Mazarin
(spr. -saräng), Jules
(Giulio Mazarini
), berühmter franz.
Minister, geb. zu
Pescina in den
Abruzzen als Sohn eines sizilischen
Edelmanns, studierte zu
Rom
[* 3] bei den
Jesuiten, sodann von 1619 bis 1622 zu
Alcala
und
Salamanca in
Spanien
[* 4]
Philosophie,
Theologie und
kanonisches Recht, trat aber hierauf zu
Rom in den päpstlichen Militärdienst
und stand 1625 als
Hauptmann im
Veltlin. Nach
Rom zurückgekehrt, nahm er seine juristischen
Studien wieder
auf, begleitete aber beim
Ausbruch des mantuanischen
Kriegs 1630 den
Kardinal Pancirola als
Sekretär
[* 5] zu den
Verhandlungen, die 1631 zu
dem
Frieden von
Cherasco zwischen
Frankreich und
Spanien führten. Hierbei zeichnete er sich durch seine
diplomatische Geschicklichkeit aus.
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Nachdem er 1632 den Waffenrock mit dem geistlichen Kleid vertauscht hatte, ohne die Weihen zu empfangen, erhielt er durch Richelieus Verwendung 1634 die Vizelegation zu Avignon und wurde bald darauf päpstlicher Gesandter in Paris. [* 7] 1640 zog ihn Richelieu endlich ganz aus dem päpstlichen in den französischen Dienst und übertrug ihm mehrere schwierige Missionen. 1641 verschaffte ihm sein hoher Gönner den Kardinalshut, [* 8] und sterbend bezeichnete er ihn dem König als denjenigen, der ihn zu ersetzen am meisten befähigt sei.
Weniger genial und gewaltig als Richelieu, ohne dessen schöpferische Ideen, war er doch gewandter, vorsichtiger und listiger.
Mit eisernem Fleiß, scharfblickender Menschenkenntnis und zäher Ausdauer überwand er alle Schwierigkeiten
seiner Stellung. Von Ludwig XIII. wurde er zum Staatsrat ernannt und mit unbedingtem Vertrauen geehrt. In dem vom König 1643 eingesetzten
Regentschaftsrat, der nach seinem Tod während der Minderjährigkeit Ludwigs XIV. das Reich verwalten sollte, ward Mazarin
Mitglied.
Als die Königin Anna nach Ludwigs Tod den Regentschaftsrat beseitigte und allein die Herrschaft
übernahm, ernannte sie Mazarin
zu ihrem ersten Minister. Er erwarb sich bald die Gunst und das unbeschränkte Vertrauen, ja sogar
die Liebe der Königin, zog sich jedoch dadurch den Haß der Prinzen und des hohen Adels zu, der, durch Mazarins
Schlauheit und Nachgiebigkeit zwar von Zeit zu Zeit besänftigt, doch immer wieder von neuem aufflammte. Als die Importants
(Wichtigthuer), die Partei des Adels, sogar eine Verschwörung gegen Mazarins
Leben anzettelten, wurden sie im September 1643 vom
Hofe verbannt.
Indes hörten seine Feinde nicht auf, gegen ihn zu intrigieren, und der Adelspartei, an deren Spitze der
Prinz von Condé, der Kardinal Retz und selbst der Herzog von Orléans
[* 9] standen, schloß sich das Pariser Parlament (Fronde) an, welches
sich den Finanz- und Steueredikten des Kardinals energisch widersetzte und die Entlassung des Finanzkontrolleurs d'Emeri, eines
Günstlings Mazarins
, ertrotzte. Als dieser darauf einige Mitglieder desselben verhaften ließ,
geriet ganz Paris in Aufruhr, und Mazarin
sah sich genötigt, jene wieder freizugeben und 20 Mill. an Steuern aufzuopfern.
Hierdurch nicht befriedigt, begann das Parlament den Kampf gegen den Minister von neuem, und Anfang 1649 mußte Mazarin
mit dem König
und der Regierung Paris verlassen. Er wurde 8. Jan. vom Parlament als Störer der öffentlichen Ruhe und Feind
des Vaterlandes geächtet, und der offene Kampf brach aus. Zwar kehrte Mazarin
nach dem Abschluß des Friedens von Rueil (1. April) mit
dem König nach Paris zurück und wagte sogar die Prinzen Condé und Conti und den Herzog von
Longueville verhaften zu lassen. Diese schroffen Maßregeln erregten aber neue Bewegungen, selbst in den Provinzen, und Mazarin
sah
sich abermals zur Flucht genötigt. Er begab sich zunächst nach Lüttich,
[* 10] dann nach Brühl bei Köln,
[* 11] leitete jedoch, obwohl
das Parlament 9. Febr. gegen ihn und seine ganze Familie die Verbannung ausgesprochen, auch aus der Ferne die
Angelegenheiten Frankreichs. Ende 1651 kehrte er an der Spitze von 7000 Mann selbstgeworbener Truppen nach Frankreich zurück;
da das Parlament aber einen Preis von 50,000 Thlr. auf seinen Kopf setzte, eine Flut von Pamphleten und Satiren (Mazarinades)
gegen ihn losgelassen wurde und seine Gegner sofort den Kampf gegen ihn begannen, mußte der König in die abermalige Entfernung
seines Ministers willigen, der sich im August 1652 nach Bouillon
im Lüttichschen begab.
Erst nachdem die Parteien Frieden geschlossen und Condé nach den Niederlanden zurückgedrängt worden war, hielt Mazarin
einen
glänzenden Einzug in Paris. Er regierte von nun an unumschränkter als je, nahm alle im Drang der Not gemachten Zugeständnisse
zurück und führte das Werk seines Vorgängers Richelieu, die Befestigung des absoluten Königtums und die Vergrößerung Frankreichs,
fort. In der innern Verwaltung zeigte er zwar Interesse für die Künste und Wissenschaften, begründete
die Bibliothèque Mazarine
, das Collèga des quatre nations, die Kunstakademie und führte die italienische Oper ein; aber
für die volkswirtschaftliche Entwickelung des Landes, die Förderung von Handel und Gewerbe that er nichts und begnügte sich,
durch allerlei Finanzkünste und harte Steuern die Gelder für den Glanz des Hofs und die auswärtigen Kriege
herbeizuschaffen, während er sich selbst rücksichtslos bereicherte und ein ungeheures Vermögen (50 Mill. Livres) ansammelte.
Sein Ruhm beruht auf seiner auswärtigen Politik, welche zwei große Erfolge aufzuweisen hat: den Westfälischen Frieden, der
Frankreich mit dem Elsaß die Rheingrenze und den herrschenden Einfluß in Westdeutschland verschaffte,
welchen der 1659 abgeschlossene Rheinbund befestigte, und den Pyrenäischen Frieden in dem Mazarin
Ludwig XIV. durch
dessen Vermählung mit der Infantin Maria Theresia die Aussicht auf die Erwerbung Spaniens eröffnete. Er that dies gegen den
Willen des Königs selbst, welcher lieber Mazarins
Nichte Maria Mancini geheiratet hätte. Mazarin
starb in
Vincennes.
Vor seinem Ende hatte er Ludwig XIV. geraten, selbständig und ohne Premierminister zu regieren. Den Namen Mazarin nahm der Marquis de la Meilleraie an, der Gemahl einer Nichte Mazarins, Hortensia Mancini (s. d.), und der Erbe seines Vermögens. Daß er mit Anna von Österreich [* 12] heimlich vermählt gewesen, ist nicht zu beweisen. Von seinen Briefen wurden veröffentlicht: »Lettres où l'on voit les négociations de la paix des Pyrénées« (Par. 1745, 2 Bde., u. öfter);
»Lettres à la reine Anne« (das. 1836);
»Lettres relatives à la Fronde« (hrsg. von Tamizey, das. 1861);
»Lettres du cardinal Mazarin pendant son ministère« (hrsg. von Chéruel, das. 1879-87, 4 Bde.).
Vgl. Bazin, Histoire de la France sous le ministère du cardinal Mazarin (Par. 1842, 2 Bde.);
Chéruel, Histoire de France sous le ministère Mazarin (das. 1882, 3 Bde.);
V. Cousin, La jeunesse de Mazarin (das. 1865); Masson, Mazarin (Lond. 1886). -
Die Mazarinaden (d. h. Satiren auf Mazarin) wurden von Moreau in »Bibliographie des Mazarinades« (Par. 1850-51, 3 Bde.) verzeichnet und in »Choix des Mazarinades« (das. 1853, 2 Bde.) gesammelt.