(spr. -tinji, deutsch Martinach), drei schweizer. Ortschaften des Unterwallis, an der Mündung der Drance
und an der Simplonbahn (Linie Bouveret-Brieg): Martigny la Ville (475 m ü. M.), im Thalgrund (dem gegenüber das Dorf La Bathiaz
liegt), mit 1525 Einw., Martigny le Bourg (1303 Einw.), bergan gelegen, und Martigny-Combe (1589 Einw.) auf dem linken
Ufer der Drance. Ein Seitenthal führt über Forclaz und den Col de Balme (2204 m) ins Chamonix-, während die Drance selbst
nach den Oberstufen des Aostathals leitet. In seinem Namen bewahrt Martigny die Erinnerung an den Sendboten Martinus (4. Jahrh.),
nach dem der keltische Ort Octodurus (57 v. Chr. von den Römern besetzt) jetzt genannt wird.
(spr. -tinji), Joseph Alexandre, Archäolog, geb. 22. April 1808 zu Sauverny (Ain), erhielt 1832 die Priesterweihe
und wurde 1849 Erzpriester von Bâgé le Châtel, wo er 18. Aug. 1880 starb. Er hat sich um die christliche Archäologie große
Verdienste erworben und gab heraus: »Notice historique, liturgique et archéologique sur le culte de salute
Agnès dans les premiers siècles« (1847);
»De la représentation d'Orphée sur les monuments chrétiens primitifs« (1857);
»De l'usage du Flabellum dans les liturgies antiques« (1857);
»Des anneaux chez les premiers chrétiens« (1858);
»Étude archéologique
sur l'agneau et le bon pasteur« (1860);
»Dictionnaire des antiquités chrétiennes« (2. Aufl. 1877).
deutsch
Martinach. Bezirk des Kantons Wallis;
umfasst den Abschnitt des Rhonethales zwischen der Brücke von Riddes
(480 m) und der Mündung des Trient, sowie die Seitenthäler von Isérables und der Combe de Martigny, den obern Abschnitt des
Trientthales, das rechtsufrige Gelände der Eau Noire und endlich den untern Teil des Dransethales. Die grösste Länge vom
Gipfel des Grand Muveran (3061 m) bis zur Grande Fourche (3617 m) beträgt 31 km, die grösste Breite von
der Dent de Morcles (2938 m) bis zum Mont Gelé (oder Becca de la Grande Journée; 3028 m) 19,5 km. Umfasst folgende 13 Gemeinden:
Martigny Ville (Hauptort), La Bâtiaz, Bovernier, Charrat, Fully, Isérables, Leytron, Martigny Bourg, Martigny Combe, Riddes, Saillon,
Saxon und Trient.
Die seit 1840 politisch getrennten Gemeinden Martigny Ville, Martigny Bourg, Martigny Combe, La Bâtiaz u. Charrat bilden zusammen
die Kirchgemeinde Martigny; die übrigen politischen Gemeinden sind zugleich auch eigene Kirchgemeinden. Der Bezirk ist mit 26310 ha
der an Fläche siebente, mit seinen 12645 Ew. dagegen der an Bevölkerungszahl erste des Kantons. 2878 Haushaltungen
in 2012 Häusern; 12428 Katholiken und 199 Reformierte; 12229 Ew. französischer, 148 deutscher und 265 italienischer Zunge.
Der Bezirk grenzt im N. mit der Kette des Muveran an den Kanton Waadt,
im NO. und O. an den Bezirk Conthey, im S. an den Bezirk Entremont
und
das französische Département de la Haute Savoie, im W. an den Bezirk Saint Maurice.
Hauptgipfel des Bezirkes sind: rechts der Rhone der Grand Muveran (3061 m) und die Dent de Morcles (2980 m), deren Verbindungskamm
die Grenze gegen den Kanton Waadt
bildet, ferner die die Rhone zu ihrem grossen Knie zwingende Kette, die von der
Dent de Morcles über den Six Trembloz, Diabley und Six Carro bis zum Kamm von Folaterres sich senkt und die Grenze gegen den
Bezirk Saint Maurice bildet, dann die niedrigeren Chavalard und Grande Garde; links der Rhone der Mont Gond und Mont Gelé hinten
über dem Val d'Isérables und auf der Grenze gegen den Bezirk Conthey,
die Tête des Établons, Pierre à Voir und
wiederum der Mont Gelé auf der Grenze gegen den Bezirk Entremont.
Ferner findet sich links der Rhone um den Trientgletscher und auf der
Grenze gegen den Bezirk Entremont
oder das Département de la Haute Savoie eine Reihe von bedeutenden Hochgipfeln,
wie der Six Carro, Zennepi, die Pointe des Écandies, Pointe d'Orny, Grande und Petite Fourche, Aiguille du Tour, der Pissoir (Pesseux)
und über dem Col de Balme die Grandes Autannes.
Neben der den ganzen ebenen Abschnitt des Bezirkes von NO.-SW. durchziehenden und dann nach N. abbiegenden
Rhone sind von Flüssen noch folgende zu nennen: die Dranse mit dem durch seine grossartigen
mehr
Schluchten berühmten ungestümen Wildbach Durnand, der im Bezirk selbst entspringende und auf eine Strecke weit die Grenze
gegen den Bezirk Saint Maurice bildende Trient mit der Eau Noire als beträchtlichstem Nebenfluss und der aus dem Val d'Isérables
kommende Wildbach Fara. Von N. gehen der Rhone zu die die Grenze gegen den Bezirk Conthey
bildende Lozence und
die von den Eisfeldern am Grand und Petit Muveran kommende Salence, die zwischen Saillon und Leytron durch eine tiefe Schlucht
auf die Ebene austritt. In der Rhoneebene selbst findet sich ein verzweigtes Netz von Entwässerungs- und Bewässerungskanälen
(vergl. den Art. Martigny, Canaux de). Ehemalige Stücke des einstigen veränderlichen Rhonebettes sind
die Sarvaz und der Petit Rhône, die jetzt den Abfluss der beiderseitigen Altwasser vermitteln.
Die nahe beieinander gelegenen zwei Ortschaften Martigny Ville und Martigny Bourg haben sich lange Zeit die wirtschaftliche
Vorherrschaft streitig gemacht, die dieser Stelle des Thales durch ihre geographische Lage von jeher zugekommen
ist. Dieser Kampf hat aber naturgemäss auch dazu beigetragen, den Aufschwung jedes der beiden Orte einigermassen zu hemmen.
Martigny Bourg hat infolge seiner günstigeren Lage zu den benachbarten Thalschaften bis heute den Montags-Wochenmarkt
beibehalten, während Martigny Ville andererseits durch die Eisenbahn begünstigt erscheint und auch seine Bevölkerungsziffer
fühlbarer anwachsen sieht. An Bedeutung folgen sich im Bezirk Martigny Landwirtschaft, Handel und Industrie.
Diese wird in erster Linie durch die Fabrikation von Obst- und Gemüsekonserven in Saxon vertreten. Martigny Bourg hat eine
Teigwarenfabrik, zwei Gerbereien, mehrere Sägen etc. Steinplatten- und Schieferbrüche in Saxon und Leytron, Marmorbrüche
in Saillon. Die in den Gemeinden Bovernier, Martigny Bourg und Martigny Ville während der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts lebhaft abgebauten Brüche auf Protogin sind jetzt beinahe aufgegeben. Verhältnismässig wenig bedeutend
ist die Fremdenindustrie, die noch eines grösseren Aufschwunges fähig wäre, da Martigny der Sammelpunkt aller Touristen
ist, die die Thäler von Entremont, Bagnes, Ferret, Chamonix und Trient besuchen.
Von Fremdenstationen sind zu nennen Martigny Ville, Martigny Bourg, die Bäder von Saxon, die Tête Noire und Trient. Die nicht
mehr auf Boden des Bezirkes liegenden Stationen Chemin und Le Len sind doch durch ihre Zufahrtswege auf ihn angewiesen. In,
landwirtschaftlicher Hinsicht nimmt der Bezirk Martigny durch seine günstigen natürlichen Verhältnisse
und die daraus resultierende Mannigfaltigkeit seiner Produkte im Wallis
den ersten Rang ein. Die bemerkenswert gut bewässerten grossen
Wiesen um Martigny Ville und Martigny Bourg sind die an Obstbäumen reichsten des ganzen Kantons und zeugen für die Pflege,
die die Bewohner und Behörden dem Landbau stetsfort angedeihen lassen. In gutem Rufe stehen auch die
Weinberge von Martigny, Saxon, Leytron und besonders von Fully.
Dieser letztere, der an der wärmsten Stelle des Thales liegt, könnte noch weit bedeutender sein, wenn er nicht so stark
zerstückelt wäre; da er zum grössten Teil Eigentum von Kleinbauern aus den Thälern von Bagnes und
Entremont ist, zerfällt er in eine Menge von ganz kleinen Parzellen, die ausserdem noch zu einer richtigen Bearbeitung
und Ausnutzung allzu weit vom Wohnort ihrer Besitzer entfernt liegen. Gute Weinberge haben ferner das am jenseitigen Gehänge
des Rhonethales befindliche Charrat und das in einem Winkel des Dransethales geschützt gelegene Bovernier.
Schöne Wiesen in Charrat. Die Konservenfabrik zu Saxon besitzt ausgedehnte Felder. Baumschulen von Bollin. Landwirtschaftliche
Schule Écône. Die Alpengemeinde Isérables führt Getreide aus. Es vereinigen sich im Bezirk Martigny und besonders in der
Gemeinde Fully auf einer verhältnismässig kleinen Fläche überhaupt die klimatischen Bedingungen des
nördlichen Europa und des mediterranen Frankreich, so dass wir hier nebeneinander den an einigen geschützten Stellen noch
gut gedeihenden Maulbeerbaum, dann die Rebe und Kastanie, den Nussbaum, ferner Pfirsiche, Aprikosen, Spargeln, Birnen, Aepfel
etc. finden, die alle Gegenstand eines beträchtlichen Ausfuhrhandels bilden.
Die Korrektions- und Kanalisationsarbeiten
an der Rhone und die mit Verständnis angelegten Entwässerungskanäle,
die meist seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Angriff genommen worden sind, haben bereits einen grossen Abschnitt der
Ebene derart urbar gemacht und gesundheitlich gehoben, dass man allmählig zu vergessen beginnt, wie sehr gerade die
Ebene von Martigny seiner Zeit unter den Ueberschwemmungen durch die Hochwasser der Rhone und Dranse und
unter den stagnierenden Altwassern mit dem ganzen daraus resultierenden Elend (Fieber, Epidemien, Kretinismus, Armut und
Verzweiflung der Bewohner) gelitten hat.
Schon seit langer Zeit hat man die dem Sumpffieber am meisten unterworfenen Siedelungen entweder trocken gelegt und gesund
gemacht oder aber verlassen. Die wenigen Dörfer, die heute noch keine Trinkwasserversorgung haben, werden
bis in etwa 2 Jahren ebenfalls mit einer solchen versehen sein. Viehzucht und Milchwirtschaft treiben die Gemeinden Fully,
Saxon, Leytron, Saillon, Riddes, Isérables, Bovernier, Martigny Combe und Trient. In den Gemeinden der Ebene findet sich noch in
ziemlich umfangreichem Massstab Maultier- und Pferdezucht, die im Rhonethal seit 1902 auch vom Bund dadurch
gefördert wird, dass er den Gemeinden Aigle, Martigny, Sitten und Turtman Zuchtesel aus dem Poitou zur Verfügung gestellt hat.
Die Viehstatistik ergibt folgende Resultate:
1886
1896
1901
Rindvieh
6375
5660
6123
Pferde
477
399
458
Maultiere
-
-
247
Schweine
1902
3080
2110
Ziegen
3728
4412
3192
Schafe
4327
2717
2993
Bienenstöcke
600
728
863
Den Bezirk Martigny durchzieht die Simplonbahn mit den Stationen Martigny, Charrat-Fully, Saxon und Riddes. Martigny Ville ist
Kopfstation der neuen Eisenbahn Martigny-Vernayaz-Salvan-Finhaut-Châtelard (-Chamonix). Andere wichtige Verkehrszüge sind
die der Rhone und der Simplonbahn parallel verlaufende Thalstrasse, die Poststrassen nach Bagnes und über
den Grossen St. Bernhard, deren Stück Martigny-Grosser St. Bernhard-Aosta zu einer internationalen Verkehrsader sich zu entwickeln
bestimmt ist, ferner die Alpenstrasse von Martigny über La Forclaz, die Tête Noire und den Col des Montets nach Chamonix.
Die beiden Rhoneufer sind durch die Brücken von Branson, Charrat-Fully, Saillon, Leytron und Riddes miteinander
verbunden. Die Dörfer in der Ebene rechts der Rhone erinnern mit ihren zerfallenen Bauten und ihren oft von Weinlauben überrankten
engen Gassen, die von keinem Fremden begangen werden, vielfach noch an ähnliche Siedelungen in Italien oder Spanien, und
auch die sie untereinander verbindende Fahrstrasse führt uns noch einen Ueberrest der ehemaligen bald
engen und holperigen, bald breiten und schlammigen Verkehrswege des Landes vor Augen.
Zahlreiche, aber meist nur wenig bekannte Gebirgspässe führen in die benachbarten Bezirke und Gebiete hinüber: neben den
nach Chamonix leitenden Uebergängen der Forclaz, Tête Noire und des Col de Balme, der Croix du Cœur von
Riddes und Isérables nach der Vallée de Bagnes, dem nach Champex hinaufführenden und in Bälde zu einer Fahrstrasse auszubauenden
Chemin des Vallettes und endlich dem Col du Len zwischen Sembrancher und Saxon sind sie alle nur Uebergänge für Kletterer, als
deren begangenster hier der Fussweg über die Frête de Sailles zwischen Leytron und dem Thal des Avançon
(Bex) angeführt werden mag.
Der Bezirk Martigny besteht als solcher erst seit 1798 und wurde aus der ehemaligen Herrschaft gleichen Namens und einigen
weiteren kleinen Herrschaften gebildet, von denen einige nach der Zeit der französischen Oberhoheit 1814-1815
wieder von ihm abgetrennt worden sind.
(Canaux de) (Kt. Wallis,
Bez. Martigny).
Netz von Kanälen in der Ebene von Martigny;
angelegt zu Zwecken der Entwässerung,
Bewässerung und Urbarmachung der Felder, sowie zum Betrieb von Sägen, Mühlen und anderen Fabrikanlagen zwischen Martigny Bourg
und Martigny Ville.
Der wichtigste dieser Kanäle ist die 1847 erbaute und 10 km lange Monneresse oder
mehr
Meunière. Ein anderer, der Tolléron, liegt zwischen dem Petit Rhône, einem nicht eingedämmten Altwasser der Rhone, und dem
5,8 km langen sog. Grossen Sammelkanal (Grand Collecteur).