Titel
Maurice,
1) (spr. morīs) Charles, genannt Chéri, namhafter Bühnenleiter, geb. zu Agen in Frankreich, spielte schon in der Jugend mit Glück auf einem Liebhabertheater, siedelte 1824 mit seinem Vater nach Hamburg über und übernahm hier 1831 die Leitung einer Bühne, aus der nach dem großen Brand von 1842 das jetzige Thaliatheater hervorging (1844). Im J. 1847 übernahm Maurice die Direktion des Stadttheaters, die er erst mit Beison, dann mit Wurda bis 1854 führte, worauf er seine ganze Kraft wieder dem Thaliatheater widmete. Letzteres nahm besonders seit 1856, nach Aufhebung gewisser Einschränkungen, einen großen Aufschwung und hat sich durch sein treffliches Ensemble zu einer von allen Talenten gesuchten Musteranstalt herausgebildet. Von hier gingen die Goßmann, Seebach, Wolter und Dawison ans Wiener Burgtheater. Im Mai 1885 trat Maurice von der Öffentlichkeit zurück, die Leitung der Bühne seinem Sohn und bisherigen Mitdirektor Gustav (geb. 1836) überlassend.
Vgl. Ortmann, Fünfzig Jahre eines deutschen Theaterdirektors (Hamb. 1881).
2) (spr. mōris) Frederick Denison, engl. Geistlicher, Sozialreformer und Schriftsteller, geb. 1805 zu Normanston (Suffolk) als Sohn eines unitarischen Predigers, bezog die Universität Cambridge, konnte aber zufolge der damaligen Gesetze keinen Universitätsgrad erlangen, wurde Mitarbeiter am damals neugegründeten Athenäum, studierte später in Oxford Theologie, wurde dort 1835 Magister und erhielt in demselben Jahr die Priesterweihe sowie eine Kaplanstelle.
Daneben wurde er 1840 Professor der neuern Geschichte und englischen Litteratur am King's College in London, 1846 Professor der Kirchengeschichte, wurde jedoch, als er mit seinen freisinnigen »Theological essays« (1853) Anstoß erregt hatte, genötigt, seine Entlassung zu nehmen, während die Rechtsgelehrten ihn in seiner Kaplanstelle in Lincoln's Inn festhielten. Der Fall machte ungeheures Aufsehen und wurde zu einem der Ausgangspunkte der freiern religiösen Bewegung in England. Maurice beteiligte sich an der Begründung von Arbeitergesellschaften und ward das Haupt der »christlichen Sozialisten«; er stiftete 1854 das noch blühende Working Men's College und war unausgesetzt für die Förderung der Volksbildung, der höhern Frauenerziehung, der Ausdehnung des Wahlrechts etc. thätig.
Mit Charles Kingsley (s. d.) ist er als Haupt der sogen. Broad Church-Partei zu betrachten, zu welcher auch der spätere Dechant von Westminster, A. Stanley (s. d.), gehörte. 1860 erhielt Maurice durch den persönlichen Einfluß der Königin die Pfarre von Vere-Street, wo er nun die gebildetsten Freisinnig-Religiösen versammelte. Die Universität Cambridge, welcher er einst den Rücken wenden mußte, ernannte ihn 1866 zum Professor der Moralphilosophie. Er starb Von seinen Werken seien noch erwähnt: »History of moral and metaphysical philosophy« (1850-60);
»The religions of the world« (5. Aufl. 1877);
»Lectures on the ecclesiastical history of the I. and II. centuries« (1854);
»The patriarchs and lawgivers of Old Testament« (2. Ausg. 1855);
»The religion of Rome« (1855);
»The conscience« (1868);
»Social morality« (1869).
Auch eine Novelle: »Eustace Conway«, hat Maurice verfaßt. Sein Sohn, Major Frederick Maurice, beschrieb sein Leben (»Life of F. D. Maurice«, 4. Aufl. 1885, 2 Bde.; deutsch von Sell, Darmst. 1885).