Titel
Magnetismus
[* 2] (griech.).
Manche
Stücke des natürlich vorkommenden
Eisenoxyduloxyds (Magneteisensteins) besitzen die
Eigenschaft,
Eisenteilchen anzuziehen und festzuhalten. Man nennt diese
Eigenschaft und ein
Stück jenes
Eisenerzes, welches sie besitzt,
heißt ein natürlicher
Magnet. Durch Berührung oder
Bestreichen mit einem natürlichen
Magnet kann man den
Magnetismus
vorübergehend auf
Eisen
[* 3] und dauernd auf
Stahl
übertragen und letztern dadurch zu einem künstlichen
Magnet machen.
Bestreut man einen magnetisierten Stahlstab (Magnetstab) mit Eisenfeile, so bleibt dieselbe,
Bärte bildend, vorzugsweise
an seinen beiden
Enden hängen, während gegen die Mitte zu immer weniger und in der Mitte selbst gar keine
Eisenfeile haftet; die beiden
Enden, an welchen sich die
Anziehung am kräftigsten äußert, werden die
Pole, die Mitte, wo
keine
Anziehung stattfindet wird der
Äquator oder die indifferente
Stelle
(Indifferenzpunkt) des
Magnets genannt; die Verbindungslinie
der beiden
Pole heißt seine magnetische
Achse.
Wird ein Magnetstab in seiner Mitte an einem Kokonfaden aufgehängt, so daß er sich in horizontaler Ebene drehen kann, so stellt sich seine Achse, vermöge einer Einwirkung, welche die Erde als Ganzes auf ihn ausübt, in eine Richtung ein, welche von der Südnordrichtung nur wenig abweicht; derjenige seiner Pole, welcher sich stets nach Norden [* 4] wendet, heißt deshalb der Nordpol, der entgegengesetzte der Südpol. Nähert man den Nordpol eines in der Hand [* 5] gehaltenen dem Nordpol eines aufgehängten Magnets, so wird der letztere abgestoßen; ebenso stößt der Südpol des Handmagnets den Südpol des aufgehängten ab. Dagegen wird der Südpol des aufgehängten vom Nordpol des Handmagnets und ebenso der Nordpol des erstern vom Südpol des letztern angezogen. Es ergibt sich also das Gesetz: gleichnamige Pole stoßen sich ab, ungleichnamige ziehen sich an. Bricht man einen Magnetstab mitten entzwei, so bildet jedes Bruchstück wieder einen vollständigen Magnet mit zwei gleich starken Polen, indem an der Trennungsstelle zwei neue Pole entstehen, von denen jeder dem bereits vorhandenen Pol des entsprechenden Bruchstücks entgegengesetzt ist; wie weit man diese Teilung auch fortsetzen mag, jedes noch so kleine Bruchstück eines Magnets erweist sich wieder als vollständiger Magnet.
Dieses Verhalten führt zu der
Annahme, daß jedes kleinste Teilchen oder
Molekül eines
Magnets selbst schon ein
Magnet mit
zwei entgegengesetzten
Polen, ein sogen. Molekularmagnet, sei. Diese
Annahme enthält keinen
Widerspruch gegen die
Thatsache,
daß die magnetische
Wirkung nur an den
Enden eines Magnetstabs sich offenbart, sondern gibt davon in befriedigender
Weise Rechenschaft.
Denkt man sich nämlich der Einfachheit wegen, ein dünnes Magnetstäbchen bestehe aus einer einzigen
Reihe von
Molekularmagneten, deren
Achsen alle in derselben geraden
Linie liegen, und deren gleichnamige
Pole alle nach derselben Seite
gewendet sind, so werden überall auf der ganzen
Länge des
Stabes zwei entgegengesetzte
Pole der benachbarten Molekularmagnete
zusammenstoßen, deren anziehende u. abstoßende
Wirkungen sich nach außen hin gegenseitig aufheben; nur an den beiden
Enden des
Stabes werden die freien
Pole der letzten
Moleküle wirksam bleiben.
Influenz, Koerzitivkraft, Anker.
Nähert man den
Nordpol eines
Magnets einem
Stück weichen
Eisens, so wird dasselbe sofort selbst zu einem
Magnet, indem es an
seinem nähern Ende einen
Südpol, am entferntern einen
Nordpol bekommt, und vermag jetzt selbst wieder
ein zweites, dieses ein drittes etc. Eisenstückchen anzuziehen und zutragen. Das
Eisen wird vom
Magnet ebendarum angezogen,
weil es unter seinem Einfluß
(Influenz) selbst zu einem
Magnet wird, welcher dem genäherten Magnetpol seinen ungleichnamigen
Pol zuwendet. Der Magnetismus
des weichen
Eisens verschwindet wieder, und die von
¶
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ihm getragenen Eisenstückchen fallen sofort ab, wenn der influenzierende Magnetpol entfernt wird, oder überhaupt, sobald
die magnetisierende Kraft
[* 7] aufhört. Anders verhält sich der Stahl: er wird nicht so leicht magnetisch;
ist er es aber durch
anhaltende Einwirkung eines Magnets geworden, so bleibt er magnetisch
, auch wenn er von diesem getrennt
wird. Die Kraft, mit welcher der Stahl der Magnetisierung widersteht, und welche ihn auch verhindert, den einmal angenommenen
Magnetismus
wieder zu verlieren, heißt die Koerzitivkraft. Am größten ist die Koerzitivkraft des härtesten und sprödesten Stahls,
beim Anlassen nimmt sie ab und wird durch Erhitzung bis zur Rotglut und allmähliche Abkühlung so gering
wie beim weichen Eisen. Graues Gußeisen, welches hell rotglühend gemacht und dann abgelöscht wird, gewinnt dadurch eine bedeutende
Koerzitivkraft.
Um die Erscheinungen der magnetischen
Influenz zu erklären, nehmen wir an, daß auch jedes unmagnetische
Eisen- oder Stahlstück
aus bereits fertig gebildeten Molekularmagnetchen bestehe, welche jedoch derart regellos gelagert sind,
daß nach jeder Richtung ebenso viele Nord- wie Südpole sich wenden und deshalb ihre anziehenden und abstoßenden Wirkungen
gegenseitig aufheben. Bei Annäherung eines Magnetpols drehen sich nun die Molekularmagnete so, daß sie ihre ungleichnamigen
Pole dem influenzierenden Magnetpol zuwenden, und ebendadurch wird das Eisen- oder Stahlstück magnetisch.
Während im Stahl die Moleküle der Drehung einen großen Widerstand (Koerzitivkraft) entgegensetzen, dagegen
aber auch die neue Lage ebenso hartnäckig behaupten, kehren die Moleküle des Eisens, nachdem die magnetisierende Kraft aufgehört
hat, ebenso leicht wieder in ihre frühere Lage zurück, wie sie dieselbe verlassen haben. Jedes Eisen- oder Stahlstück kann
nur bis zu einem gewissen Grad, bis zur Sättigung, magnetisch
gemacht werden, welche dann eintritt, wenn
die Drehung sämtlicher Molekularmagnete erreicht ist.
Die gebräuchlichsten Formen der Stahlmagnete sind: der geradlinige Magnetstab, die Magnetnadel, ein dünnes Magnetstäbchen, welches gewöhnlich die Form einer langgestreckten Raute hat und in der Mitte mit einem Hütchen aus Achat [* 8] oder Stahl versehen ist, welches auf eine Stahlspitze aufgesetzt werden kann [* 2] (Fig. 1);
ferner der Hufeisenmagnet, dessen Pole, um sie gleichzeitig wirken lassen zu können, nebeneinander liegen. An die Pole wird ein Stück weiches Eisen, der Anker [* 9] (die Armatur m m, [* 2] Fig. 2), gelegt, welches selbst zu einem Magnet wird, der an den Polen des Hufeisenmagnets mit seinen ungleichnamigen Polen anliegt;
da zur Bildung des Südpols des Ankers nicht nur der Pol N, sondern auch der Pol S des Magnets
beiträgt, so ist die Magnetisierung des Ankers ungleich stärker, als wenn sie nur von dem einen Pol des Magnets
bewirkt worden wäre. Da jeder Pol des Ankers bestrebt ist,
nicht nur die bereits gedrehten magnetischen
Moleküle in ihrer
Richtung zu erhalten, sondern auch die noch nicht gedrehten zu richten, so ist der angelegte Anker ein Mittel, nicht nur eine
Schwächung des Magnets zu verhindern, sondern sogar eine allmähliche Kräftigung nicht gesättigter Magnete
zu erzielen. Um denselben Vorteil auch bei Magnetstäben zu erreichen, legt man zwei gleiche Stäbe parallel so nebeneinander,
daß der Südpol des einen nach derselben Seite gekehrt ist wie der Nordpol des andern, und verbindet ihre Enden durch zwei
weiche Eisenstücke derart, daß sie mit den Stäben ein Rechteck bilden. Um stärkere Wirkungen zu erzielen,
als durch einzelne Stäbe oder Hufeisen
[* 10] möglich ist, vereinigt man mehrere vorher magnetisierte Stahllamellen zu einem magnetischen
Magazin
[* 2]
(Fig. 2), indem man sie so aufeinander schichtet, daß ihre gleichnamigen Pole aufeinander zu liegen kommen, und sie
durch Schrauben
[* 11] in dieser Lage befestigt.
Tragkraft. Strichmethoden.
Um die Tragkraft eines Hufeisenmagnets zu erproben, hängt man ihn an seiner Biegung auf und belastet den Anker mit Gewichten. Infolge der Influenz, welche beide Pole des Magnets auf den Anker ausüben, vermag ein Hufeisenmagnet weit mehr zu tragen als das Doppelte von dem, was ein Pol für sich tragen würde. Die Tragkraft wächst jedoch keineswegs im nämlichen Verhältnis wie die Masse eines Magnets, sondern ist nach Hacker der Kubikwurzel aus dem Quadrat seines Gewichts proportional. Ein Magnet von 60 g trägt das 25fache seines Gewichts, ein 100pfündiger nicht einmal das Dreifache und ein 1972pfündiger nur noch sein eignes Gewicht. Durch Abreißen des Ankers wird die Tragkraft bedeutend geschwächt, und nach öfterm Abreißen bleibt nur ein Anteil, die konstante Tragkraft, zurück, welche aber durch Stoßen, Fallenlassen etc. ebenfalls noch bedeutend geschwächt werden kann.
Wegen der großen Koerzitivkraft des Stahls reicht die bloße Berührung mit einem Magnet zu seiner Magnetisierung nicht hin, sondern öfteres Bestreichen ist erforderlich, indem man z. B., in der Mitte anfangend, mit der einen Hälfte des zu magnetisierenden Stabes oder Hufeisens 10-20mal über den Nordpol, mit der andern Hälfte ebenso oft über den Südpol eines kräftigen Magnets hinstreicht; natürlich erhält die am Nordpol gestrichene Hälfte einen Südpol und umgekehrt.
Die verschiedenen künstlichen Strichmethoden, welche ersonnen wurden, um Stahlstäbe bis zur Sättigung zu magnetisieren, haben ihre Bedeutung verloren, seit man nach Entdeckung des Elektromagnetismus [* 12] (s. d.) über ungleich größere magnetisierende Kräfte als früher gebietet. Ein Stahlstab kann sehr kräftig magnetisiert werden, indem man ihn in der oben angegebenen Weise an den Polen eines Elektromagnets streicht. Man kann einen Stahlstab
[* 2] ^[Abb.: Fig. 1. Magnetnadel.]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 2. Magnetisches Magazin mit Anker.] ¶
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aber auch unmittelbar mit Hilfe des Stroms magnetisieren, indem man ihn in eine Drahtrolle steckt und ihn darin, während der Strom durch den Draht [* 14] fließt, einigemal hin- und herzieht, endlich aber, wenn der Stab [* 15] sich gerade wieder mit seinem mittlern Teil in der Rolle befindet, den Strom öffnet und den Stab herausnimmt. Wenn die Magnetisierung nicht richtig ausgeführt wird, bekommt der Magnet nicht bloß an seinen Enden, sondern auch an beliebigen Zwischenpunkten Pole, welche man Folgepunkte nennt.
Astasie, Erdmagnetismus
, Deklination.
Hängt man in einiger Entfernung über einer Magnetnadel, welche sich unter dem Einfluß der Erde in die Südnordrichtung eingestellt hat, einen Magnetstab auf, so wird sich derselbe zur Nadel parallel stellen, und beide, Stab und Nadel, werden mit ihren Nordpolen nach Norden weisen. Wird die Nadel aus ihrer Stellung seitlich abgezogen und dann losgelassen, so kehrt sie rasch wieder dahin zurück. Senkt man nun den Magnetstab allmählich herab, so bemerkt man, daß bei einer gewissen Höhe des Stabes über der Nadel letztere das Bestreben, sich einzustellen, verliert und, wenn sie seitwärts abgezogen wird, nicht mehr in ihre frühere Stellung zurückkehrt.
Senkt man den Magnetstab noch tiefer, so kehrt die Nadel ihre Stellung um und zeigt mit ihrem Nordpol nach Süden. Aus diesem Versuch geht hervor, daß die Wirkung der Erde auf die Magnetnadel durch einen in geeigneter Entfernung angebrachten Magnet neutralisiert werden kann. Nähert man nun von untenher der Magnetnadel einen Magnetstab, dessen Südpol nach Norden gerichtet ist, so bemerkt man, daß ihr Bestreben, sich mit dem Nordpol nach Norden zu wenden, zurückkehrt und bei einer gewissen Entfernung dieses zweiten Stabes dieselbe Größe erlangt wie bei alleiniger Wirkung der Erde. Daraus geht hervor, daß die Erdwirkung genau dieselbe ist wie die eines Magnets, dessen Nordpol nach Süden gewendet ist, und daß die Erde hinsichtlich ihrer Wirkung auf eine Magnetnadel durch einen solchen Magnet repräsentiert werden kann und demnach selbst als ein großer Magnet anzusehen ist.
Eine Magnetnadel, welche in der vorhin angegebenen Weise durch Annäherung eines Magnets mit gleichliegenden Polen der Wirkung
des Erdmagnetismus
entzogen ist, so daß sie nun jedem Impuls frei zu folgen vermag, heißt astatisch. Denselben Erfolg
erreicht man auch dadurch, daß man zwei ziemlich gleich starke Magnetnadeln
[* 13]
(Fig. 3) so übereinander befestigt, daß die
ungleichnamigen Pole übereinander liegen, und dieses astatische Nadelpaar nun frei schweben läßt.
Denkt man sich durch die magnetische
Achse einer in horizontaler Ebene drehbaren Magnetnadel
[* 13]
(Fig. 4), nachdem sich dieselbe
unter dem Einfluß des Erdmagnetismus
eingestellt hat, eine Vertikalebene (a b) gelegt, so ist diese der
magnetische Meridian; derselbe macht mit dem astronomischen Meridian (s n) des Beobachtungsorts einen Winkel,
[* 16] welchen man die
magnetische Deklination oder Abweichung nennt; die Deklination hat an verschiedenen Orten der Erdoberfläche ungleiche Werte und
ist östlich oder
[* 13] ^[Abb.: Fig. 3. Astatisches Nadelpaar.]
[* 13] ^[Abb.: Fig. 4. Deklinationsnadel.]