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Nachdem er 1632 den Waffenrock mit dem geistlichen Kleid vertauscht hatte, ohne die Weihen zu empfangen, erhielt er durch Richelieus Verwendung 1634 die Vizelegation zu Avignon und wurde bald darauf päpstlicher Gesandter in Paris. [* 3] 1640 zog ihn Richelieu endlich ganz aus dem päpstlichen in den französischen Dienst und übertrug ihm mehrere schwierige Missionen. 1641 verschaffte ihm sein hoher Gönner den Kardinalshut, [* 4] und sterbend bezeichnete er ihn dem König als denjenigen, der ihn zu ersetzen am meisten befähigt sei.
Weniger genial und gewaltig als
Richelieu, ohne dessen schöpferische
Ideen, war er doch gewandter, vorsichtiger und listiger.
Mit eisernem Fleiß, scharfblickender Menschenkenntnis und zäher
Ausdauer überwand er alle Schwierigkeiten
seiner
Stellung. Von
Ludwig XIII. wurde er zum
Staatsrat ernannt und mit unbedingtem Vertrauen geehrt.
In dem vom König 1643 eingesetzten
Regentschaftsrat, der nach seinem
Tod während der
Minderjährigkeit
Ludwigs XIV. das
Reich verwalten sollte, ward Mazarin
Mitglied.
Als die
Königin
Anna nach
Ludwigs
Tod den Regentschaftsrat beseitigte und allein die Herrschaft
übernahm, ernannte sie Mazarin
zu ihrem ersten
Minister. Er erwarb sich bald die
Gunst und das unbeschränkte Vertrauen, ja sogar
die
Liebe der
Königin, zog sich jedoch dadurch den
Haß der
Prinzen und des hohen
Adels zu, der, durch Mazarins
Schlauheit und Nachgiebigkeit zwar von Zeit zu Zeit besänftigt, doch immer wieder von neuem aufflammte. Als die
Importants
(Wichtigthuer), die
Partei des
Adels, sogar eine
Verschwörung gegen Mazarins
Leben anzettelten, wurden sie im
September 1643 vom
Hofe verbannt.
Indes hörten seine Feinde nicht auf, gegen ihn zu intrigieren, und der Adelspartei, an deren
Spitze der
Prinz von
Condé, der
Kardinal
Retz und selbst der
Herzog von
Orléans
[* 5] standen, schloß sich das
Pariser
Parlament
(Fronde) an, welches
sich den
Finanz- und Steueredikten des
Kardinals energisch widersetzte und die Entlassung des Finanzkontrolleurs d'Emeri, eines
Günstlings Mazarins
, ertrotzte. Als dieser darauf einige Mitglieder desselben verhaften ließ,
geriet ganz
Paris in
Aufruhr, und Mazarin
sah sich genötigt, jene wieder freizugeben und 20 Mill. an
Steuern aufzuopfern.
Hierdurch nicht befriedigt, begann das
Parlament den
Kampf gegen den
Minister von neuem, und Anfang 1649 mußte Mazarin
mit dem König
und der
Regierung
Paris verlassen. Er wurde 8. Jan. vom
Parlament als
Störer der öffentlichen
Ruhe und Feind
des Vaterlandes geächtet, und der offene
Kampf brach aus. Zwar kehrte Mazarin
nach dem
Abschluß des
Friedens von
Rueil (1. April) mit
dem König nach
Paris zurück und wagte sogar die
Prinzen
Condé und
Conti und den
Herzog von
Longueville verhaften zu lassen. Diese schroffen Maßregeln erregten aber neue
Bewegungen, selbst in den
Provinzen, und Mazarin
sah
sich abermals zur
Flucht genötigt. Er begab sich zunächst nach
Lüttich,
[* 6] dann nach
Brühl bei
Köln,
[* 7] leitete jedoch, obwohl
das
Parlament 9. Febr. gegen ihn und seine ganze
Familie die
Verbannung ausgesprochen, auch aus der
Ferne die
Angelegenheiten
Frankreichs. Ende 1651 kehrte
er an der
Spitze von 7000 Mann selbstgeworbener
Truppen nach
Frankreich zurück;
da das
Parlament aber einen
Preis von 50,000 Thlr. auf seinen
Kopf setzte, eine
Flut von
Pamphleten und
Satiren
(Mazarinades)
gegen ihn losgelassen wurde und seine Gegner sofort den
Kampf gegen ihn begannen, mußte der
König in die abermalige
Entfernung
seines
Ministers willigen, der sich im
August 1652 nach
Bouillon
im Lüttichschen begab.
Erst nachdem die
Parteien
Frieden geschlossen und
Condé nach den
Niederlanden zurückgedrängt worden war, hielt Mazarin
einen
glänzenden Einzug in
Paris. Er regierte von nun an unumschränkter als je, nahm alle im Drang der
Not gemachten Zugeständnisse
zurück und führte das Werk seines Vorgängers
Richelieu, die
Befestigung des absoluten
Königtums und die Vergrößerung
Frankreichs,
fort. In der innern
Verwaltung zeigte er zwar
Interesse für die
Künste und
Wissenschaften, begründete
die Bibliothèque Mazarine
, das Collèga des quatre nations, die
Kunstakademie und führte die italienische
Oper ein; aber
für die volkswirtschaftliche
Entwickelung des
Landes, die
Förderung von
Handel und
Gewerbe that er nichts und begnügte sich,
durch allerlei
Finanzkünste und harte
Steuern die
Gelder für den
Glanz des
Hofs und die auswärtigen
Kriege
herbeizuschaffen, während er sich selbst rücksichtslos bereicherte und ein ungeheures
Vermögen (50 Mill.
Livres) ansammelte.
Sein
Ruhm beruht auf seiner auswärtigen
Politik, welche zwei große Erfolge aufzuweisen hat: den
Westfälischen
Frieden, der
Frankreich mit dem Elsaß die Rheingrenze und den herrschenden Einfluß in Westdeutschland verschaffte,
welchen der 1659 abgeschlossene
Rheinbund befestigte, und den
Pyrenäischen
Frieden in dem Mazarin
Ludwig XIV. durch
dessen Vermählung mit der Infantin
Maria Theresia die Aussicht auf die Erwerbung
Spaniens eröffnete. Er that dies gegen den
Willen des
Königs selbst, welcher lieber Mazarins
Nichte
Maria
Mancini geheiratet hätte. Mazarin
starb in
Vincennes.
Vor seinem Ende hatte er
Ludwig XIV. geraten, selbständig und ohne Premierminister zu regieren. Den
Namen Mazarin
nahm der
Marquis
de la Meilleraie an, der Gemahl einer
Nichte Mazarins
,
Hortensia
Mancini (s. d.), und der
Erbe seines
Vermögens. Daß er mit
Anna von
Österreich
[* 8] heimlich vermählt gewesen, ist nicht zu beweisen. Von seinen
Briefen wurden veröffentlicht:
»Lettres où l'on voit les négociations de la paix des Pyrénées« (Par. 1745, 2 Bde.,
u. öfter);
»Lettres à la reine Anne« (das. 1836);
»Lettres relatives à la Fronde« (hrsg. von Tamizey, das. 1861);
»Lettres du cardinal Mazarin pendant son ministère« (hrsg. von Chéruel, das. 1879-87, 4 Bde.).
Vgl. Bazin, Histoire de la France sous le ministère du cardinal Mazarin (Par. 1842, 2 Bde.);
Chéruel, Histoire de France sous le ministère Mazarin (das. 1882, 3 Bde.);
V. Cousin, La jeunesse de Mazarin (das. 1865); Masson, Mazarin (Lond. 1886). -
Die Mazarinaden (d. h. Satiren auf Mazarin) wurden von Moreau in »Bibliographie des Mazarinades« (Par. 1850-51, 3 Bde.) verzeichnet und in »Choix des Mazarinades« (das. 1853, 2 Bde.) gesammelt.