Herzog von Sarto, geb. 1760, der sich als Actons Nachfolger seit 1805 im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten und der Finanzen zu Neapel durch verschiedene Verbesserungen der Finanzverwaltung verdient machte. Während der französischen Herrschaft in Neapel hielt er sich in England auf; nach der Wiedereinsetzung der Bourbonen 1815 wurde er Polizeiminister und 1818 Finanzminister. Infolge der Militärrevolution zu Nola nahm er seine Entlassung und begab sich nach Rom, kehrte aber 1822 in seine frühere Stellung zurück. Er starb auf einer Reise in Madrid. [* 22]