Viehzucht. Starke Auswanderung
nach Kalifornien. 10 Minuten südl. vom Dorf die Kirche
Madonna delle Grazie, die aus dem Mittelalter
stammt und gut erhaltene Fresken aus 1528 enthält.
Nur das
ValVerzasca im O. und einige kleine
Thäler, die sich im SW. gegen Domo d'Ossola senken, sind der
Maggia nicht tributpflichtig. Dort im SW. greift ihr Gebiet auf italienischen Boden über, wie Italien auch zu oberst im
Val Onsernone noch etwas Anteil am Gebiet der Maggia hat. Sie entspringt auf der
NO.-Seite des
Cristallina,
des bedeutendsten Gipfels in der
S.-Wand des
Val Bedretto. Die ersten kleinen Wasseradern sammeln sich im
Lago di Naret (2240
m), der somit als Quellsee der Maggia gelten kann. In raschem
Lauf und mit manchen schönen Kaskaden durcheilt sie als
Lavizzara
ihre obersten Thalstufen bis
Bignasco (435 m). Hier nimmt sie den Namen Maggia an und wird durch ihren
ersten grösseren Zufluss, die
Bavona, die ihr die Gewässer aus dem Eisrevier des
Basodino zufuhrt, verstärkt, nachdem sie
schon vorher zwei kleinere Nebenadern, die eine aus dem
Val Peccia von rechts und die andere aus
dem
Val Prato
und aus dem Gebiet des
CampoTencio von links, erhalten hat. Als schon stattlicher, leider oft auch sehr stürmisch und verheerend
auftretender Fluss durchmisst sie nun die eigentliche
Valle Maggia von
Bignasco bis zum
Ponte Brolla und nimmt unterwegs bei
Cevio die vereinigten Gewässer aus dem
Val di Campo und
Val di
Bosco auf.
Durch eine enge und tiefe Felskluft tritt sie unterhalb dem
Ponte Brolla in ihr ausgedehntes Mündungsdelta ein, das sie im
Verein mit den Gewässern aus dem
Centovalli und den Onsernonethälern angeschwemmt hat. Dieses Delta ragt in weitem
Bogen
in den
Lago Maggiore hinein und droht, dessen oberstes Stück, an dem
Locarno liegt, vom Hauptteil des
Sees abzuschneiden. Es ist eines der grössten der
Schweiz und reicht von
Locarno und
Ascona bis gegen
Intragna hinauf. Früher
teilte sich hier die Maggia in zwei Hauptarme, während sie jetzt auf eine Länge von 3 km kanalisiert
ist und ihre geschiebereichen Fluten zwischen zwei mächtigen, 150 m voneinander abstehenden Dämmen dem
See zuführt, so
dass
Locarno und
Ascona nicht mehr weiter gefährdet sind.
Die Kosten dieser Korrektionsarbeiten haben sich auf eine Summe von mehr als eine Million Franken belaufen. Ein Blick auf
die Karte zeigt, dass das Flussgebiet der Maggia sehr einseitig entwickelt ist. Die Wasserscheide gegen
den Tessin
und die
Verzasca liegt dem Flusslauf der Maggia viel näher als diejenige gegen die Tosa. Dementsprechend erhält sie
alle ihre grösseren Zuflüsse von rechts: die
Peccia,
Bavona,
Rovana (aus dem
Val di Campo und
Bosco) und
Melezza mit
der
Onsernone (oder dem
Isorno). Die
Bäche von links sind alle nur kurz. Doch mögen die aus dem
Val di
Prato, dem
Val Giumaglio
und
Val Salto wegen ihrer baumförmigen Verzweigung nach oben genannt werden. Alle diese
Bäche münden durch enge Felsschluchten
und meist mit malerischen
Wasserfällen in das Hauptthal ein. Sie führen aber auch der
¶
mehr
Maggia grosse Schuttmassen zu, am meisten wohl die Rovana, die aus einem schlimmen Abrutschungsgebiet kommt. Man berechnet
die von der Maggia in den See hinausgeführten Geschiebemassen auf 200000 m3 per Jahr (zum Vergleich: die der Reuss in den
Vierwaldstättersee auf 150000 m3 und die der Linth in den Walensee auf 60000 m3 per Jahr).
Dennoch ist die Maggia kein trüber Fluss, denn was sie an Sinkstoffen mit sich führt und bald da bald dort in ihrem eigenen
Bett und draussen im Delta und im See ablagert, ist gröberer und feinerer Gesteinsschutt, aber kein Schlamm. Die Gebirge ihres
Gebietes bestehen am Gneis und Glimmerschiefer, die wohl leicht verwittern und in Splitter zerfallen,
sich aber nicht wie die Tonschiefer anderer Gegenden in einen schwarzen, breiigen Schlamm auflösen. Daher sind die Gewässer
des Tessin
und speziell auch die Maggia samt allen ihren Zuflüssen von wunderbarer Klarheit, so dass man auch an 2-3
m tiefen Stellen jedes Steinchen auf dem Boden erkennen kann.
Hier gilt das Wort Rückert's nicht: «Der Fluss bleibt trüb, der nicht durch
einen See gegangen». Wer etwa aus dem Gebiet des Bündnerschiefers mit seinen schlammig-trüben Gewässern nach dem
Gneisgebiet des Tessin
kommt, ist erstaunt über die vollkommene Klarheit und Durchsichtigkeit der hierortigen
Gewässer, auch an Stellen, wo sie in mäandrisch gewundenem und vielarmig geteiltem Lauf über breite Schuttablagerungen dahinfliessen,
wie dies die Maggia auf der etwa 14 km langen Strecke von Avegno (dem untersten Dorf der Valle Maggia) bis Riveo tut.
Mit dieser ungetrübten Klarheit verbindet sich eine Färbung der Gewässer, wie man sie in der Schweiz
sonst nirgends findet, ein tiefes Smaragdgrün, wo sie ruhiger dahin fliessen, ein schneereines Weiss, wo sie schäumende
Stromschnellen und Wasserfälle bilden. Und wenn die südliche, italienische Sonne mit ihrem «lume acuto» da hineinleuchtet,
dann entstehen Farbeneffekte von einer Mannigfaltigkeit und einem Zauber wie sie kein Maler wiederzugeben
vermag und die man für unmöglich hält, so lange man sie nicht gesehen hat, z. B. am Ponte Brolla und bei Bignasco, aber
auch sonst an zahlreichen Stellen.
Und erst die Wasserfälle! Daran ist die Valle Maggia geradezu unerschöpflich. Von allen Seiten schäumen und wallen und
brausen und donnern sie herunter. Die
meisten sind unbenannt und in der übrigen Welt unbekannt. Und doch übertreffen sie
an Wasserfülle und Gestaltenreichtum und oft auch an malerischer Umgebung manche der berühmtesten Fälle in anderen Teilen
der Alpen. Die Maggia selber bietet in den Uebergangsschluchten von einer Thalstufe in die andere, also
bei und hinter Bignasco und Peccia und oben an den kleinern Stufen vor und hinter Fusio, herrliche Beispiele.
Die überraschende Wasserfülle all' dieser Bäche - trotz der nur geringen Gletscherentwicklung - erklärt
sich aus dem Regenreichtum und dem gewaltigen Schneefall der TessinerAlpen und speziell des Maggiagebietes, der in der Schweiz
nirgends grösser ist als hier. Durch ihre oft plötzlich und mit grosser Wucht eintretenden Hochwasser wird die im
Durchschnitt etwa 60 m3Wasser in der Sekunde führende Maggia vielfach zu einem recht gefährlichen Wildbach.
Sie wird an mehreren Punkten von schönen Eisen- oder Steinbrücken überschritten. Der Fluss war früher sehr fischreich;
es hat aber der Ertrag der vom Staate nur ungenügend überwachten Fischerei infolge der Verwendung von verbotenen
Fangmethoden und -geräten beträchtlich abgenommen.
Das Thal der Maggia, Val oder Valle Maggia genannt, mündet nw. von Locarno auf den Langensee aus. Es wird von seinen Nachbarthälern
- Val Bedretto im N., Leventina und Verzascathal im O., Val Onsernone im S. und Formazzathal im W. - durch hohe Bergketten geschieden,
als deren bedeutendste Gipfelpunkte wir den Basodino (3276 m), Cavagnoli (2864 m) und Campo Tencia (3075 m) nennen. Diese Ketten
erreichen zwar nur selten eine Gipfelhöhe von 3000 m, weisen aber trotzdem Hochalpencharakter auf. Der Höhenunterschied
zwischen der Thalsohle und der Kammlinie übersteigt oft 2000 m! Die
¶
mehr
Seitenthäler des Val Maggia sind meist recht steil geböscht und können auf eine Länge von blos 3-4 km um 1500 bis 2000 m
ansteigen. Von Pässen führen aus dem Maggiathal und seinen Seitenfurchen der Passo di Sassello (2346 m) und Passo di Naret
(2443 m) von Fusio nach dem Bedrettothal und Airolo, die Bocchetta di Val Maggia (2659 m) von Bavona zu den
Tosafällen und die Hintere Furka (2422 m) von Bosco nach dem Formazzathal.
Werfen wir noch einen Blick auf die einzelnen Thalstufen der Valle Maggia. Das Val Lavizzara, von Bignasco aufwärts, ist ein
typisches Stufenthal mit mehrfachem Wechsel von Engen und Erweiterungen, d. h. von steilem Thalstufen,
über die der Bach in Stromschnellen und Wasserfällen sich durcharbeitet, und von flacheren Thalböden mit ruhiger dahinfliessendem
Bach. Abgesehen von kleineren Stufen kann man hier drei Hauptstücke unterscheiden, die nach den darin gelegenen Ortschaften
Sambucco (1360 m; nur ein Sommerdörfchen), Fusio (1280 m) und Broglio (710 m) benannt werden.
Die Länge aller drei Stufen zusammen vom Lago di Naret (2240 m) bis Bignasco (440 m) beträgt 25 km, das Gefälle im Mittel
7,2% (bis Peccia 9% und von da abwärts 4%). Die eigentliche Valle Maggia dagegen, von Bignasco abwärts, ist von
ausgesprochen fjordartigem Typus, wie dies bei den grössern Thälern auf der S.-Seite der Alpen öfter der Fall ist, z. B.
auch beim ValVerzasca, bei den Thälern des Tessin
und der Tosa, beim Veltlin etc. Bei diesen Fjordthälern ist der Thalboden breit
und flach und steigt nur langsam aber stetig an, so hier vom Ponte Brolla (250 m) bis Bignasco auf eine
Länge von 22 km um nicht einmal ganz 200 m oder nur 0,8%. Dazu münden diese Thäler oft in einen schmalen, langgestreckten
See, der in frühern Zeiten meist weiter hinauf reichte und den einstigen wirklichen Fjord noch andeutet.
Diese Seen sind stets sehr tief: so reicht der Langensee bei einer Tiefe von 375 m mit seinem Grund weit
unter den Meeresspiegel. Die Bergwände dieser fjordartigen Thäler steigen schroff und ungewöhnlich steil, manchmal mehrere
hundert Meter hoch fast senkrecht an und sind bald kahle Felsmauern, bald mehr oder weniger bewaldet.
Erst in grösserer Höhe wird die Neigung der Bergseiten weniger steil, und dort breiten sich dann Hoch- oder Buschwälder
und Alpweiden aus.
Von hoher Terrasse grüsst da und dort eine kleine Häusergruppe oder eine weisse Kapelle herunter, und von fernher winkt,
etwa durch die Oeffnung eines Seitenthales, eine breite Felspyramide oder ein schimmerndes Schneefeld.
Unten auf der Thalsohle des Val Maggia breiten sich nicht weniger als 16 Dörfer aus, oft in Kastanienhainen versteckt und
meist an die eine oder andere Bergwand gelehnt. Die obere Thalstufe, Lavizzara im weitern Sinn, hat nur noch ein halbes Dutzend
ganz kleiner, ja zum Teil fast ausgestorbener, d. h. heute verlassener Dörfchen. Die vorherrschenden
der die Berge des Maggiagebietes aufbauenden Gesteine sind Gneis und Glimmerschiefer. Viele Funde von interessanten Mineralien
(besonders zwischen Bavona und Lavizzara): Bergkrystalle, Granate, Turmaline, Chlorite etc. Im Val Lavizzara früher Abbau von
Talkschiefern (Lavez- oder Ofensteinen).
Wie alle gegen Italien geneigten Thäler der Alpen, zeigt auch die Valle Maggia eine sehr
reiche und durch
die Mischung südlicher und alpiner Typen höchst anziehende Flora. Beim Ponte Brolla findet man noch manche echt mediterrane
Arten, wie Cistus salvifolius, Serapias longipetala, Ophioglossum vulgatum, Osmunda regalis und andere. Weinberge gehen bis
Cavergno bei Bignasco, einzelne Weinstöcke bis Broglio und ins Val Bavona. Kastanienwälder wagen sich einerseits
bis nach Peccia, andererseits bis San Carlo (im Val Bavona) hinein und erreichen dort ihre obere Grenze bei 900 m, hier bei 960 m.
Weiter thalabwärts finden sie sich überall an den untern Abhängen und bei den Dörfern, die oft nahezu
ganz darin versteckt sind.
Der Baum scheint hier so recht daheim zu sein, und man findet viele Prachtexemplare mit weitausgreifenden knorrigen Aesten
und mächtigen Stämmen von 4-5 m Durchmesser, oft auf und zwischen grünüberwachsenen Steinblöcken. Dazwischen finden
sich da und dort einzelne stattliche Eschen, häufiger aber Birken, besonders auf Geröllhalden in Nordexposition,
z. B. auf der rechten Seite des untern Val di Campo. Den Boden des Kastanienwaldes schmücken eine Menge schöner Sträucher
und Kräuter, darunter natürlich manche dem Nordländer neue, so eine rosenrote Nelke (Dianthus Seguierii), der gelbe Besenstrauch
(Sarothamnus), Cytisus nigricans (bis ob Peccia 850 m), Galium pedemontanum,Molospermum cicutarium, zahlreiche
Brombeer- und Waldrebengesträuche, aber auch dann und wann Alpenrosen und Steinbreche, selbst bis in die Gegend von Locarno
hinunter. An Kulturpflanzen stehen neben dem Weinstock obenan Mais und Maulbeerbaum, ersterer in grössern Pflanzungen und
oft zwischen und unter den Reben und selber wieder untermischt mit Flachs und Bohnen.
Die Maulbeere geht bis Broglio. Dazu kommen Feigen (bis Cavergno, verwildert noch höher), Granaten, Pfirsiche und andere südliche
Früchte. Steigt man höher hinauf ins Val Lavizzara, so trifft man mit dem rauher werdenden Klima allmählig auf nordischere
Formen. Oberhalb Peccia wird der Kastanienwald abgelöst durch ein lichtes Gehölz einer eigentümlichen
Erlenart (Alnus incana var. sericea). Dann folgen, etwa von Fusio an aufwärts, in einzelnen Exemplaren schon vorher, Lärchen
und Buchen, der Baum des kontinentalen Ostens und derjenige des ozeanischen Westens in traulichem Verein als ein Beweis einerseits
für die kräftige Insolation, andererseits für die reichlichen Niederschläge, wie man dies ausser
in den obersten Tessinthälern nur noch im vordern Prätigau und im Rhonethal zwischen Martinach und Saint Maurice findet. Damit
ist man in die subalpine Region eingetreten.
Es zeigen sich verschiedene schöne Rosen, darunter Rosapomifera in mehreren Varietäten so reichlich, dass deren getrocknete
Früchte den Schweinen gefüttert werden; dann manche Vertreter der Zentralalpen, wie Laserpitium hirsutum,Phyteuma Scheuchzeri, Erysimum helveticum, Primula viscosa, Astrantia minor, Galeopsis ladanum subsp. intermedia, Bupleurumstellatum, weiter oben bei Fusio der Germer (Veratrum), Cirsium heterophyllum, Paradisia liliastrum, Lilium martagon, Centaureajacea var. alpestris, Imperatoria obstruthium, Laserpitium latifolium, Allosurus crispus, Woodsia silvensis und viele andere
neben einigen südlichen Typen: RosaFranzonii, Chaerophyllum lucidum, Asplenum¶
Gem. Verscio und Tegna.) ^[Supplement statt Bez. Valle Maggia Gem. Monte-Carasso und Tegna.] 520 m. Kleines Dorf, auf einer Terrasse 200 m über dem rechten Ufer der Maggia, am O.-Hang des Salmone und 8 km nw. Locarno 60 kleine Häuser und Ställe.