Materialpr
üfung,
die Prüfung von Materialien verschiedener Art, bezweckt die Feststellung der Eigenschaften sowohl in qualitativer als quantitativer Beziehung, von welchen die Brauchbarkeit, Anwendbarkeit, Dauer und Haltbarkeit sowohl als der Gebrauchswert in gesundheitlicher und ökonomischer Hinsicht ¶
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abhängt. Hiernach ist die eine mechanische, chemische und unter Umständen auch eine mikroskopische. Sehr häufig handelt es sich um Nachweisung von Verunreinigungen, welche der Ware von ihrer Bereitung her anhängen, oft aber auch um direkte Verfälschungen, die in ausgedehntem Maß betrieben werden. Gibt es doch Fabriken, welche nur geeignete Verfälschungsmittel herstellen: gesiebten und gefärbten Sand zur Verfälschung von Sämereien (besonders Kleesaat) und wertlose Mischungen verschiedener Art zur Verfälschung von Gewürzen (s. Matta). In weitaus den meisten Fällen gelingt es dem erfahrenen Chemiker und Mikroskopiker leicht, solche Verfälschungen und Verunreinigungen nachzuweisen und ihre Menge zu bestimmen.
Mit dem Ergebnis der chemischen und mikroskopischen Analyse ist aber nicht immer ohne weiteres ein Maßstab [* 4] zur Beurteilung der Ware geliefert, denn häufig kommen noch Verhältnisse in Betracht, welche sich jener Untersuchung entziehen und besser durch Auge, [* 5] Zunge, Nase [* 6] festgestellt werden, und anderseits bedarf es genauer Kenntnisse der Geschäftsverhältnisse, um die Bedeutung der Untersuchungsergebnisse richtig zu beurteilen. Es ist zuzugeben, daß die Unredlichkeit im geschäftlichen Verkehr eine bedenkliche Höhe erreicht hat, anderseits aber stellt auch häufig das Publikum unberechtigte Anforderungen an die Ware, welche der Sachverständige auf das richtige Maß zurückzuführen hat.
Zur größern Sicherung des Verkehrs sind daher auch durch Gesetze, Verordnungen und Vereinbarungen in den Interessentenkreisen bestimmte Normen aufgestellt worden, nach welchen die verschiedenen Waren zu beurteilen sind (Nahrungsmittelgesetz, Verordnung über den Petroleumhandel, Vereinbarungen der Zementtechniker, der bayrischen Chemiker etc.); auch wurden Prüfungsanstalten errichtet; in welchen von autoritativer Seite Untersuchungen bestimmter Materialien vorgenommen werden: mechanisch-technisches Laboratorium [* 7] der königlich technischen Hochschule in München [* 8] seit 1871. In Berlin [* 9] bestehen seit 1880 die mechanisch-technische Versuchsanstalt zur Prüfung der Festigkeit [* 10] von Eisen, [* 11] andern Metallen u. Materialien, in Verbindung mit der technischen Hochschule, sodann die chemisch-technische Versuchsanstalt zur Untersuchung von Eisen, andern Metallen u. Materialien an der Bergakademie, ferner die Prüfungsstation zur Untersuchung der Festigkeit und andrer Eigenschaften von gebrannten und ungebrannten künstlichen Steinen sowie Bruchsteinen, Zementen, Kalken, Gipsen, Röhren [* 12] etc., verbunden mit der technischen Hochschule zu Berlin.
Diese Anstalten haben die Aufgabe, Versuche im allgemeinen wissenschaftlichen und öffentlichen Interesse anzustellen und auf Grund von Aufträgen der Behörden und Privaten Prüfungen vorzunehmen; die Beziehungen zwischen ihnen werden durch eine besondere Aufsichtskommission vermittelt. Außerdem existiert noch in Dresden [* 13] am dortigen Polytechnikum eine mechanisch-technologische Versuchsanstalt. Ebenda und in Chemnitz [* 14] bestehen staatlich organisierte Anstalten zur Prüfung von Baumaterialien; auch in Stuttgart, [* 15] Wien, [* 16] Budapest, [* 17] Prag, [* 18] Petersburg [* 19] und Zürich [* 20] sind solche Anstalten errichtet worden. Papierprüfungen werden vorgenommen in der mechanisch-technischen Versuchsanstalt zu Berlin (technische Hochschule) und im technologischen Institut zu München (Hochschule).
Die mechanische Untersuchung der Materialien hat es wesentlich mit Festigkeitsprüfungen zu thun, die denn auch zu einer
hohen Vollkommenheit ausgebildet worden sind. Die größte Wichtigkeit hat die Materialpr
üfung im Bauwesen, und hier
ist Grundsatz, die Materialien in dem Maßstab und unter den Umständen zu prüfen, unter welchen sie verwendet
werden, oder wenigstens diesen Verhältnissen möglichst nahezurücken. Da es hierbei also darauf ankommt, das Material künstlich
so zu belasten und zu beanspruchen, wie es in der Praxis stattfindet, und diese Beanspruchung bis zum Bruch zu treiben, um
die alleräußerste Grenze der Belastung etc. in Erfahrung zu bringen, so bedingt die Materialpr
üfung oft den Aufwand
kolossaler Kräfte, welche in den sogen. Prüfungsapparaten und Festigkeitsmaschinen zur Wirkung gebracht werden.
Diese Maschinen zerfallen, soweit es sich nur um Hervorbringung ruhender Belastungen handelt und die Prüfung durch einfach angehängte Gewichte ausgeschlossen wird, in drei Klassen. Bei der ersten Klasse erfolgt die Hervorbringung der Druckkräfte durch Hebel [* 21] und Hebelverbindungen, bei der zweiten Klasse durch Kraftschrauben und bei der dritten durch hydraulischen Druck. Bei der Anwendung von Hebeln kommen sowohl ein- als zweiarmige Hebel, in der Regel aber in großen Übersetzungsverhältnissen und in Konstruktionen vor, welche denjenigen der Dezimal- und Zentesimalwagen entnommen und daher auch sehr ähnlich sind. An Stelle der Brücke [* 22] befinden sich hier nur Werkzeuge [* 23] zur Aufnahme der Untersuchungsobjekte, gewöhnlich aus Bügeln oder zangenartigen Teilen bestehend, welche die ∞-geformten Gegenstände fassen, wenn sie zerrissen werden sollen. Neuerdings werden diese Festigkeitsmaschinen mit drei übereinander angebrachten Hebeln ausgestattet, welche eine 600fache Übersetzung und einen Zug von 100 Ton. oder 100,000 kg zulassen.
Den in Deutschland [* 24] vielfach verwendeten Frühlingschen Hebelzerreißapparat zeigt [* 3] Fig. 1. Derselbe besteht im wesentlichen aus zwei Hebeln l und m, welche gehörig auf Schneiden gestützt und mittels der Zugstange g verbunden sind und so eine Wage [* 25] mit 50facher Übersetzung bilden. Das passend geformte Probestück A wird von der durch die Schraube c richtig einzustellenden Klaue [* 26] d festgehalten und mittels der Klaue d¹ an den Hebel m angehängt. Zur Aufnahme des Zerreißgewichts dient der an den Hebel l gehängte Eimer e, in welchen man so lange aus dem Behälter s durch den Trichter h Bleischrot einlaufen läßt, bis der Bruch von A erfolgt. Das Gewicht des Bleischrots wird dann dadurch ermittelt, daß man den Schroteimer an den Haken a hängt und
[* 3] ^[Abb.: Fig. 1. Frühlings Hebelzerreißapparat.] ¶
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mit auf den Gewichtteller b gelegten Gewichten ausgleicht, deren Zehnfaches gleich dem Schrotgewicht ist.
Die Materialpr
üfungsmaschinen, bei welchen die Kraftäußerung vermittelst einer oder mehrerer Kraftschrauben stattfindet,
besitzen zur Ermittelung der Druckgrößen entweder Hebel (Wagebalken) oder Federn, so daß man den Druck an aufgelegten Gewichten
oder an der Ausdehnung
[* 28] einer Feder erkennt. Gewöhnlich findet man bei ihnen also eine Verbindung der Hebelmaschine
mit Schraube. Wird die Zugkraft an dieser Prüfungsmaschine durch die Ausdehnung oder Spannung einer Feder derart gemessen, daß
man diese zwischen das Prüfungsmaterial und die Kraftschraube einspannt, so erhält sie eine große Ähnlichkeit
[* 29] mit einem
Federdynamometer und wird ganz vorzüglich geeignet zur Prüfung leichter zerreißbarer Materialien (Gespinst,
Gewebe,
[* 30] dünner Draht,
[* 31] Papier u. dgl.). Eine solche Maschine
[* 32] zeigt
[* 27]
Fig. 2 in der Seitenansicht und
[* 27]
Fig. 3 im Grundriß.
Auf einem schmalen hölzernen Brett U U befinden sich vier kleine feste Ständer G, O, R, C. In dem Ständer G ist die mit einer Schraubenmutter ausgestattete Achse eines Handrades H so gelagert, daß sie sich drehen, aber nicht in der Längsrichtung bewegen läßt. Durch Drehung des Rades H wird daher die Schraube S bewegt, welche mittels einer im Grundriß sichtbaren Verlängerung [* 33] fest mit der Traverse F verbunden ist, die sich gegen eine Dynamometerfeder E legt, welche ihrerseits mit dem andern Ende gegen die Platte d gestützt wird.
Diese Platte d, durch welche die Schraubenverlängerung frei hindurchgeht, findet ihre Befestigung an den beiden runden Führungsstangen b b, welche in den Ständer o geführt und am andern Ende durch das Querstück a rahmenförmig abgeschlossen werden. An diesem Querstück a sitzt nun zunächst die zum Einspannen des Probestücks (z. B. Papier) notwendige Klemme A, während die zweite Einspannklemme A¹ an der Stange B angebracht ist, die sich je nach der Länge des Probestücks in dem festen Ständer verschieben und durch die Schraube D feststellen läßt.
Ist zwischen diesen Klemmen A und A¹ nun das Probestück eingespannt, und wird dann das Handrad gedreht, so wird durch die Spannung im Probestück die Feder E proportional dieser Spannung zusammengedrückt, bis der Bruch erfolgt. Zugleich wird, da die Spannung auf die Feder durch die Stangen b b und das Querstück a übergeht, dieses Querstück a eine Bewegung ausführen, welche genau gleich ist der dem Bruch vorangehenden Dehnung. Um nun die Zusammendrückung der Feder (welche die zum Zerreißen erforderliche Kraft [* 34] repräsentiert) und die Ausdehnung des Probestücks genau zu bestimmen, werden sie auf den beiden Bogenskalen P und Q durch Zeiger z z in fünffacher Vergrößerung angegeben.
Hierzu dient für beide ein fast gleicher Nebenapparat, wovon der eine, die Dehnung angebende in dem Ständer R angebracht ist. Beide bestehen aus kleinen vertikalen Achsen, welche oben die Zeiger und unten je eine Rolle v tragen. Um diese Rolle läuft nun eine in dem federnden Bogen [* 35] h, resp. y gespannte Saite i. Die an y befestigte Saite wird, durch das Stängelchen q mit dem Querstück a verbunden und von diesem angezogen, die Veranlassung zum Drehen des Dehnungszeigers über der Skala Q. Die an h gespannte Saite dahingegen ist an der Traverse F befestigt und markiert durch den Zeiger auf der von dem Querstück a getragenen Skala in Kilogrammen die Federspannung. Um ein plötzliches Losschnellen der Feder unmittelbar nach dem Bruch zu verhindern, ist bei C noch eine Sperrstange angebracht, in welche ein Sperrkegel einfällt.
Zum Abmessen der freien Länge des ausgespannten Probestücks N dienen endlich die auf der Stange B sowohl als auf der Stange C vorhandenen Maßstäbe, welche diese Länge direkt in Zentimetern angeben. Diese Festigkeitsmaschine wird in zwei Größen, in einer bis 15 kg Spannung für Garn und Papier, in einer andern bis 120 kg Spannung für Gewebe, Schnüre u. dgl., von W. Frombling in Gadderbaum-Bielefeld gebaut und je nach dem Zweck mit verschiedenen Klemmen versehen. Ein besonders für wissenschaftliche Zwecke konstruierter Festigkeitsapparat, der jedoch nur bis 50 kg Spannung reicht, ist von Reusch konstruiert und beschrieben im »Polytechnischen Journal«, Bd. 235, S. 414.
Als die wichtigste Maschine muß diejenige mit hydraulischem Druck deswegen hingestellt werden, weil sie am besten geeignet ist, die Prüfung an Stücken von beliebigen Dimensionen vorzunehmen, hohe Eisenträger zu zerbrechen, Säulen [* 36] zu zerknicken, dicke Achsen zu verdrehen, Steine, erhärteten Zement, Holz [* 37] etc. zu zerdrücken, Stangen, Ketten, Riemen, Seile zu zerreißen u. dgl. In erster Reihe steht hier die sogenannte Werdersche Maschine (Fig. 4). Auf einem
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^[Abb.: Fig. 2. Materialpr
üfungsmaschine (Seitenansicht).]
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^[Abb.: Fig. 3. Materialpr
üfungsmaschine (Grundriß).]
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