Marmor
(Marmelstein, Urkalkstein zum Teil, körniger
Kalkstein), kristallinisch-körniges
Aggregat von Kalkspatkristallen
(kohlensaurer
Kalk), ist grob- bis feinkörnig (zuckerartig),
Härte 3, auf frischem
Bruch glänzend oder
stark schimmernd, durchscheinend bis kantendurchscheinend, weiß in allen
Nüancen, seltener gelb, rot, blau, schwarz, auch
flammig, geädert, wolkig, fleckig; rein weißer, stark durchscheinender Marmor
bildet den Statuenmarmor
(Carrara,
Paros,
Pentelikon,
Hymettos).
Sehr häufig enthält der Marmor
accessorische
Bestandteile, wie
Quarz,
Korund,
[* 2]
Apatit,
[* 3]
Flußspat,
[* 4]
Spinell,
[* 5]
Turmalin,
Vesuvian,
[* 6]
Granat,
[* 7]
Epidot,
[* 8]
Strahlstein,
Hornblende,
[* 9]
Amianth,
Augit,
[* 10]
Glimmer,
Talk,
Serpentin,
Orthoklas,
Zirkon,
[* 11] Magneteisen,
Schwefelmetalle,
Graphit etc. Von diesen Beimengungen treten manche in großer Häufigkeit oder in charakteristischer
Konstanz
[* 12] auf, und dadurch entstehen gewisse
Varietäten: Cipollino (Zwiebelmarmor
, phrygischer Marmor der
Römer),
[* 13] mit
Talk und
Glimmer in schalenförmiger
Absonderung, bisweilen von schieferiger
Textur
(St.-Maurice in den
Oberalpen,
Savoyen,
Piemont,
Corsica,
[* 14] Pyrenäen);
Ophicalcit
(Verde antico), kleinkörniger Marmor
mit edlem
Serpentin;
Calciphyr, durch Granat, Vesuvian, Augit auffallend porphyrartig;
Hemithren, mit Hornblende oder Grammatit;
Breccie von Seravezza, feinkörniger Kalk, mit glänzenden Blättern und Streifen durchzogen, von breccienartigem Ansehen.
Bisweilen zeigt der eine deutliche
Schichtung und häufig
Zerklüftung zu unregelmäßigen
Polyedern; auch finden sich Übergänge in dichten
Kalkstein, aus dessen Umwandlung er sehr
vielfach hervorgegangen ist. Er tritt besonders als untergeordnete Einlagerung im kristallinischen Schiefergebirge auf,
Lager
[* 15] und
Stöcke bildend, welche vielfach unregelmäßige Gestalt besitzen und sich bisweilen gangähnlich
in das umschließende
Gestein fortsetzen; außerdem findet sich Marmor
häufig an
Stellen, wo dichter
Kalkstein von Eruptivgesteinen
durchsetzt wird
(Kaiserstuhl
[* 16] im
Breisgau, auf
Man und
Rathlin,
Pyrenäen).
Auch die Jurakalke bieten stellenweise ausgezeichneten Marmor
dar, und selbst in der
Kreide
[* 17] erscheinen noch deutlich kristallinisch-körnige
Kalksteine. Man findet Marmor
im
Glimmerschiefer des
Böhmerwaldes und im
Thonschiefer bei
Waltersdorf
(Bezirk
Waldsassen), im
Fichtelgebirge bei
Wunsiedel, an der
Bergstraße bei
Auerbach,
[* 18] am
Kaiserstuhl, bei
Reichenbach,
[* 19]
Altenburg,
[* 20] in den
Alpen
[* 21]
Salzburgs,
Gasteins, bei Schlanders in
Tirol,
[* 22] Graubünden,
Italien
[* 23] bei
Massa e Carrara, in
Attika am
Hymettos und
Pentelikon, auf
Paros,
Naxos
und am
Athos.
In der
Baukunst
[* 24] und
Plastik fand der Marmor
seit den ältesten
Zeiten vielfache Verwendung bei Ägyptern,
Hebräern, Phönikern;
Homer besingt ihn, und von den Griechen lernten die
Römer seine Benutzung. Die
Karier sollen das
Schneiden des Marmors
in
Platten
erfunden und ihn in dieser Form zuerst beim
Bau des
Mausoleums zu
Halikarnassos verwendet haben. In
Rom
[* 25] schmückte
wohl zuerst
Crassus 672
v. Chr. sein
Haus mit Marmor
säulen vom
Hymettos, aber unter
Augustus fand die Anwendung des Marmors
ganz
allgemeine Verbreitung.
Der
Tempel
[* 26] der
Vesta und mehrere andre, die
Trajanssäule, der
Triumphbogen des
Titus und des
Konstantin waren ganz aus Marmor
erbaut,
welcher zumeist aus den entferntesten Gegenden herbeigeschafft wurde.
Bald waren in
Rom kolossale
Massen von Marmor
angehäuft,
und so groß blieb die
Nachfrage, daß
Nero die Marmor
brüche für Staatseigentum erklären und durch kaiserliche
Kommissare
verwalten ließ.
Später wurde viel aus
Rom nach
Konstantinopel
[* 27] geschleppt und die Stadt fast wie ein
Steinbruch
behandelt.
Dennoch besitzt das moderne
Rom noch mehr als 7000 Marmor
säulen. Im 13. Jahrh. blühte der Marmorbau
in Norditalien
und erhielt sich bis zur Zeit der
Renaissance, doch mehr im Innern der Gebäude als im Äußern. Im 17. Jahrh. schnitt man
Ornamente
[* 28] aus und in dieser Form fand er auch in
Frankreich und
Deutschland
[* 29] Eingang.
Ludwig XIV. bemühte
sich vergebens, die Marmor
industrie wieder zu heben, und erst in neuester Zeit schenkt man dem edlen
Gestein wieder größere
Aufmerksamkeit. In
Athen
[* 30] hat man die
Universität und die
Akademie aus pentelischem Marmor erbaut.
Dieser letztere ist feinkörnig, weiß mit lichtbläulichem Schimmer und war schon im Altertum das Material für alle Kunst- und Prachtbauten Athens. Außerdem benutzte man salischen Marmor von grobem, durchscheinendem, weißem Korn, feinkörnigen hymettischen Marmor mit grauem Farbenstich, feinkörnigen parischen Marmor mit gelb rosafarbenem Schein, sehr durchscheinend und lebhaft glänzend (Lychnitis des Plinius). Sehr geschätzt waren ferner der thasische Marmor von der Insel Thasos, der prokonnesische ¶
mehr
Marmor in der Propontis, der arabische Marmor, welcher den parischen Marmor noch übertraf, der Marmor von Chios und der stark durchscheinende kappadokische Marmor, den man in dünnen Platten nach Art des Fensterglases benutzte. Fast alle diese Marmorarten kennen wir nur aus den Kunstwerken (antiker Marmor), während der moderne Marmor größtenteils aus Italien stammt. Dort gibt es bei Carrara 600, bei Seravezza gegen 100, bei Massa gegen 180 Marmorbrüche, und der geschätzteste Stein ist der Statuario de Falcovaja (Monte altissimo).
Auch die Umgegend von Padua, [* 32] Pisa, [* 33] Verona [* 34] und Florenz [* 35] sowie Sizilien, [* 36] Corsica und Elba liefern verschiedene Marmorarten. Der weiße Marmor wird an der Luft allmählich gelblich, selbst braun, indem sich in geringer Menge darin enthaltenes farbloses Eisenoxydul höher oxydiert und in gelbes Eisenoxyd verwandelt. Er unterliegt ferner der Verwitterung, zum Teil veranlaßt durch diesen Eisengehalt, noch mehr durch die Kohlensäure der Luft und durch Flechten [* 37] und Moose, [* 38] welche sich auf dem Marmor ansiedeln.
In der Technik nennt man außer dem körnigen Kalkstein auch alle diejenigen Kalksteine Marmor, welche schön gefärbt sind und bei gleichförmigem Korn sich gut schneiden und polieren lassen. Sie sind weiß, häufiger rot oder gelb durch Eisenoxyd und Eisenhydroxyd, blau oder schwarz durch bituminöse oder kohlige Substanzen, bald einfarbig, bald bunt, mit wolkigen, flammigen, äderigen, anders gefärbten Zeichnungen, daher der Ausdruck marmoriert. Die Schönheit wird nicht selten dadurch erhöht, daß sich Adern von Kalkspat, [* 39] auch Chalcedon oder Quarz, oder Versteinerungen durch ihre verschiedene, meist lichtere, oft rein weiße Färbung vom anders gefärbten Grund abheben.
Manche von Adern durchtrümmerte Gesteine [* 40] erscheinen breccienartig; andre sind wirkliche Breccien, entstanden durch Verkittung eckiger Bruchstücke, andre Puddingmarmore, bei denen die Bruchstücke abgerundet sind. Der geschätzte Pfauenmarmor (Pavonazetto) ist ein weißer Marmor mit dunkelvioletten Adern und Flecken. Cipollino und Verde antico wurden schon erwähnt. Viel Anwendung finden die dunkelgrauen, blauen und blauschwarzen Marmore, die als schwarze zusammengefaßt werden: der rein schwarze (nero antico aus Oberäygpten), weil ihn Lucullus vor allem liebte, Lukullan genannt;
der Bianco in nero der Italiener, schwarz mit weißen Adern;
der prachtvolle Port' or oder Marmor von Porto Venere bei Spezia, [* 41] mit leuchtenden, gelben Adern auf schwarzblauem Grunde.
Der Marmo africano, schwarz mit weißen und roten Flecken, hat oft schon breccienartiges Ansehen. Die roten Marmore von mannigfacher Nüancierung der Farbe, oft prachtvoll marmoriert, auch ins Breccienartige übergehend, wurden schon im Altertum vielfach verwendet und dienten im Mittelalter bis auf unsre Zeit vorzugsweise zu Altären und Grabdenkmälern. Hierher gehören: der einfarbige dunkelrote Rosso antico aus Oberägypten, der Campaner aus den französischen Pyrenäen, der Mandelmarmor (marmo mandolato) von Lugezzana bei Verona, mit weißen Flecken auf hellrotem Grunde, der sogen. sizilische Jaspis (marmo Jaspis) von Sizilien, hellrot mit breiten, bandförmigen, weißen und grünen Zickzackstreifen.
Sie gehören zu den mannigfachsten Formationen vom silurischen Übergangsgebirge an; reich daran ist vor allem der Lias der Alpen und Apenninen. Selten sind einfache echte grüne Marmore, denn der Marmo carystium vom Berg Ocha bei Karystos, halb grün mit weißen Streifen, gehört zu dem Cipollino, und die meisten übrigen sind grüne Porphyre u. dgl., so der grüne tänarische vom Taygetos in der Maina. Ungemein mannigfaltig in ihren Farben sind die Breccien, echte, aus verkitteten Bruchstücken entstandene sowohl als scheinbare, dichte Kalksteine, von zahlreichen Adern durchsetzt (Breccie von Seravezza, s. oben).
In dem dichten Kalk häufen sich die Versteinerungen oft derart an, daß sie zu Muschelmarmoren werden, so besonders Schnecken [* 42] und Muscheln [* 43] im Muschelmarmor im engern Sinn, darunter Klymenien und Goniatiten, Orthoceratiten im nordischen silurischen roten Übergangskalk, Ammoniten [* 44] in schwarzen und roten Trias- und Liaskalken (Altdorf in Franken, Adneth bei Salzburg). [* 45] Auch der durch den prachtvollen Perlmutterglanz seiner Schneckenschalen berühmte opalisierende Muschelmarmor (Helmintholith) von Bleiberg in Kärnten und vom Lavetscher Joch bei Hall [* 46] in Tirol gehört hierher.
Der Hippuritenkalk liefert ebenfalls schwarzen, mit weißen Muscheln durchsetzten Marmor (Leichentuchmarmor). Auch der geschätzte Pfauenaugenmarmor gehört hierher. Erfüllt von kleinen Resten von Bryozoen [* 47] sind die schönen grauen, granitähnlichen Marmore, der Granitello di Mosciano aus Toscana, der Granitmarmor (s. d.) von Neubeuern in Oberbayern. In Deutschland ist besonders Bayern [* 48] nach Marmor erforscht und ausgebeutet worden, und es haben die Umgegend von Schlanders, Füssen, Tegernsee, Neubeuern bei Rosenheim, Untersberg, Kelheim sowie der Frankenjura und das Fichtelgebirge einen Reichtum schöner Gesteine geliefert; die größten Werkstücke für die Walhalla der Bruch auf eine kleinkörnige, weiße Breccie der Hippuritenkreide am Untersberg.
Das Fichtelgebirge liefert bei Wunsiedel schönen salinischen Marmor, bei Hof [* 49] dichte, schwarze devonische Marmore. Der sächsische Marmor vom Fürstenberg bei Gräfenhein ist dem Wunsiedler ähnlich. Schlesien [* 50] besitzt salinische und dichte Marmore, grauen, körnigen Marmor zu Prieborn bei Brieg, [* 51] schwarzen zu Greifenberg, roten bei Jauer. [* 52] Der Reichtum Österreichs an Marmor wird wenig ausgebeutet; doch sind wichtige Brüche in Kärnten, Vorarlberg, Istrien, [* 53] Salzburg und im Küstenland bei Tolmein vorhanden.
Auch die Schweiz [* 54] ist marmorreich. Das Übergangsgebirge des Thüringer Waldes (Döschnitz), des Harzes (Rübeland) und am Niederrhein liefert schöne schwarze und rote Marmore. Ausgezeichnete rote Marmore hat der skandinavische Norden [* 55] (Osterzyllen, Öland), aus dem auch die viel über Norddeutschland verbreiteten und hier verarbeiteten erratischen Kalkblöcke stammen. England hat, vorzüglich in seinem Kohlenkalk, ausgedehnte Brüche auf schwarze, schwarze weiß gefleckte und geäderte, auch bunte Marmore.
Der Schildkrötenmarmor (Turtlemarble) von Weymouth besteht aus großen Septarien, die im Oxfordthon liegen und zu schönen Platten verarbeitet werden. In Schottland bildet bei Assynt in Sutherlandshire ein sehr schöner weißer Marmor außerordentlich ausgedehnte Lager. Sehr schön ist der hell blutrote oder fleischrote oder rötlichweiße, mit dunkelgrünen Hornblendeteilchen eingesprengte Marmor von Tirne, einer der Hebrideninseln. Aus Irland ist am bekanntesten der Kilkennymarmor von schwarzer Farbe mit weißen oder grünlichen Petrefakten. [* 56] Ein ungemein schöner schwarzer Marmor kommt bei Crayleath vor, und Louthlougher in Tipperary liefert einen schönen purpurfarbigen Marmor. Unter den zahlreichen französischen Marmorsorten sind die bekanntesten die von Charleville, Lavelle, Antibes, ¶
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Campan etc. Auch Belgien [* 58] liefert viele, oft sehr schöne Marmorsorten, die sämtlich dem Kohlenkalk angehören und meist durch inliegende Korallen [* 59] sehr gefällige Farbenzeichnungen tragen. Spanien [* 60] führt seinen schönen Broccaletto, rot mit gelben Flecken und einigen weißen Adern, aus.
Vgl. Bäumer, und Mosaik in der Architektur (Wien [* 61] 1875);
Pugnot, La marbrerie moderne (Par. 1878);
Blümner, Technologie der Gewerbe und Künste bei Griechen und Römern, Bd. 3 (Leipz. 1884).