Maske
(v. mittellat. masca,
Hexe), ein künstliches hohles
Gesicht,
[* 2] mit dem man das eigne
Angesicht bedeckt, um sich
unkenntlich zu machen, andre zu schrecken etc. Über den Ursprung und die zu
Grunde liegenden
Ideen des Maske
ntragens, das
uralt ist und besonders bei den religiösen
Zeremonien und theatralischen Aufführungen der Alten eine große
Rolle spielte,
sind wir erst in der Neuzeit durch anthropologische und ethnologische
Studien zu einigem Verständnis
gelangt.
Hiernach verdanken die Masken
oder
Larven (v. lat. larva, Gespenst) im wesentlichen religiösen
Ideen ihre Entstehung, und zwar erscheinen sie ursprünglich nur als scheußliche Schreckbilder, womit man die bösen
Dämonen und
Elementargeister, denen alle Widerwärtigkeiten des
Lebens zugeschrieben wurden, zu verscheuchen suchte, ähnlich
wie man noch heute in
Italien
[* 3] und
Griechenland
[* 4] z. B. die
Wirkung des sogen. bösen Blicks durch Fratzenschneiden
abzulenken sucht.
Dieser ehemals über die ganze
Welt verbreitete Abschreckungskultus hat sich in primitiver Form noch bis heute auf den
Inseln
des
Stillen
Ozeans, z. B. auf
Neubritannien
[* 1]
(Fig. 1 u. 2),
Neuirland,
Neuhannover, erhalten, wo, wenn irgend ein Landesunglück,
Seuchen, Mißwachs u. dgl., eintritt, ein sogen.
Duk-Duk abgehalten wird, d. h. eine in
Laub gekleidete und mit einer grell bemalten Maske
versehene
Person in
Begleitung ähnlich
Kostümierter durch das Land zieht,
Tänze aufführt und dadurch den
Dämon, welcher angeblich die Landeskalamität verursacht
hat, zu vertreiben sucht.
Ähnlich veranstalteten die
Chinesen am Silvesterabend einen Maske
naufzug, um den Blatterndämon, der
sich am letzten
Tag des
Jahrs seine
Opfer für das nächste aussuche, zu verscheuchen.
Andre
Zeremonien dieser Art hat man ferner
bei nordamerikanischen, australischen und afrikanischen Naturvölkern angetroffen, und auch in dem alten
Europa
[* 5] waren nachweislich
Maske
naufzüge und
Tänze zur Abwendung von Unglücksfällen in Übung: man denke nur an die Früh-
[* 1]
^[Abb.: Fig. 1 u. 2. Neubritannische
Masken
(1/8 wirkl.
Größe,
Berlin).]
[* 6]
^[Abb.: Fig. 3 u. 4. Totenmasken von Gold [* 7] aus Mykenä.] [* 8] ¶
mehr
lingsfeste der alten Germanen und Kelten (zur Vertreibung des Winters und der Krankheiten), die noch heute in vielen Gegenden
als kaum mehr verstandener Volksgebrauch fortleben. Auch den altmexikanischen Götterbildern legte man bei Landestrauer, Seuchen
etc. Steinmasken
an, und selbst in dem klassischen Gorgonenmythus zeigt sich der alte Sinn der Abwendung
noch unverkennbar: das schlangenumzüngelte Gorgonenhaupt der Athener war nichts andres als eine besonders furchtbare Maske
,
der jeder Feind erlag, dem sie entgegengehalten ward.
Eine ähnliche Bedeutung muß man dann auch dem ehemals weitverbreiteten Gebrauch der Totenmasken zuschreiben. Die Bewohner
der Alëuten erzählten nach Pinard ausdrücklich, daß sie ihre Toten mit Gesichtsmasken
versähen, damit
sie auf dem Weg nach dem Jenseits nicht durch die begegnenden Dämonen geschädigt werden könnten. Ähnliche Schutzlarven
(Anubismasken
) gaben die alten Ägypter den Toten mit, und die Goldmasken
der Gräber von Mykenä (Fig. 3 u. 4, S. 313), von
Kertsch und Kujundschik, die silbernen und hölzernen Masken
der Toten von Peru,
[* 10] die polychromen Thonmasken
der Gräber von Karthago,
[* 11] die kupfernen und hölzernen von Mexiko
[* 12] etc. verdanken offenbar ähnlichen Ideen ihren Ursprung.
Anderseits dienten die Masken
auch umgekehrt den Lebenden zum Verscheuchen der Toten, von denen man annahm, daß sie nach der
ehemaligen Wohnung als Gespenster zurückkehrten, um die neuen Bewohner zu ängstigen. Wie aber die Schreckmaske
zur Vertreibung der bösen Dämonen angewandt wurde, so fand der Gebrauch der Larven bald auch in die höhern, der Verehrung
des guten Prinzips gewidmeten Kultusformen als zeremonieller Bestandteil Eingang. Die gegen die Dämonen kämpfenden Maske
nträger
fühlten sich als Vertreter der guten Götter; sie dachten sich von ihrer Macht erfüllt und mußten sich
dazu durch Weihen heiligen, um mit den Göttern, die als persönliche Feinde der bösen Dämonen gedacht wurden, denselben guten
Kampf zu kämpfen.
Durch diesen Gedankengang wird es verständlich, warum die Gottheiten verschiedener Völker (z. B. der alten Inder und Ägypter) selbst mit Tiermasken versehen dargestellt wurden, die in dem widderköpfigen Jupiter Ammon [* 13] der Griechen, in dem stierhäuptigen Bacchus etc. ihr Nachspiel fanden. Die Tiermasken bilden eine bei Naturvölkern noch heute weitverbreitete Spezialität und spielen namentlich bei den religiösen Tänzen der nordamerikanischen Indianer und australischen Völker eine Rolle.
Das Haupt oder der ganze Körper wurde mit dem abgezogenen Fell eines bestimmten (meist reißenden) Tiers bedeckt, dessen Gangart und Sprünge, Stimme und sonstiges Gebaren der Träger [* 14] bei den religiösen Aufführungen nachzuahmen hatte. Diese Zeremonien wurden gewöhnlich an geheimen Orten unter Ausschluß von Weibern und Kindern vorgenommen, und man darf annehmen, daß nach Einführung neuer, geläuterter Religionsformen solche altgeheiligte Zeremonien als Geheimbündlereien oder sogen. Mysterien fortdauerten; wenigstens ist bekannt, daß in den Dionysosmysterien die Tiermasken (Stier- und Bocksgesichter, Pans- und Silensmasken) und die Tierfelle einen hergebrachten Bestandteil bildeten.
Daß aber auch die spätere Anwendung der Maske auf dem altgriechischen Theater [* 15] aus diesen religiösen Zeremonien hervorgegangen, wird allgemein zugestanden. Aus den Bocksspielen der Dionysien entwickelte sich die Tragödie; das Mysterium vom Tod und der Auferstehung des Dionysos [* 16] Zagreus war das erste griechische Drama, dem bald die Komödie oder das Satyrspiel folgte. Da die religiösen Mummereien durchweg von Männern ausgeführt wurden und diese Sitte der Ausschließung der Frauen auch auf das griechische Theater überging, so war die Beibehaltung der altgeheiligten auch für die szenische Darstellung unvermeidlich.
Verfertigt wurden die Masken bei den Griechen aus Baumrinde, Leder, zuletzt aus Holz, [* 17] und zwar bedeckten sie den ganzen Kopf und hatten gewöhnlich große, trichterförmige Mundöffnungen, um der Stimme einen durchdringenden Schall [* 18] zu verschaffen (daher lat. persona, von personare, hindurchtönen). Man unterschied tragische, komische, Satyr- und orchestische Masken; die letztern, für Tänzer bestimmt, hatten schöne und regelmäßige Gesichtszüge, während die tragischen [* 9] (Fig. 5-7) ein ernstes und imposantes Aussehen gewährten, die komischen [* 9] (Fig. 8-10) und Satyrmasken einen burlesken und drolligen Ausdruck erhielten.
Später dienten die Masken zugleich als Ausdruck der Hauptverschiedenheiten der Stände und Charaktere sowie der mannigfaltigen Leidenschaften. Symbolisch wurde die ernste und komische Maske für die beiden Hauptgattungen der Schauspielkunst gebraucht. Die Römer [* 19] haben den Gebrauch der Maske von den Griechen angenommen und wenig Neues hinzugefügt. Später findet man nur noch vereinzelt in den Mysterien, allgemein in der italienischen Commedia dell' arte den theatralischen Gebrauch der und zwar gehören hierher die Figuren des bolognesischen Dottore (Graziano), des Pantalon, des Harlekins, des Brighella u. der Kolombine, des Kapitäns Spaviento, endlich die des Pulcinello, sämtlich seit dem 15. Jahrh. auf der italienischen Bühne heimisch.
Vgl. Ficoroni, De larvis scenicis et figuris comicis (Rom [* 20] 1754);
Sand, Masques et bouffons (Par. 1860);
Dall, Masks, labrets and certain aboriginal customs (Washingt. 1885).
Heute versteht man in der Schauspielkunst unter Maske die gesamte körperliche Erscheinungsform des darzustellenden bestimmten Charakters in Gesichtsausdruck, Haltung, Bewegung und Kostüm. [* 21] Die neuere Kunst verwarf die Beihilfe der Gesichtsmaske, durch welche das Mienenspiel verloren geht, und zog die Künste des Schminkens und des Frisierens mit heran.
Vgl. Altmann, Die Maske des Schauspielers (2. Aufl., Berl. 1875).
Nach andrer Richtung sind von den religiösen Maskenaufzügen der Naturvölker endlich die kirchlichen Maskenfeste und Tänze des Mittelalters herzuleiten, die sich in spätern Zeiten mehr und mehr zu einem bloßen Mittel gesellschaftlicher Unterhaltung, den
[* 9] ^[Abb.: Fig. 5-7. Masken der Tragödie.
Fig. 8-10. Masken der Komödie.] ¶
mehr
Maskeraden (s. d.), gestalteten, deren Reiz in der sogen. Maskenfreiheit beruht. Aber merkwürdig genug hat die Hauptmaskenfeier in ihrer Beschränkung auf eine bestimmte Zeit des christlichen Festkalenders auch heute noch ein Kennzeichen ihres religiösen Ursprungs bewahrt. Die früher aus Wachs gefertigten Gesichtsmasken, wie man sich deren bei Maskeraden sowie beim Karneval auch auf den Straßen bedient, werden jetzt meist aus Leinwand mit einem lackierten Überzug hergestellt. Man hat sie in den verschiedensten Charakteren, einfarbige (schwarz oder weiß), die meist Halbmasken sind und nur den obern Teil des Gesichts bedecken, und bunte (halbe und ganze) Masken.
In der Baukunst [* 23] nennt man Masken Menschenköpfe ohne Hinterhaupt, welche, gewöhnlich aus Stein gehauen, zur Verzierung des Schlußsteins von Fenster- und Thürbogen angewandt werden. - In der Befestigungskunst heißt eine Brustwehr, [* 24] ein Verhau [* 25] oder eine andre Vorrichtung, durch welche ein andres Werk, eine Batterie etc., dem feindlichen Feuer entzogen (»maskiert«) wird. S. Maskieren.