Titel
Marburg
,
Brücken II

* 3
Brücken.[* 1] 1) Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Kassel, [* 2] zu beiden Seiten der Lahn und an der Linie Kassel-Frankfurt a. M. der Preußischen Staatsbahn, 182 m ü. M., liegt zum größern Teil auf den Terrassen eines bis zum Flußufer allmählich sich abdachenden, mit einem altertümlichen Schloß gekrönten Bergrückens am rechten, zum kleinern Teil (Vorstadt Weidenhausen und der Bahnhof) am linken Lahnufer. Beide Stadtteile sind durch zwei Brücken [* 3] verbunden.
Das
Innere der Stadt trägt den
Charakter einer altertümlichen Bergstadt. Zu den vorzüglichsten Gebäuden
gehört das
Schloß (in gotischem
Stil). Der interessanteste Teil desselben ist der schöne, vom
Landgrafen
Heinrich I. 1277 begonnene
und 1312 vollendete, 36 m lange Rittersaal, in welchem 1529 das Marburger
Religionsgespräch (s. unten) abgehalten worden
sein soll. Diesem schräg gegenüber befindet sich die jetzt außer
Gebrauch gesetzte Schloßkapelle,
welche, wie auch der Rittersaal, neuerdings restauriert worden ist.
Das Schloß enthält seit 1867 das hessische Staatsarchiv. Eine große Zierde der Stadt ist die von 1235 bis 1283 vom Deutschen Ritterorden erbaute, 1850-67 durchaus restaurierte Elisabethkirche im reinsten frühgotischen Stil, mit dem prächtigen Grabdenkmal der heil. Elisabeth und zwei schlanken Türmen von 74,29 m Höhe;
die lutherische Pfarrkirche im gotischen Stil (im 13. Jahrh. begonnen, aber erst im 15. vollendet), mit den Denkmälern der Landgrafen Ludwig IV. und V.;
die Kugelkirche, ein spätgotischer, jetzt den Katholiken eingeräumter Bau;
das Rathaus und das neue Universitätsgebäude gotischen Stils.
Bierbrauerei

* 4
Bierbrauerei.Die Zahl der Einwohner betrug 1885 mit der Garnison (ein Füsilierbataillon Nr. 80) 12,668, darunter 1082 Katholiken und 349 Juden. Die Industrie beschränkt sich auf Gerberei, Fabrikation von Maschinen, chirurgischen Instrumenten und Zinnwaren, Töpferwaren, Schuhwerk und Spielzeug, Kunsttischlerei und -Schlosserei und Bierbrauerei. [* 4] Von Behörden befinden sich dort: ein Landgericht, ein Hauptsteueramt und eine Oberförsterei. Unter den Schulen nimmt die Universität den ersten Rang ein.
Dieselbe besitzt eine
Bibliothek von über 120,000
Bänden, ein mathematisch-physikalisches
Institut mit
Sternwarte,
[* 5] ein mineralogisches
Kabinett, einen botanischen
Garten
[* 6] etc. Die Zahl der Studierenden betrug im Sommersemester 1887: 1009. Sonst befinden
sich in Marburg
ein
Gymnasium, ein
Realprogymnasium, eine landwirtschaftliche Winterschule, ein Landkrankenhaus,
ein Waisenhaus etc. Unter den durch Naturschönheit ausgezeichneten
Umgebungen verdienen namentlich
der
Frauenberg, der Dammelsberg, Augustenruhe, der St. Elisabethbrunnen bei Schröck und das Dorf
Marbach mit einer vielbesuchten
Kaltwasserheilanstalt sowie die schönen
Anlagen der Spiegelslust Erwähnung. - Zum Landgerichtsbezirk Marburg
gehören die 20
Amtsgerichte
zu
Amöneburg,
Battenberg,
Biedenkopf,
Borken,
Frankenberg,
Fronhausen,
Gladenbach,
Homberg,
Jesberg,
Kirchhain, Marburg
,
Neukirchen,
Neustadt,
[* 7] Oberaula,
Rauschenberg,
Rosenthal,
Treysa,
Vöhl,
Wetter
[* 8] und
Ziegenhain.
Deutsche Altertümer -

* 9
Deutsche. Der
Name der Stadt Marburg
kommt urkundlich zu Anfang des 13. Jahrh. vor.
Landgraf
Ludwig der
Heilige von
Thüringen erteilte ihr 1227
Stadtrechte,
und nach dem
Tode dieses
Fürsten wurde Marburg
zum
Wittum für seine
Witwe
Elisabeth bestimmt, die nächst der
Lahn, am nordöstlichen
Fuß des Schloßbergs, ein
Hospital erbaute (s.
Elisabeth 14). Ihr
Grab, über dem der Deutsche
[* 9]
Orden
[* 10] 1235-83
eine schöne
Kirche erbaute, ward bald ein vielbesuchter Wallfahrtsort.
Schon beim Erlöschen des thüringischen Mannsstammes
(1247) war Marburg
die zweite Stadt
Hessens, die
Burg aber wurde seitdem die mit
Kassel wechselnde
Residenz der hessischen
Landgrafen.
Hier schloß König
Ruprecht mit den
Herzögen von
Braunschweig-Lüneburg und dem
Landgrafen von
Hessen
[* 11] einen
Bund gegen
den
Erzbischof
Johann von
Mainz.
[* 12]
Landgraf
Philipp der Großmütige stiftete 1527 die
Hochschule, die erste
protestantische, und berief die bedeutendsten
Reformatoren der lutherischen und reformierten
Kirche,
Luther und
Melanchthon,
Zwingli und
Ökolampadius, 1529 zu einem
Religionsgespräch nach Marburg.
Man disputierte vom 1.-4. Okt. über die
Lehre
[* 13] vom
Abendmahl,
gelangte zwar nicht zur Einigung, doch unterschrieben auch die reformierten Theologen die von
Luther formulierten 15
Artikel
(Marburger
Artikel) über die gemeinsamen reformatorischen
Grundanschauungen (vgl.
Schmitt, Das
Religionsgespräch zu Marburg
, Marb.
1840;
Schirrmacher,
Briefe und
Akten zu der Geschichte des Marburger
Religionsgesprächs, Gotha
[* 14] 1876). Unter dem
Landgrafen
Ludwig
IV. (1567-1604) war Marburg
der Sitz einer hessischen Seitenlinie; nach längerm Streit zwischen den
beiden hessischen Hauptlinien ging es 1648 durch den
Vergleich von
Kassel an
Hessen-Kassel über. Im Dreißigjährigen
Krieg
ward das
Schloß 1647 durch den hessen-kasselschen
Oberstleutnant
Stauf gegen die Kaiserlichen unter dem
Grafen Holzapfel erfolgreich
verteidigt. Im Siebenjährigen
Krieg wurde die Stadt im Juli 1758 von den
Franzosen besetzt.
Zwar mußte die
Besatzung sich einem Belagerungsheer der Verbündeten ergeben, aber schon fiel
Marburg
von neuem in die
Hände der
Franzosen. Vergeblich versuchten die Verbündeten in der
Nacht vom 14.-15. Febr. 1761 eine Überrumpelung,
ebensowenig glückten zwei Belagerungen, die im nächsten
Monat und Ende
August 1762 vorgenommen wurden.
Ende
Dezember 1806 war Marburg
Schauplatz einer
Erhebung der hessischen
Bauern gegen die
Franzosen, doch wurden jene bald zerstreut.
Ein neuer, von dem greisen Oberst
Emmerich
[* 15] geleiteter
Aufstand hatte denselben Erfolg;
Emmerich selbst ward in
Kassel
erschossen.
Schon unter
Landgraf
Friedrich II. waren die städtischen
Befestigungen von Marburg
geschleift worden; 1810 und 1811 wurden
nun auch die
Befestigungen des
Schlosses von den
Marcantonio - Marcelli

* 17
Seite 11.220.
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 16] von Marburg.]
¶
mehr
Franzosen gesprengt.
Vgl. Kolbe, Die Einführung der Reformation in Marburg
(Marb. 1871);
Derselbe, Die Kirche der heil. Elisabeth zu Marburg (2. Aufl., das. 1882);
Justi, Geschichte der Universität Marburg (das. 1827);
Dithmar, Aus der Vorzeit Marburgs und seiner Umgegend (das. 1872);
Kolbe, Die Sehenswürdigkeiten Marburgs (das. 1884).
2) Stadt in Steiermark, [* 18] 274 m ü. M., am linken Ufer der schiffbaren Drau und an der Südbahnlinie Wien-Triest, von welcher hier die Linie nach Kärnten und Tirol [* 19] abzweigt, ist freundlich gebaut, hat mehrere Plätze, 2 Brücken, eine 1548 erbaute Kathedrale, ein Kasino mit Theater, [* 20] einen Stadtpark mit den Denkmälern Kaiser Josephs II., des Erzherzogs Johann und des in Marburg gebornen Vizeadmirals Tegetthoff und 1880 mit Militär (1604 Mann) 17,628 Einw. vorwiegend deutscher Nationalität (die Umgebung hat meist slowenische Bewohner). An Industrieetablissements besitzt die lebhaft aufblühende Stadt mehrere Leder- und Schuhwarenfabriken, Dampfmühlen, Bindereien, Kaffeesurrogat- und Likörfabriken, Bierbrauereien, eine Champagnerfabrik, eine Gasanstalt und große Werkstätten der Südbahn.
Holywood - Holz

* 21
Holz.In der Umgebung befinden sich mehrere Glasfabriken. Von großer Bedeutung ist auch der Handel, namentlich mit dem in der Umgegend stark angebauten Wein, mit Holz [* 21] und den Industrieprodukten. An Kreditinstituten besitzt eine Eskomptebank und eine Sparkasse (6 Mill. Gulden Einlagen). ist der Sitz einer Bezirkshauptmannschaft (für die Umgebung; Marburg selbst ist Stadt mit eignem Statut), zweier Bezirksgerichte, einer Finanzbezirksdirektion sowie des Fürstbischofs von Lavant und hat ein Obergymnasium, eine Oberrealschule, eine theologische Diözesanlehranstalt, Lehrerbildungsanstalt, Wein- und Obstbauschule, ein öffentliches Krankenhaus, [* 22] ein Militärspital und ein Bürgerversorgungshaus. Das Schloß Obermarburg, welches nördlich der Stadt auf einem Bergkegel stand, ist ganz zerstört. Westlich von Marburg liegt das Dorf Maria Rast, mit besuchter Wallfahrtskirche, Fundort bedeutender römischer Altertümer. 1480 und 1481 wurde Marburg von Matthias Corvinus vergeblich belagert.