Die Burggrafschaft umfaßte damals die burggräflichen Rechte zu Magdeburg und Halle sowie die ÄmterGommern,
Ranis, Elbenau und Grottau. Indes 1294 wurde das Burggrafentum wieder an das Erzstift verpfändet und blieb mit diesem vereinigt,
bis es 1538 KurfürstJohannFriedrich mit schweren Kosten wieder einlöste, um es zu gunsten der Evangelischen gegen Albrecht
V. geltend zu machen. Doch gab es darüber noch viele Streitigkeiten, die endlich durch den MagdeburgerPermutationsrezeß
zu Eisleben
[* 29] zwischen
dem KurfürstenAugust von Sachsen und dem Erzstift Magdeburg dahin entschieden wurden, daß das Erzstift an Kursachsen
einen großen Teil der GrafschaftMansfeld abtrat, wogegen das Kurhaus Sachsen auf das Burggrafentum verzichtete,
aber sich und seinen Nachkommen den Titel und das Wappen desselben nebst den vier oben genannten Ämtern vorbehielt.
[* 2] (hierzu der Stadtplan), Hauptstadt der preuß. ProvinzSachsen wie des gleichnamigen Stadtkreises und eine
der wichtigsten Festungen des DeutschenReichs, liegt am Nordende der fruchtbaren Magdeburger Börde (s. d.)
und an der Elbe, die sich hier in drei Arme, die Strom-, Zoll- und AlteElbe, teilt, unter 11° 40' östl. L. v. Gr. und
52° 8' nördl. Br., 41 m ü. M., und besteht aus der eigentlichen alten Stadt und der Sudenburg
und den früher selbständigen, seit 1886 und 1887 mit dem Stadtgebiet vereinigten StädtenNeustadt
[* 30] und
Buckau am linken Elbufer sowie der Citadelle und dem Werder auf den Inseln in der Flußteilung und der befestigten, von König
FriedrichWilhelm I. 1731 gegründeten Friedrichstadt am rechten Ufer der Alten Elbe.
Durch die Abtragung der bei der nach 1866 erfolgten Erweiterung der Festung
[* 31] von der Stadtgemeinde angekauften
alten Festungswerke ist im S. und W. ein Raum gewonnen worden, welcher ungefähr der Hälfte des ganzen alten bebauten Terrains
gleichkommt, und auf welchem jetzt ein neuer Stadtteil entstanden ist, der vorzüglich an der breiten und vornehmen Kaiserstraße
mit sehr eleganten Bauten besetzt ist. Ein Teil der alten Festungswerke und Glacis ist in Promenaden und
parkartige Anlagen umgewandelt worden, von denen namentlich der Friedrich Wilhelms-Garten, an der Stelle des 968 gegründeten, 1809 aufgehobenen, 1813 von
den Franzosen geschleiften KlostersBerge gelegen, die ehemalige BastionKleve mit dem schönen Kriegerdenkmal und der Fürstenwall
sich auszeichnen.
Die alten Festungsthore sind größtenteils geblieben; nur das frühere Schrotdorfer Thor im NW. ist entfernt,
während das Ulrichs- und Sudenburger Thor weiter hinausgerückt sind. Da nach dem Brand von 1631 die alte Stadtanlage mit all
den engen und winkeligen Gassen beibehalten wurde und zudem das Terrain nach der Elbe hin erheblich abfällt,
macht der eigentliche Kern der Stadt abseits von der Hauptverkehrsader derselben, dem denselben in seiner ganzen Ausdehnung
[* 32] durchschneidenden Breiten Weg, keinen angenehmen Eindruck, doch wird in der neuesten Zeit viel für Verbreiterung enger Gassen
und Anlage neuer Straßenzüge gethan.
Von Plätzen sind hervorzuheben: der NeueMarkt oder Domplatz und der AlteMarkt. Auf dem an letztern stoßenden
kleinen Platz vor derHauptwache steht die 1857 errichtete Bronzestatue des frühern OberbürgermeistersFranke; den Alten Markt
selbst ziert das merkwürdige Reiterstandbild KaiserOttosI., das jedoch kein Denkmal im heutigen Sinn, auch nicht, wie die
Inschrift des 16. Jahrh. besagt, schon 973, sondern erst gegen Ende
des 13. Jahrh. errichtet worden ist. Wie die beiden weiblichen Figuren zu Seiten des Kaisers, welche irrigerweise als dessen
beide Frauen bezeichnet werden, so hat auch das Standbild symbolische Bedeutung und wurde, wie die Rolande, jedenfalls als
Sinnbild für die erworbene Gerichtsbarkeit der Stadt aufgestellt. Die zahlreichen
Kirchen überragt sämtlich der erhabene Dom, ein Bauwerk gotischen Stils, aber noch erfüllt von romanischen Bildungen. Das
jetzige Gebäude wurde nach dem Brande des von Otto d. Gr. erbauten Doms 1207 auf derselben Stelle begonnen; der älteste Teil,
das hohe Chor, enthält noch antike Säulen
[* 35] aus dem frühern Dom. Traditionell wird als Baumeister Bonensack
genannt. 1363 erfolgte die Einweihung durch ErzbischofDietrich, aber erst 1520 waren auch die Türme vollendet.
Der Grundriß des Gebäudes zeigt das von W. nach O. gerichtete lateinische Kreuz; die ganze Länge beträgt 120 m, die innere
Länge 114,8 m. Mit den beiden je 9,4
m breiten Nebenschiffen beträgt die ganze lichte Breite
[* 36] 31,4 m, ebensoviel wie die Höhe des Hauptschiffs,
welches von zwölf gewaltigen Pfeilern getragen wird und den erhabensten Eindruck von der Kapelle unter den Türmen aus gewährt.
Die beiden westlichen Haupttürme haben eine Höhe von 104,6 m; der südliche entbehrt noch der 1540 vom Blitz
herabgeworfenen, die Spitze bildenden steinernen Kreuzblume.
[* 37] Im Chor deckt eine Marmorplatte den SargOttos d. Gr., ein steinernes
Grabdenkmal des 15. Jahrh. bezeichnet die Ruhestätte seiner Gemahlin Editha; eine Hauptzierde
der Kirche ist das Grabmal des ErzbischofsErnst (gest. 1513), dessen Seitenwände die Gestalten der zwölf Apostel schmücken,
eins der Meisterwerke PeterVischers, von ihm noch bei Lebzeiten Ernsts in dessen Auftrag gegossen.
Die Krypte des alten Doms unter dem hohen Chor ist bei der großen Restauration 1825-35 nicht wieder aufgesucht worden. Die übrigen
protestantischen Kirchen: die Johanniskirche (älteste Pfarrkirche, davor das 1886 errichtete Standbild Luthers), die Ulrichs-,
Heiligegeist-, Jakobi-, Katharinen-, Petri-, die reformierte und die Wallonerkirche, bieten baulich nichts
Hervorragendes, das meiste noch die jetzt katholische Liebfrauenkirche. Früher gehörte sie zum Kloster gleiches Namens, dessen
Räume jetzt ein Gymnasium (s. unten) beherbergen; von hier ist auch der schöne romanische Kreuzgang zugänglich. 1129 in ein
Prämonstratenserkloster umgewandelt, hatte das Kloster neben dem Mutterkloster Prémontré den höchsten
Rang unter allen Stiftungen dieses Ordens.
Die Nikolaistiftskirche dient jetzt als Zeughaus, die Gertraudenkirche als Speicher; die Sebastiansstiftskirche (mit dem GrabmalOttos v. Guericke) wird der katholischen Gemeinde eingeräumt werden. Von sonstigen öffentlichen Gebäuden verdienen Erwähnung:
das 1691 erbaute Rathaus auf dem Alten Markt (die Stadtbibliothek bewahrend), das Regierungsgebäude, daran
die Gangolphistiftskirche, das Fürstenhaus, die Börse, der prachtvolle Zentralbahnhof, das geschmackvoll eingerichtete neue
Stadttheater. Ins Auge
[* 38] fallen die noch immer zahlreich vorhandenen stattlichen Häuser im Spätrenaissancestil am Breiten Weg
und Alten Markt.
Die Zahl der Einwohner beläuft sich (1885) mit der Garnison (2 Infanteriereg. Nr. 26 und 66, 2 Infant.-Bat.
Nr. 27, eine Abteilung Feldartillerie Nr. 4, ein Pionier-Bat.
Nr. 4 u. ein Train-Bat. Nr. 4) auf 159,520 Seelen (gegen 88,012 im J. 1875, Neustadt und Buckau abgerechnet). Darunter befinden
sich 147,353 Evangelische, 8614 Katholiken, 1738 sonstige Christen und 1815 Juden. Die Industrie ist sehr
bedeutend. Magdeburg besitzt außer vielen kleinern 5 große Eisengießereien, Maschinen- und Metallröhrenfabriken, darunter das
Grusonsche Etablissement (mit 1328 Arbeitern) in Buckau, welches sich eines Weltrufs erfreut.
Ein
zweckmäßig angelegter Hafen dient dem Winterschutz der Schiffe. Die Verbindung der innern Stadt mit den Vorstädten vermittelt
eine Pferdebahn.
An Bildungsanstalten und ähnlichen Instituten besitzt Magdeburg ein pädagogisches Seminar, 3 Gymnasien, ein
Progymnasium, ein Realgymnasium, eine Oberrealschule, eine Handelsschule, ein Lehrerinnenseminar, ein Reichswaisenhaus (errichtet
aus Sammlungen des Reichsfechtvereins), viele milde Stiftungen, ein Stadttheater, ein Zuchthaus, ein großes, musterhaft eingerichtetes
Krankenhaus,
[* 48] eine Hebammenlehranstalt, ein orthopädisch-chirurgisches Institut, wissenschaftliche Vereine, eine Wetterwarte
etc. Die »Magdeburgische Zeitung«, ein Blatt
[* 49] nationaler Richtung, ist weit über die Grenzen
[* 50] Deutschlands
hinaus wohlbekannt. An Behörden befinden sich in Magdeburg: das Oberpräsidium, Konsistorium, Provinzialschulkollegium, die Generalsteuerdirektion
und das Staatsarchiv der ProvinzSachsen, dessen großer Urkundenschatz bis in das 10. Jahrh. zurückreicht, eine Oberpost-
und eine Eisenbahndirektion, ein königliches Polizeipräsidium, Forstinspektionen, ein Hauptsteueramt, ein Landgericht etc.,
ferner: das Generalkommando des 4. Armeekorps, das Kommando der 7. Division, der 13. und 14. Infanterie-, der 7. Kavallerie- und
der 4. Feldartilleriebrigade. Das Wappen der Stadt (s. Figur) zeigt ein geöffnetes Festungsthor, über demselben rechts und
links zwei Türme und zwischen diesen, auf der Mauer, eine Jungfrau mit hoch gehobenem Lorbeerkranz. Zu
den umfangreichen Festungswerken gehören die Citadelle und 13 Forts in weitem Umkreis um die
¶
1) Regierungsbezirk der preuß. ProvinzSachsen, durch die Herzogtümer Anhalt
[* 51] und Braunschweig
[* 52] von dem übrigen Teile der Provinz
getrennt, umfaßt die ehemalige Nordmark, das Erzbistum, spätere Herzogtum Magdeburg, das ehemalige
Fürstentum Bistum Halberstadt, das ehemalige freiweltliche reichsunmittelbare StiftQuedlinburg
[* 53] und die Grafschaft Wernigerode,
[* 54]
grenzt im S. an Anhalt, im W. an Braunschweig, ist bis auf die Altmark im N. äußerst fruchtbar (Rübenbau), im S. gebirgig (Ausläufer
des Harzes), hat Waldungen, Zuckerfabrikation, Braunkohlengruben, Steinsalzbergbau und Salinenbetrieb
(Staßfurt).
[* 55]
Der Regierungsbezirk hat 11504,16 qkm, (1890) 1071421 (534639 männl., 536782 weibl.) E., darunter 10420 Militärpersonen, 48 Städte
mit 1232,58 qkm und 516948 (259122 männl., 257826 weibl.) E., 985 Landgemeinden und 428 Gutsbezirke
mit 10271,58 qkm und 554473 (275517 männl., 278956 weibl.) E. Dem Religionsbekenntnis nach waren 1009697
Evangelische, 54346 Katholiken, 2095 andere Christen, 900 Dissidenten, 4214 Israeliten und 169 andern Bekenntnisses. 1895 wurden 1122857
(558727 männl., 564130 weibl.) E. gezählt. Der Regierungsbezirk zerfällt in 16 Kreise:
Der Regierungsbezirk wird eingeteilt in acht Reichstagswahlkreise: Salzwedel-Gardelegen (Abgeordneter Schultz, Reichspartei),
Osterburg-Stendal (Himburg, deutsch-konservativ), Jerichow Ⅰ und Ⅱ (Graf von Bismarck-Schönhausen, fraktionslos), Stadt
Magdeburg (Klees, Socialdemokrat), Neuhaldensleben-Wolmirstedt (Hosang, nationalliberal), Wanzleben
(von Benda, nationalliberal), Aschersleben
[* 56] (Placke, nationalliberal), Halberstadt (Rimpau, nationalliberal).
Vgl. die Karte:
Brandenburg u. s. w. – 2) Hauptstadt der preuß.
ProvinzSachsen und des Reg.-Bez. Magdeburg und Stadtkreis, Festung ersten Ranges und einer der bedeutendsten Handelsplätze Norddeutschlands,
liegt 52° 8’ nördl. Br. und 11° 39’ östl. L. von Greenwich, in 45 m Höhe, zum größten
Teil am linken Ufer der hier in drei Arme geteilten Elbe. Der mittlere Luftdruck beträgt (1894) 756,5 mm, die mittlere Jahrestemperatur
9,11° C. (+34,6 Maximum, -17,3 Minimum), die Niederschlagsmenge 492 mm. (Hierzu zwei Pläne: Magdeburg und Magdeburg-
Altstadt und Werder mit Verzeichnis der Straßen u. s. w.)
Bevölkerung.
[* 60] Die ortsanwesende Bevölkerung betrug 1871: 84401, 1880: 97539, 1890: 202234, 1895: 214397 (106775 männl., 107622
weibl.) E. Hiervon entfallen auf Altstadt 90785, Wilhelmstadt 15548, Friedrichstadt mit Werder 8632, Sudenburg 28983, Neustadt
(18,33 qkm) 44127 und auf Buckau (3,05 qkm) 26322 E. In Garnison liegen die Infanterieregimenter Fürst
Leopold von Anhalt-Dessau Nr. 26 und Nr. 66, die 1. und 3. Abteilung des Feldartillerieregiments Nr. 4, das Fußartillerieregiment
Encke Nr. 4, das Pionier- und das Trainbataillon Nr. 4.
Anlage, Straßen, Plätze. Die Altstadt ist mit der Insel, auf der die 1683‒1702 erbaute Citadelle, der
Stadtmarsch, der kleine Werder und der RoteHorn liegt, durch eine eiserne Gitterbrücke (Strombrücke), mit dem ebenfalls auf
einer Insel gelegenen «Großen Werder» durch die steinerne Zollbrücke und mit der östlichsten, 1731 von König Friedrich Wilhelm
Ⅰ. gegründeten Vorstadt Friedrichstadt durch die steinerne «Lange Brücke»
[* 61] verbunden. Die Hauptverkehrsstraße ist
der die Altstadt von N. nach S. durchschneidende Breite Weg, mit großen Läden und zahlreichen Giebelhäusern ans dem 17. Jahrh.;
demselben westlich parallel die neuere Kaiserstraße mit schönen Prachtbauten.
Durch die Hinausschiebung der Festungswerke und die Verlegung des Sudenburger und Ulrichsthores nach 1870 ist im S. und W.
ein neuer Stadtteil mit schönen Straßen und Gebäuden entstanden. Seitdem war auch die Möglichkeit gegeben,
durch umfassende Straßenverbreiterungen und Durchbrüche in der vorher von den Festungswerken eingeengten Altstadt Verkehrserleichterungen
zu schaffen. Durch Aufhebung der Festungswerke im N. (1888) ist die Trennung der Neustadt von der Altstadt beseitigt und auch
hier der Grund zu einem neuen Stadtteil (der Nordfront) gelegt.
Größere Plätze sind der Domplatz oder Neue Markt und der Alte Markt mit dem um 1290 vom Rate der Stadt errichteten, zuletzt 1858 und 1889 erneuerten
Reiterstandbild Ottos d. Gr.; auf dem Platze bei der ehemaligen Hauptwache das Denkmal des 1851 verstorbenen Oberbürgermeisters
Francke (1856), Erzguß nach BläsersEntwurf, vor der Johanniskirche ein Luther-Denkmal von Hundrieser (1886);
auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz vor dem ehemaligen Krökenthor das Reiterstandbild Kaiser Wilhelms Ⅰ. von Siemering und aus dem
Hasselbachplatz der zu Ehren des Oberbürgermeisters Hasselbach errichtete Brunnen
[* 62] von Bergmeier. Zu den Spaziergängen und
Gärten gehören der Fürstenwall, welcher 450 m links längs der Elbe sich hinzieht und durch die auf
der abgetragenen Bastion Kleve angelegte Promenade erweitert worden ist, mit dem eingeweihten Kriegerdenkmal für
1870/71 nach dem Entwurf des Baumeisters Eggert, sowie dem im Sept. 1893 enthüllten DenkmalFriedrich Friesens; der Große Werder
am linken Ufer der Alten Elbe, mit dem Odeum und schönen Gärten; der Friedrich-Wilhelms-Garten, auf der
Stelle des ehemaligen KlostersBerge (s. d.), mit einem 1825 nach Schinkels Entwurf erbauten Gesellschaftshaus und den aus dem
Vermächtnis des Geh. KommerzienratsGruson errichteten großartigen Gruson-Palmen- und -Gewächshäusern mit Aquarium, das Schützenhaus,
der Stadtpark und der Luftkurort «Zur Salzquelle» auf dem
RotenHorn; der städtische Park Vogelgesang im N.
der Neustadt und der Park Herrenkrug auf der rechten Seite der Stromelbe.
In neuerer Zeit sind schöne Parkanlagen (270 ha) in großem Umfange hergestellt worden. ^[]
Kirchen. Unter den sechzehn evang.Kirchen ist zu nennen der 1208‒1363 erbaute Dom zu St. Mauritius und
Katharina (119 m lang, Mittelschiff 32 m hoch); der polygone Chor mit zweigeschossigem Umgang und Kapellenkranz gehört nebst
den beiden unvollendeten Osttürmen der Zeit von 1274 an; das got. Langhaus wurde 1363, die 1310 begonnenen
Westtürme um 1520 vollendet, das Ganze unter Friedrich Wilhelm Ⅲ. restauriert. Der Dom hat ein von 12 Pfeilern
getragenes Gewölbe,
[* 63] einen Hochaltar aus Marmor, 22 (ehedem 48) kleinere Altäre, eine Kanzel aus Alabaster (1597), das berühmte, 1497 von
Peter Vischer zu Nürnberg
[* 64] gegossene Grabdenkmal des Erzbischofs Ernst von Sachsen, das GrabKaiserOttos d. Gr. und das seiner
ersten Gemahlin Editha.
Die Chorstühle mit Schnitzwerk stammen aus dem 14. Jahrh., die Fenster
sind Geschenke der Könige Friedrich Wilhelm Ⅲ. und Ⅳ. und anderer Fürsten; in der alten Taufkapelle das in Erz getriebene
Grabmal Adalberts, des ersten Erzbischofs von Magdeburg; der halb roman., halb got.
Kreuzgang stammt ans dem 13. und 14. Jahrh. Die roman.
Marien- oder Liebfrauenkirche ist 1070 begonnen, 1220 gewölbt, 1890‒91 restauriert. Der ebenfalls roman.
Kreuzgang (12. Jahrh.) und die Gebäude des ehemaligen, 1015 gegründeten, 1129 durch Erzbischof Norbert mit Prämonstratensern
besetzten KlostersUnser Lieben Frauen sind für das Pädagogium und Alumnat umgebaut. Zu nennen sind ferner die got. Ulrichskirche
mit neuen Türmen, die Kirchen der franz.- und wallonisch-reform. Gemeinden und
die neue Pauluskiche in der Wilhelmstadt. Eine Kirche für die deutsch-reform. Gemeinde ist in der Nordfront im Bau. Die früher
als Warenlager benutzte Stiftskirche zu St. Sebastian dient der kath. Gemeinde; ferner besteht
eine Synagoge.
Weltliche Gebäude sind das 1691 erbaute, 1866 bedeutend erweiterte Rathaus am Alten Markt, die Dompropstei,
jetzt Garnisonlazarett, das Landgericht, das ehemalige königl. Palais, früher Domdechanei,
vom Anfang des 19. Jahrh. bis 1893 Sitz des Generalkommandos, jetzt städtisches Museum, und
die ehemalige von dem Busschesche Kurie, das Regierungsgebäude, letztere fünf am Domplatze, das Oberpräsidium am
Fürstenwall, das auf der Stelle des alten Domgymnasialgebäudes erbaute königl. Konsistorium (1891), das neue städtische
Verwaltungsgebäude mit der Stadtbibliothek (s. unten), das Domgymnasium mit wertvoller und an Inkunabeln
reicher Bibliothek, die Augusta- und die Edithaschule (höhere Mädchenschulen), das Realgymnasium, die Friesen-Turnhalle,
die Reichsbank mit Skulpturen vom ehemaligen WohnhauseGuerickes, das kaiserl. Palais und Generalkommando,
sowie die neuen Gebäude der Provinzial-Steuer- und der Oberpostdirektion.
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet von einem Oberbürgermeister (Schneider, 18000 Magdeburg und Dienstwohnung),
einem Bürgermeister (Fischer, 10000 Magdeburg), 25 Stadträten (10 besoldeten) und 72 Stadtverordneten. Ferner besteht ein königl.
Polizeipräsidium, eine Berufsfeuerwehr von 163 Mann, elektrische Centrale, 2 Gasanstalten, ein Wasserwerk,
Kanalisation mit 3000 Morgen Rieselfeldern in dem 7 km entfernten Cörbelitz und ein Schlacht-und¶
mehr
Viehhof. Der Kämmerei-Haushaltplan (1896/97) schließt ab in Einnahme und Ausgabe mit 7077400 Magdeburg. Die direkten Steuern betragen
etwa 53 Proz. der Einnahmen. Es bestehen eine städtische Sparkasse, mehrere Spar- und Vorschußvereine, 34 Orts-, 38 Betriebs-
(Fabrik-) und 3 Innungskrankenkassen. Magdeburg hat ein Hebammeninstitut, Arbeitshaus, Siechenhaus, 2 städtische Krankenanstalten,
mehrere Hospitäler u. s. w.
Behörden. Magdeburg ist Sitz des Oberpräsidiums, der Bezirksregierung, eines Polizeipräsidiums, zweier evang.
Generalsuperintendenten, einer königl. Elbstrombauverwaltung, Landgerichts (Oberlandesgericht
Naumburg
[* 66] a. S.) mit zwei Kammern für Handelssachen und 18 Amtsgerichten (Aken, Barby, Burga. d. Ihle, Calbea. d. S., Erxleben, Genthin,
Gommern, Hötensleben, Loburg, Magdeburg, Neuhaldensleben, Groß-Salze, Schönebeck, Seehausen, Staßfurt, Wanzleben,
Wolmirstedt, Ziesar), einer Oberpostdirektion, einer königl. preuß.
Eisenbahndirektion, eines Hauptsteuer-, Katasteramtes, einer Reichsbankhauptstelle, Kommandantur, der 3. Pionierinspektion,
des Generalkommandos des 4. Armeekorps sowie der Kommandos der 7. Division, 13. und 14. Infanterie-, 7. Kavallerie-, 4. Feldartillerie-
und 4. Gendarmeriebrigade, einer Fortifikation, eines Artillerie- und Traindepots und Bezirkskommandos.
Unterrichts- und Bildungswesen. Die Stadt hat ein königliches pädagog. Seminar, königl.
Domgymnasium, 1675 gegründet, Pädagogium zum KlosterUnser Lieben Frauen, verbunden mit einem Kandidatenkonvikt, städtisches
König-Wilhelms-Gymnasium, 1886 gegründet, Realgymnasium, 1819 gegründet, früher höhere Gewerbe- und Handelsschule, eine
Oberrealschule mit Realgymnasium (Guericke-Schule), Realschule, ein Privat-Realprogymnasium, 3 öffentliche (Augustaschule,
Luisenschule und die in Magdeburg-Neustadt) und 1 private höhere Mädchenschule, Lehrerinnenbildungsanstalt,
sowie Kunstgewerbe- und Handwerker-, Baugewerk-, Maschinenbauschule für Werkmeister und 2 gewerbliche Fortbildungsschulen.
Auch eine Wetterwarte befindet sich hier. Außer der Stadtbibliothek (30000 Bände, 250 Handschriften, Inkunabeln, Sammlung
von Plänen und Ansichten von Magdeburg, Münzkabinett, und die wertvolle, namentlich an Schriften aus der Zeit des Dreißigjährigen
Krieges sehr reiche Sammlung «Magdeburgica») bestehen Bibliotheken der höhern Schulen, der Regierung, des Landgerichts und
mehrerer Vereine. Das 1893 begründete städtische Museum hat eine reiche kunstgewerbliche und naturwissenschaftliche Abteilung
sowie Gemäldegalerie (namentlich moderne Meister) und Kupferstichkabinett.
Das Stadttheater (1216 Zuschauerplätze), von Lucae erbaut, hat ein Solopersonal von 48 Personen; außerdem
besteht das Wilhelmtheater und das Victoriatheater (Sommertheater). – Es erscheinen 7 Zeitungen, darunter die nationalliberale
«Magdeburgische Zeitung» (s. d.) und die socialdemokratische «Volksstimme».
Industrie. Die Industrie erstreckt sich auf Schiffbauanstalten, Eisengießereien und Maschinenfabriken, letztere namentlich
in Buckau (Friedr. Krupp, Grusonwerk, s.Gruson; Lokomobilenfabriken: R. Wolf und Garrett, Smith & Co.; Armaturenfabrik: Schaeffer
& Budenberg), auf die Fabrikation von Zucker, Schokolade, Cichorien, Chemikalien, Woll- und Baumwollwaren, Handschuhen,
Band,
[* 67] Leder, Tabak, Cigarren, Geldschränken, Harmonikas, Sprit, Seife und Bleiweiß;
[* 68] ferner bestehen
Kunsttischlereien, Holzbildhauereien,
Zuckerraffinerien, Brauereien.
Handel. Der Handel erstreckt sich vornehmlich auf Zucker, für den Magdeburg einer der Hauptplätze
der Welt ist, auf Eisenartikel, Getreide, Cichorien und Cichorienfabrikate, Wein, Stein- und Braunkohlen, Baumwolle,
[* 69] Tabak, wollene,
baumwollene Garne, Leinenwaren, Tuche, Kolonialwaren und Holz (aus poln. und russ. Wäldern). Der Handel wird gefördert durch
Jahrmärkte, Pferdemärkte und eine Messe im September, die Ältesten der Kaufmannschaft (Handelskammer),
eine Börse, zahlreiche Banken, von denen die Magdeburger Privatbank bis 1891 Notenbank war, und Versicherungsgesellschaften,
durch eine Filiale der deutschen Elbschiffahrtsgesellschaft Kette in Dresden
[* 70] (1867 wurde in Magdeburg die Kettenschleppschiffahrt,
die erste in Deutschland, gegründet).
Verkehrswesen. Magdeburg liegt an den Linien Berlin-Magdeburg (141,9 km), Magdeburg-Hannover (147 km), Magdeburg-Halle-Leipzig (119
km), Magdeburg-Güsten (43,6 km), Magdeburg-Zerbst-Leipzig (127,4 km), Magdeburg-Halberstadt-Thale (86,7 km), Magdeburg-Stendal (58,7 km), Magdeburg-Öbisfelde
(64,2 km) und der Nebenlinie Magdeburg-Biederitz-Loburg (34,7 km) der Preuß. Staatsbahnen
[* 71] und hat 6 Bahnhöfe
[* 72] (Hauptbahnhof, Magdeburg-Neustadt,
Magdeburg-Sudenburg, Magdeburg-Buckau und die Güterbahnhöfe Elbbahnhof und Magdeburg-Neustadt). Der gesamte Eisenbahngüterverkehr betrug (1892/93) 2270361
t (ausschließlich des Durchgangsverkehrs), darunter abgegangen 933062 t. Mehrere Pferdebahnen durchziehen
die Stadt und verbinden die Altstadt mit den Vorstädten; von Magdeburg-Friedrichstadt führt eine Dampftrambahn nach dem Herrenkrug.
Magdeburg hat 2 Postämter erster Klasse, darunter eins mit Zweigstelle, ein Telegraphenamt erster Klasse, 1 Bahnpostamt, 3 Stadtpostanstalten, 3 Postämter
zweiter Klasse (Buckau, Neustadt, Sudenburg) und 4 Postämter dritter Klasse, sämtlich mit Telegraphenbetrieb,
sowie ein Fernsprechamt. – Der Schiffsverkehr ist sehr bedeutend und wird durch den neuen von der Stadt für 8 Mill. Magdeburg angelegten
Handelshafen mit Anschlußgleisen sowie durch die umfangreichen Eisenbahnanlagen an den Ufern der Elbe und den staatlichen
Winterhafen an der Zollelbe gefördert. 1895 kamen an: zu Berg (zu Thal) 3505 (1045) Segelschiffe mit 638962
(354191) t, 46 (50) Güterdampfer mit 16227 (1436) t, außerdem 0 (7703) t Floßholz;
es gingen ab zu Berg (zu Thal) 75 (1672)
Segelschiffe mit 20433 (452767) t und 0 (72) Güterdampfer mit 0 (20858) t. Unbeladen kamen an (gingen
ab) 237 (2247) Segelschiffe und 33 (56) Güterdampfer.
Magdeburg, schon in der Reformationszeit als Festung bekannt, wurde zuletzt 1866 neu ausgebaut; es erhielt eine polygonale
Umwallung mit vorspringenden Kavalieren und Flankierung aus Kaponnieren. Teile der alten bastionierten Befestigung wurden in
die neue mit aufgenommen. Die innern Festungswerke sind jetzt als solche sämtlich aufgegeben, nur
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