Letztere Stadt ist in das Befestigungssystem mit eingeschlossen. Im allgemeinen ist eine gut gebaute Stadt mit sehr günstigen
Gesundheitsverhältnissen. Der älteste und unregelmäßigste Stadtteil, das sogen.
Kästrich, woselbst die aussichtsreiche Mathildenterrasse, wurde durch eine furchtbare Pulverexplosion größtenteils
zerstört u. seitdem in moderner
Weise wieder aufgebaut. Ein ganz neuer, eleganter Stadtteil ist die
Neustadt,
[* 14] im N. der Stadt,
wozu seit 1874 der Platz durch Hinausschiebung der Festungswerke gewonnen wurde.
Unter denPlätzen sind bemerkenswert: der Schloßplatz, geziert mit einer
BildsäuleSchillers (von
dem
MainzerKünstlerScholl), der Tritonplatz mit einer
Fontäne, der Gutenbergplatz mit der bronzenen
Statue des Erfinders der
Buchdruckerkunst
(von
Thorwaldsen) und der Bahnhofsplatz. Von
Straßen sind hervorzuheben: die Rheinstraße, in geringer
Entfernung vom
Rhein
hinlaufend, die Wallstraße, die Ludwigsstraße, die Augustinergasse, namentlich aber der in der
Neustadt
befindliche 60 m breite und mit gärtnerischen
Anlagen geschmückte
Boulevard.
Unter den kirchlichen Gebäuden (9 kath.
Kirchen nebst 3
Kapellen, 1 evang.
Kirche und 2
Synagogen) steht der
Dom obenan. Derselbe,
978-1009 zum erstenmal erbaut, dann dreimal durch Feuersbrunst zerstört, in seiner jetzigen Form im 13. und 14. Jahrh.
aufgeführt, ist ein imposantes, kunsthistorisch sehr interessantes Gebäude mit sechs
Türmen, deren höchster 82 m hoch
ist (s. Tafel
»Baukunst
[* 15] IX«,
[* 16] Fig. 6 und 7). Das
Innere wird von 56 hohen
Säulen
[* 17] gestützt und enthält zahlreiche
Denkmäler
und Kunstschätze, namentlich zwei schöne eherne Thorflügel aus dem 10. Jahrh.,
ein metallenes Taufbecken von 1328, das Denkmal der
Fastrada (der dritten Gemahlin
Karls d. Gr.) und die zum Teil prachtvollen
Monumente mehrerer
Erzbischöfe vom 13. Jahrh. an bis zur Neuzeit.
In dem anstoßenden
Kreuzgang ist unter andern
Monumenten das des
MinnesängersFrauenlob (gest. 1318), dem 1842 noch
ein andres, ein Werk
Schwanthalers, errichtet ward, das sehenswerteste. Bei der Belagerung von 1793 und durch die nachherige
Verwandlung in ein
Magazin hat der
Dom sehr gelitten, und erst in der Neuzeit (seit 1822)
ist er unter Leitung
Mollers restauriert
worden. Der östliche Pfarrturm erhielt eine gotische
Kuppel, und andre Teile des
Doms wurden wiederhergestellt.
In denJahren 1870-78, unter der Leitung der Dombaumeister Wessiken und (seit 1873)
Cuypers aus
Amsterdam,
[* 18] wurde insbesondere
der
Pfeilerbau, welcher das Ostchor vom
Schiff
[* 19] trennte, herausgenommen und das
Schiff in seiner ganzen imposanten
Länge wiederhergestellt.
Der gotische Kuppelturm wurde abgetragen und an seiner
Stelle der Mittelturm im romanischen
Stil wieder
aufgebaut; die
Krypte unter dem Ostchor wurde ausgebaut und die beiden östlichen Stiegentürme erneuert.
Das Mittelschiff und die
Kuppel des Westchors sind mit Wandgemälden nach
VeitsEntwürfen geschmückt; das Ostchor harrt noch
seines innern
Ausbaues und
Schmuckes. Bemerkenswert sind noch: die Ignatiuskirche mit schönem
Portal;
Schneider, Der
Dom zu Mainz (Berl. 1886, mit 10 Tafeln).
Andre hervorragende Gebäude sind: das großherzogliche
Schloß, früher dem
DeutschenOrden
[* 20] gehörig, im Anfang des 18. Jahrh.
erbaut; das aus rotem
Sandstein aufgeführte ehemalige kurfürstliche
Schloß, bis 1886 zum Teil als
Lagerhaus
des
Freihafens dienend, enthält die reichen Sammlungen der Stadt: die Stadtbibliothek (150,000
Bände) mit
Münzkabinett, die
bedeutende
Gemäldegalerie, das Altertumsmuseum, das römisch-germanische Zen-
Ganz
neu sind: die Stadthalle, ein prächtiger Renaissancebau für Festlichkeiten;
das großartige Administrationsgebäude
der Hessischen Ludwigsbahn, der mit reichem ornamentalen Schmuck gezierte Zentralbahnhof, das Lagerhaus am neuen Hafen und die
Reichs-Konservenfabrik für die Verpflegung des deutschen Heers etc.
Die großartigen Hafenbauten und Niederlagsräume im N. der Stadt sind mit einem Kostenaufwand von 5 Mill. Mk.
hergestellt und 1887 dem Verkehr übergeben. Ein zweiter Hafen, der Hessischen Ludwigsbahn gehörig, ist Mainz gegenüber, an der
Mainmündung bei Gustavsburg, erbaut worden. Ein besonderer Hafen dient zur Flößerei. In Mainz kamen 1885 an: 7887 Schiffe
[* 29] (darunter 3930 Dampfschiffe) und 1032 Flöße mit 181,276 Ton. Ladung;
Besondere Erwähnung verdient der AltertumsforschendeVerein, dessen im Besitz der Stadt befindliches Museum von Originalfunden
in Verbindung mit dem römisch-germanischen Zentralmuseum unter der Leitung vonL.Lindenschmit (s. d.) eine Sammlung bildet;
wie sie auch nur annähernd in ganz Europa
[* 30] nicht mehr existiert (1886 gegen 10,000 Nummern.
Von sonstigen Anstalten sind zu erwähnen: die Industriehalle, ein Waisen- und ein Invalidenhaus, eine Entbindungsanstalt,
ein Korrektions- und Arresthaus, viele gemeinnützige Vereine etc. Die städtischen Behörden setzen sich zusammen aus 4 Magistratsmitgliedern
und 42 Stadtverordneten. Sonst ist Mainz Sitz eines katholischen Bischofs und eines Domkapitels, der evangelischen
Superintendentur für die ProvinzRheinhessen, der Provinzialbehörden, der Direktion der Hessischen Ludwigsbahn, eines Landgerichts,
eines Hauptsteueramts, eines Forstamts, einer Oberförsterei etc. Von militärischen Behörden
befinden sich dort: der Gouverneur der Festung
[* 31] Mainz, der Stab
[* 32] der 2. Fußartillerie-, der 4. Ingenieur-, der 5. Festungs-
und der 2. Pionier-Inspektion, der 41. Infanterie- und 3. Fußartillerie-Brigade. Die Umgebung von Mainz zieren schöne Promenaden,
an die sich beim Neuthor die »neue Anlage« anschließt. Einen prächtigen Spaziergang bildet namentlich der 100 m breite Rheinkai,
der sich von der Eisenbahnbrücke etwa 7 km bis zur IngelheimerAue am Rhein entlang erstreckt. Außerhalb
des Gauthors, bei Zahlbach, sind die Überreste einer ehemals etwa 6 km langen römischen Wasserleitung
[* 33] sehenswert.
Die umfangreichen und starken Festungswerke, welche seit den Befreiungskriegen sehr in Verfall geraten waren, wurden auf Bundeskosten
wiederhergestellt. Sie bestanden bis zum Umbau der Festung seit 1871 aus 13 Bastionen, einem Kronenwerk
an der Südseite und einer in die Umwallung eingefügten Citadelle, welche ein bastioniertes Viereck
[* 34] bildet, und in welcher
der sogen. Eigelstein steht, wahrscheinlich das Grabmal des Drusus, ein jetzt noch etwa 15 m hoher Turm
[* 35] mit einem Durchmesser
von 8 m, von dessen Spitze sich der schönste Überblick über und die Umgegend darbietet.
Auf der Mainspitze stehen rechts und links von der Eisenbahnbrücke an der Mainmündung zwei Kasemattenforts, welche den Main,
den Rhein und die ganze obere Gegend bestreichen. Ein ähnlicher Bau, gleichfalls nach 1870 verstärkt,
befindet sich auf der Rheininsel Petersau. Von weitern Anlagen ist das Fort Biehler bei Erbenheim zu nennen. Die südwestliche
Enceinte erstreckt sich in ziemlich gerader Linie auf der Anhöhe vom Hauptstein bis zum Hartenberg längs der Wallstraße
und fällt dort im rechten Winkel
[* 37] zum Rhein ab. Der Abschluß der Festung gegen den Strom, früher durch eine etwa 4 km lange
Mauer bewerkstelligt, wird jetzt durch eiserne Palissadengitter mit Sandsteinsockel hergestellt. Die Thore nach dem Rhein sind
in geschmackvoller Form hergestellt und mit Skulpturen, Figuren und Emblemen geschmückt. - Zum Landgerichtsbezirk
Mainz gehören die elf Amtsgerichte zu Alzey, Bingen,
[* 38] Mainz, Niederolm, Oberingelheim, Oppenheim, Osthofen, Pfeddersheim, Wöllstein, Worms
[* 39] und Wörrstadt.
[Geschichte.]
Auf der Stelle, wo jetzt Mainz liegt, hatten zuerst die Kelten eine Niederlassung
¶
In der Mitte des 4. Jahrh. eroberten die Alemannen, 406 die Vandalen, 451 die Hunnen die Stadt; letztere legten sie
völlig in Asche. Nach der Sage soll der fränkische König Dagobert (622-638) die Stadt und einen Palast darin wieder erbaut
haben. Mit mehr Grund wird der Bau der Stadtmauer auf Bischof Siegbert (712) zurückgeführt. Unter den Karolingern stand hier
ein königlicher Palast, der schon 766 erwähnt wird. Der vonErzbischofWilligis erbaute Dom brannte am Tag
der Einweihung (1009) ab, der neue wurde von Bardo vollendet und 1037 geweiht.
Bemerkenswert ist die Empörung der Stadt 1159 gegen den ErzbischofArnold, der dabei 1160 auf gräßliche Weise ermordet wurde.
FriedrichBarbarossa hielt ein strenges Strafgericht über und zerstörte seine Mauern. Dieselben wurden
erst 1200 wieder errichtet. Unter den fränkischen und staufischen Kaisern wurden in Mainz wiederholt Reichstage und Kirchenversammlungen
gehalten. Die Stadt stand anfangs unter der Herrschaft des Erzbischofs, der seit dem 11. Jahrh. den Burggrafen bestellte.
Nach dem Eingehen dieses Amtes (1221) erlangte die Stadt 1244 die Reichsunmittelbarkeit, welche aber von
den Erzbischöfen wiederholt angefochten wurde. Nunmehr tritt neben Kämmerern, Schultheiß und Schöffen auch ein Ratskollegium
in Mainz hervor. Daselbst wurde 1254 der rheinische Städtebund geschlossen. Auch an dem noch größern Bund von 1381 hat sich
die Stadt beteiligt. Um 1440 ward in Mainz von Gutenberg die Buchdruckerkunst erfunden. Während im 14. Jahrh.
die Einwohnerzahl von Mainz auf 90,000 Menschen geschätzt werden darf, macht sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. ein
bedeutender Rückgang bemerklich, obgleich 1476 daselbst eine Universität errichtet wurde.
In dem Streit zwischen dem abgesetzten KurfürstenDietrich II. von Isenburg und seinem Nebenbuhler Adolf II.
von Nassau verlor Mainz 1462, von letzterm erobert, seine Privilegien und wurde eine erzbischöfliche Stadt, was König
Maximilian 1486 bestätigte. In denZeiten der kirchlichen Unruhen des 16. Jahrh. und des Dreißigjährigen Kriegs ward Mainz 1552 von
dem MarkgrafenAlbrecht vonBrandenburg-Kulmbach, 1631 vom Schwedenkönig GustavAdolf besetzt. Dieser ließ
die Gustavsburg auf dem rechten Rheinufer an der Mündung des Mains in den Rhein anlegen und die Festungswerke, die schon seit
dem 13. Jahrh. bestanden, erweitern. Unter KurfürstJohannPhilipp wurde Mainz 1635 von den Schweden
[* 43] geräumt; aber KurfürstAnselmFranz übergab die Stadt den Franzosen (1688), und erst 1689 wurde sie durch das Reichsheer wieder befreit.
Im 18. Jahrh. erholte sich die Stadt wieder so weit, daß ihre Bevölkerung
[* 44] um 1780 auf 32,000 Einw. stieg; doch während
der französischen Okkupation verminderte sie sich um 10,000 Einw. Am erschien der französische
GeneralCustinevor der Stadt und zwang sie schon am 21. zur Kapitulation. Ein Koalitionsheer unter GeneralKalckreuth schloß sie ein, und 23. Juli erfolgte die Übergabe. Ein zweiter
Angriff der Franzosen (1794) wurde von den
Österreichern abgeschlagen, und Mainz blieb von diesen bis 1797 besetzt, wurde jedoch 29. Dez. wieder von den
Franzosen eingenommen und im Frieden zu Lüneville 1801 an Frankreich abgetreten. Am 2. und begann die Einschließung
der Stadt durch die Alliierten.
Nach mehreren seit März 1848 vorausgegangenen Aufläufen veranlaßte 21. Mai d. J. ein blutiger Straßenkampf
zwischen den Bürgern und dem preußischen Militär die Erklärung des Belagerungszustands, der jedoch schon 24. Mai wieder aufgehoben
wurde. Durch die Explosion eines Pulverturms auf dem alten Kästrich wurde dieser Stadtteil fast völlig zerstört.
Vor Ausbruch des Kriegs von 1866 verließen die österreichischen und preußischen Bundestruppen zufolge eines Bundestagsbeschlusses
die Stadt, und es wurde dieselbe von Teilen des 8. Bundesarmeekorps unter PrinzLudwig vonHessen
[* 45] besetzt. Am 26. Aug. zogen aber
die Preußen wieder ein, und durch den Frieden erhielt Preußen das alleinige Besatzungsrecht.