Malaiisch
-polynesische
Sprachen. Sie bilden einen außerordentlich weitverzweigten Sprachstamm,
[* 2] der über die ganze
Inselwelt des
Stillen
Ozeans verbreitet ist und von der
Osterinsel im
Stillen
Ozean bis zur
Insel
Madagaskar
[* 3] in
Ostafrika reicht. Er zerfällt nach
Fr.
Müller in die drei
Gruppen der malaiischen
, melanesischen und polynesischen
Sprachen.
Die malaiischen
Sprachen (s.
Malaien) herrschen auf der
Halbinsel
Malakka, auf
Java,
Borneo,
Celebes,
Sumatra, den
Philippinen,
Molukken,
Marianen,
Formosa und andern
Inseln des
Indischen Archipels und der
Südsee sowie auf der
Insel
Madagaskar.
An sie schließen sich im
Osten die melanesischen
Sprachen, die nach
Fr.
Müller von den
Palauinseln (Westkarolinen) und dem
Marshall-Archipel
im Nordwesten bis zu den
Neuen Hebriden und
Viti
(Fidschi) im Südosten reichen.
Noch weiter östlich dehnen
sich die polynesischen
Sprachen in südnördlicher
Richtung und zwar von
Neuseeland bis nach
Hawai
[* 4] aus.
Ihre Verwandtschaftsverhältnisse
veranschaulicht Whitmee, der beste lebende Kenner der polynesischen
Sprachen, durch folgenden
Stammbaum:
^[img Polynesische
Grundsprache]
Grammatisch und nach ihrem Lautsystem betrachtet, bieten nach
Fr.
Müller die drei
Gruppen dieses Sprachstammes
das
Bild einer aufsteigenden
Entwickelung dar: die polynesischen
»Partikelsprachen«
kennen die
Laute g, d, b nicht, lassen alle
Wörter auf einen
Vokal ausgehen und drücken alle grammatischen Beziehungen nur durch lose angehängte
Partikeln aus;
die melanesischen Sprachen haben einschließlich einiger Doppelkonsonanten nur sechs oder sieben Konsonanten mehr, welche sie auch am Schluß der Wörter verwenden können, und besitzen angehängte Possessivpronomina;
die malaiischen
Sprachen haben
einen reich entwickelten Konsonantismus und eine
Menge Präfixe sowie einige
Suffixe und
Infixe zum
Ausdruck grammatischer Beziehungen,
obschon es ihnen, wie vielen niedriger organisierten
Sprachen, an einem eigentlichen Verbalausdruck fehlt.
Übrigens könnte
man auch umgekehrt annehmen, daß die malaiischen
Sprachen den ursprünglichen
Typus darstellen, der in
den laut- und formenärmern melanesischen und polynesischen
Sprachen entartet wäre. Jedenfalls sind die
Sprachen gerade wie
der unverkennbar gemischte Rassentypus der Melanesier durch die
Papua stark
beeinflußt und alteriert worden. Einige der malaiischen
Sprachen, namentlich das
Malaiische im engern
Sinn und das
Javanische, haben einen starken Prozentsatz von
Sanskritwörtern
in sich aufgenommen.
Ein paar dieser
Wörter finden sich auch in der
Sprache
[* 5] von
Madagaskar und geben somit einen
Anhalt
[* 6] für die Zeit der Verbreitung
der
Malaio-Polynesier nach
Westen hin ab, da die Verpflanzung der indischen
Kultur nach dem
Indischen Archipel
schwerlich früher gesetzt werden kann als in die ersten
Jahrhunderte
n. Chr.
Alte Schriftsprachen
, die entweder mit dem arabischen
oder mit
Ableitungen aus den alten indischen
Alphabeten geschrieben werden, finden sich nur innerhalb der malaiischen
Gruppe.
Volksmärchen und Nationalgesänge der
Polynesier sind neuerdings von
Gill (»Myths and songs from the
Pacific«,
mit Vorrede von
Max
Müller, Lond. 1876) gesammelt worden.
Whitmee ist mit der Herausgabe eines vergleichenden
Wörterbuchs der polynesischen
Sprachen beschäftigt, auch besorgte er
eine neue
Ausgabe von Pratts
»Samoan grammar« (Lond. 1878).
Vgl. W. v. Humboldt, Über die Kawisprache auf der Insel Java, Bd. 3 (Berl. 1838);
v. d. Gabelentz, Die melanesischen Sprachen (in »Abhandlungen der Königlich [* 7] sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften« 1860-73);
Fr. Müller, Grundriß der Sprachwissenschaft, Bd. 2 (Wien [* 8] 1879 ff.).