Massōra
(hebr., »Überlieferung«),
eine zur Feststellung und unverfälschten
Erhaltung des ursprünglich unvokalisierten
Bibelwortes wohl schon von
Esras Zeit an unternommene sprachwissenschaftliche
Arbeit. Zu der von der jüdischen
Tradition vererbten
Vokalisierung und Accentuierung des Alten
Testaments kamen schon früh grammatische und kritische Bemerkungen, die sich teils
mündlich fortpflanzten, teils in die Bibelhandschriften eingetragen wurden. Diese Thätigkeit ward von den
Juden
Palästinas
und
Babylons gepflegt. In
Palästina
[* 2] war es in der zweiten Hälfte des 10. Jahrh. neben andern
Gelehrten
besonders Ahron ben
Mose ben
Ascher in
Tiberias, der den Bibeltext feststellte und ihn den nachfolgenden
Pflegern und Förderern
der Massora
, den sogen. Nakdanim (Punktatoren), überlieferte. Aus ihrer Zeit vielleicht
stammt das älteste Handbuch der Massora
, »Ochla w'ochla«,
welches
schon im 12. Jahrh. citiert und von
Frensdorff (Hannov. 1864) herausgegeben ward.
Dem Anfang des 13. Jahrh. gehört Meir (Abu'lafia) Halevi ben Todros'
»Sefer m'ssores s'jag l'sora« an.
Der von
Jakob ben Chajim
ibn Adonia mühsam gesammelte Massora
stoff ist zuerst abgedruckt in den rabbinischen
Bibeln (Vened. 1524-25),
deren
Text als der rezipierte Bibeltext anzusehen ist. Die in den Zwischenkolumnen und den äußern Seitenrändern der Bombergschen
Bibelausgaben Lesarten
(K'ri, d. h. lies! im
Gegensatz zu
K'tib, Geschriebenes, ursprünglicher
Text) und Wörterzählungen enthaltende
Massora
heißt die Massora parva; der übrige umfangreiche, diese erläuternde, allgemeine
Sätze,
Vers- und Wörterverzeichnisse bietende
Stoff heißt Massora
magna und steht über und unter dem
Texte der
Bibel.
[* 3]
Schließlich ist in der sogen. Massora
finalis eine Art massorethischen
Wörterbuchs überliefert und sind die
Differenzen zwischen
ben
Ascher und ben Naftali sowie die
Abweichungen der palästinensischen und babylonischen
Richtung aufgeführt. Auf das
Studium
der Massora
legt man heute mit
Recht einen großen Wert, denn ohne eingehende Beschäftigung mit derselben
ist eine korrekte, sach- und sinngemäße Bibelforschung nicht zu ermöglichen. Die
Urheber und Sammler der Massora
nennt man Massorethen
und den jetzigen
Text des Alten
Testaments die massorethische
Rezension. Eine
Erklärung der massorethischen
Ausdrücke gaben
Elias
Levita
(Halle
[* 4] 1772) und
Buxtorf
(»Tiberias«, Basel
[* 5] 1620).
Neue
Ausgaben der »Massora
magna« veröffentlichten
Frensdorff
(Hannov. u. Leipz. 1876) und gegenwärtig
S.
Bär
(Wilna),
[* 6]
während
Chr. D. Ginsburg ein auf 3
Bände berechnetes Werk: »The Massora
compiled from manuscripts alphabetically
and lexically arranged« (Lond. 1880 ff.), herausgibt.