Maskierung
bei niedern Tieren. Man hatte bisher stillschweigend angenommen, daß die List, den eignen Körper mit allerhand fremden Organismen, wie Algen, [* 2] Schwämmen, Polypen etc., zu bepflanzen, um sich besser zu verbergen, nur den höher stehenden Dekapoden unter den Krebsen, namentlich den Einsiedlerkrebsen und Krabben, eigen sei und ein Zeichen ihrer höhern Intelligenz abgabe, obwohl man schon lange wußte, daß einige Insektenlarven (wie die der Chrysopen und mancher Schmetterlinge [* 3] und Käfer), [* 4] ferner die Seeigel und andre Stachelhäuter [* 5] dieselbe Praxis befolgen.
Nunmehr hat Walker [* 6] diese instinktive List auch bei einigen Flohkrebsen beobachten können und zwar mit einigen besondern, der Mitteilung werten Umständen. Er hatte eine Anzahl Flohkrebse gefischt und in eine Schale mit Seewasser ausgeschüttet, um den Fang genauer zu untersuchen. Unter den Tieren fiel ihm ein Stück Alge auf, welches scheinbar eigenwillig in dem Wasser umherschwamm, sich gelegentlich zu Boden setzte und dann wieder zu schwimmen begann. Die Untersuchung mit der Lupe [* 7] ergab, daß das Pflanzenstück von einer Amphipode (Atylus Swammerdamii) umhergeführt wurde, welche es mit den beiden ersten Paaren der Lauffüße festhielt und sich auf dem Boden unter demselben verbarg, da es viel größer war als das Tier selbst.
Dieser kleine
Krebs
[* 8] verhielt sich also den großen
Krabben und
Einsiedlerkrebsen ganz ähnlich, die mit großen Blättern über
ihrem
Rücken, wie mit Sonnenschirmen bewaffnet, am
Strande spazieren gehen, wie dies
Archer kürzlich wieder
bei einer Dorippe am
Strande von
Singapur
[* 9] beobachtet hat. Es besteht dabei der Unterschied, daß die
Krabben und
Seespinnen die
Fremdkörper mit den eigentümlich verkümmerten und nach dem
Rücken emporgerückten, hintersten Beinpaaren sowohl auf den
Rücken emporheben (wie
Weiß bei Dromia vulgaris in
Neapel
[* 10] beobachtete) als festhalten, während die
Flohkrebse
ihre Vorderfüße benutzen. Bei einer der obigen verwandten Art (Atylus falcatus) fand
Walker das erste Beinpaar und seine
mächtig entwickelten
Klauen durch
Dornen und
Tuberkeln geradezu zum sichern Festhalten der Maskierung
sstücke umgestaltet.
Garstang und Poulton haben vor kurzem darauf aufmerksam gemacht, daß man bei dieser Schutzgewohnheit zwei
Gruppen unterscheiden müsse: solche
Tiere, bei denen es sich bloß um ein Verbergen unter gleichgültigen
Fremdkörpern handelt
(allokryptische und solche
Tiere, bei denen die
Fremdkörper wegen unangenehmer
Eigenschaften bekannt und gemieden sind (allosematische
Maskierung
). Im erstern
Falle werden
Fremdkörper benutzt, die in der Umgebung vielfach vorhanden sind und daher
kein Aufsehen erregen, wie z. B. dort wachsende
Algen,
Hydroidpolypen u. dgl., oder
Dinge, die überhaupt keine Beachtung finden,
wie
Scherben, Muschelschalen und Reste abgelegter Krebspanzer, wie sie namentlich viele
Krabben über sich halten. ZU diesen
bloß nach
Versteck strebenden
Tieren gehören unter den Dekapoden die
Arten von Stenorhynchus,
Hyas, Dorippe,
Maja,
Pagurus laevis und
Pagurus
Bernhardi in der
Jugend.
Die allosematische Maskierung
benutzt dagegen auffallende, mit
Trutzfarben geschmückte
Tiere, die ein Zeichen (sema) geben, daß es
sich um ein »Rühr' mich nicht an« handelt. Hierher gehört die bekannte
Freundschaft der
Einsiedlerkrebse mit den
Seerosen, die sie auf ihrem Wohngehäuse ansiedeln (vgl.
Symbiose,
Bd. 15), und die
Gewohnheit der
Wollkrabbe (Dromia vulgaris), ihren
Rücken mit einem lebhaft orangerot gefärbten
Schwamm (Suberites
domuncula) zu bedecken, den auch manche Paguren als Schutzdach bevorzugen.
Diese Tiere haben ihre Feinde namentlich unter den Sepien und gewissen Fischen, welche die Einsiedlerkrebse aus ihren Schalen herausziehen, aber nicht leicht wagen, ein von einer Seerose oder solchen Schwämmen beschütztes Tier anzugreifen. Garstang überzeugte sich durch Versuche, daß Meerfische nicht zu bewegen waren, Stückchen dieses Schwammes anzurühren; sie schienen vielmehr schon durch den bloßen Geruch desselben vertrieben zu werden. Er rechnet dahin auch gewisse Tunikaten [* 11] und namentlich zusammengesetzte Tunikaten, wie Atopogaster, mit denen Dromia excavata, nach v. Lendenfelds Beobachtung, ihren Rücken zu bepflanzen pflegt. Auch Dromia vulgaris benutzt statt des roten Schwammes nach Beobachtungen von Waldow und Harder häufig zusammengesetzte Ascidien zu ihrer Bedeckung. Die letztern zeichnen sich vielfach durch lebhafte Farben und eigentümlichen Geruch aus, so daß auch sie geeignet sind, schon aus einiger Entfernung erkannt und vermieden zu werden.