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Altstadt und Werder mit Verzeichnis der Straßen u. s. w.)
Bevölkerung. [* 3] Die ortsanwesende Bevölkerung betrug 1871: 84401, 1880: 97539, 1890: 202234, 1895: 214397 (106775 männl., 107622 weibl.) E. Hiervon entfallen auf Altstadt 90785, Wilhelmstadt 15548, Friedrichstadt mit Werder 8632, Sudenburg 28983, Neustadt [* 4] (18,33 qkm) 44127 und auf Buckau (3,05 qkm) 26322 E. In Garnison liegen die Infanterieregimenter Fürst Leopold von Anhalt-Dessau Nr. 26 und Nr. 66, die 1. und 3. Abteilung des Feldartillerieregiments Nr. 4, das Fußartillerieregiment Encke Nr. 4, das Pionier- und das Trainbataillon Nr. 4.
Anlage, Straßen, Plätze. Die Altstadt ist mit der Insel, auf der die 1683‒1702 erbaute Citadelle, der Stadtmarsch, der kleine Werder und der Rote Horn liegt, durch eine eiserne Gitterbrücke (Strombrücke), mit dem ebenfalls auf einer Insel gelegenen «Großen Werder» durch die steinerne Zollbrücke und mit der östlichsten, 1731 von König Friedrich Wilhelm Ⅰ. gegründeten Vorstadt Friedrichstadt durch die steinerne «Lange Brücke» [* 5] verbunden. Die Hauptverkehrsstraße ist der die Altstadt von N. nach S. durchschneidende Breite [* 6] Weg, mit großen Läden und zahlreichen Giebelhäusern ans dem 17. Jahrh.; demselben westlich parallel die neuere Kaiserstraße mit schönen Prachtbauten.
Durch die Hinausschiebung der Festungswerke und die Verlegung des Sudenburger und Ulrichsthores nach 1870 ist im S. und W. ein neuer Stadtteil mit schönen Straßen und Gebäuden entstanden. Seitdem war auch die Möglichkeit gegeben, durch umfassende Straßenverbreiterungen und Durchbrüche in der vorher von den Festungswerken eingeengten Altstadt Verkehrserleichterungen zu schaffen. Durch Aufhebung der Festungswerke im N. (1888) ist die Trennung der Neustadt von der Altstadt beseitigt und auch hier der Grund zu einem neuen Stadtteil (der Nordfront) gelegt.
Größere Plätze sind der Domplatz oder Neue Markt und der Alte Markt mit dem um 1290 vom Rate der Stadt errichteten, zuletzt 1858 und 1889 erneuerten Reiterstandbild Ottos d. Gr.; auf dem Platze bei der ehemaligen Hauptwache das Denkmal des 1851 verstorbenen Oberbürgermeisters Francke (1856), Erzguß nach Bläsers Entwurf, vor der Johanniskirche ein Luther-Denkmal von Hundrieser (1886); auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz vor dem ehemaligen Krökenthor das Reiterstandbild Kaiser Wilhelms Ⅰ. von Siemering und aus dem Hasselbachplatz der zu Ehren des Oberbürgermeisters Hasselbach errichtete Brunnen [* 7] von Bergmeier. Zu den Spaziergängen und Gärten gehören der Fürstenwall, welcher 450 m links längs der Elbe sich hinzieht und durch die auf der abgetragenen Bastion Kleve angelegte Promenade erweitert worden ist, mit dem eingeweihten Kriegerdenkmal für 1870/71 nach dem Entwurf des Baumeisters Eggert, sowie dem im Sept. 1893 enthüllten Denkmal Friedrich Friesens; der Große Werder am linken Ufer der Alten Elbe, mit dem Odeum und schönen Gärten; der Friedrich-Wilhelms-Garten, auf der Stelle des ehemaligen Klosters Berge (s. d.), mit einem 1825 nach Schinkels Entwurf erbauten Gesellschaftshaus und den aus dem Vermächtnis des Geh. Kommerzienrats Gruson errichteten großartigen Gruson-Palmen- und -Gewächshäusern mit Aquarium, das Schützenhaus, der Stadtpark und der Luftkurort «Zur Salzquelle» auf dem Roten Horn; der städtische Park Vogelgesang im N. der Neustadt und der Park Herrenkrug auf der rechten Seite der Stromelbe. In neuerer Zeit sind schöne Parkanlagen (270 ha) in großem Umfange hergestellt worden. ^[]
Kirchen. Unter den sechzehn evang.Kirchen ist zu nennen der 1208‒1363 erbaute Dom zu St. Mauritius und Katharina (119 m lang, Mittelschiff 32 m hoch); der polygone Chor mit zweigeschossigem Umgang und Kapellenkranz gehört nebst den beiden unvollendeten Osttürmen der Zeit von 1274 an; das got. Langhaus wurde 1363, die 1310 begonnenen Westtürme um 1520 vollendet, das Ganze unter Friedrich Wilhelm Ⅲ. restauriert. Der Dom hat ein von 12 Pfeilern getragenes Gewölbe, [* 8] einen Hochaltar aus Marmor, 22 (ehedem 48) kleinere Altäre, eine Kanzel aus Alabaster (1597), das berühmte, 1497 von Peter Vischer zu Nürnberg [* 9] gegossene Grabdenkmal des Erzbischofs Ernst von Sachsen, [* 10] das Grab Kaiser Ottos d. Gr. und das seiner ersten Gemahlin Editha.
Die Chorstühle mit Schnitzwerk stammen aus dem 14. Jahrh., die Fenster
sind Geschenke der Könige
Friedrich Wilhelm Ⅲ. und Ⅳ. und anderer Fürsten; in der alten
Taufkapelle das in
Erz getriebene
Grabmal
Adalberts, des ersten Erzbischofs von Magdeburg;
[* 11] der halb roman., halb got.
Kreuzgang stammt ans dem 13. und 14. Jahrh. Die roman.
Marien- oder Liebfrauenkirche ist 1070 begonnen, 1220 gewölbt, 1890‒91 restauriert. Der ebenfalls roman.
Kreuzgang (12. Jahrh.) und die
Gebäude des ehemaligen, 1015 gegründeten, 1129 durch Erzbischof Norbert mit Prämonstratensern
besetzten
Klosters
Unser Lieben Frauen sind für das
Pädagogium und
Alumnat umgebaut. Zu nennen sind ferner die got. Ulrichskirche
mit neuen
Türmen, die
Kirchen der franz.- und wallonisch-reform. Gemeinden und
die neue Pauluskiche in der Wilhelmstadt. Eine
Kirche für die deutsch-reform. Gemeinde ist in der Nordfront im
Bau. Die früher
als Warenlager benutzte Stiftskirche zu St. Sebastian dient der kath. Gemeinde; ferner besteht
eine
Synagoge.
Weltliche Gebäude sind das 1691 erbaute, 1866 bedeutend erweiterte Rathaus am Alten Markt, die Dompropstei, jetzt Garnisonlazarett, das Landgericht, das ehemalige königl. Palais, früher Domdechanei, vom Anfang des 19. Jahrh. bis 1893 Sitz des Generalkommandos, jetzt städtisches Museum, und die ehemalige von dem Busschesche Kurie, das Regierungsgebäude, letztere fünf am Domplatze, das Oberpräsidium am Fürstenwall, das auf der Stelle des alten Domgymnasialgebäudes erbaute königl. Konsistorium (1891), das neue städtische Verwaltungsgebäude mit der Stadtbibliothek (s. unten), das Domgymnasium mit wertvoller und an Inkunabeln reicher Bibliothek, die Augusta- und die Edithaschule (höhere Mädchenschulen), das Realgymnasium, die Friesen-Turnhalle, die Reichsbank mit Skulpturen vom ehemaligen Wohnhause Guerickes, das kaiserl. Palais und Generalkommando, sowie die neuen Gebäude der Provinzial-Steuer- und der Oberpostdirektion.
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet von einem Oberbürgermeister (Schneider, 18000 Magdeburg
und Dienstwohnung),
einem
Bürgermeister (Fischer, 10000 Magdeburg
), 25
Stadträten (10 besoldeten) und 72 Stadtverordneten. Ferner besteht ein königl.
Polizeipräsidium, eine Berufsfeuerwehr von 163 Mann, elektrische Centrale, 2
Gasanstalten, ein
Wasserwerk,
Kanalisation mit 3000 Morgen
Rieselfeldern in dem 7 km entfernten Cörbelitz und ein
Schlacht-und
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Viehhof. Der Kämmerei-Haushaltplan (1896/97) schließt ab in Einnahme und Ausgabe mit 7077400 Magdeburg.
Die direkten Steuern betragen
etwa 53 Proz. der Einnahmen. Es bestehen eine städtische Sparkasse, mehrere Spar- und Vorschußvereine, 34 Orts-, 38 Betriebs-
(Fabrik-) und 3 Innungskrankenkassen. Magdeburg
hat ein Hebammeninstitut, Arbeitshaus, Siechenhaus, 2 städtische Krankenanstalten,
mehrere Hospitäler u. s. w.
Behörden. Magdeburg
ist Sitz des Oberpräsidiums, der Bezirksregierung, eines Polizeipräsidiums, zweier evang.
Generalsuperintendenten, einer königl. Elbstrombauverwaltung, Landgerichts (Oberlandesgericht
Naumburg
[* 13] a. S.) mit zwei Kammern für Handelssachen und 18 Amtsgerichten (Aken, Barby, Burg a. d. Ihle, Calbe a. d. S., Erxleben, Genthin,
Gommern, Hötensleben, Loburg, Magdeburg
, Neuhaldensleben, Groß-Salze, Schönebeck, Seehausen, Staßfurt,
[* 14] Wanzleben,
Wolmirstedt, Ziesar), einer Oberpostdirektion, einer königl. preuß.
Eisenbahndirektion, eines Hauptsteuer-, Katasteramtes, einer Reichsbankhauptstelle, Kommandantur, der 3. Pionierinspektion,
des Generalkommandos des 4. Armeekorps sowie der Kommandos der 7. Division, 13. und 14. Infanterie-, 7. Kavallerie-, 4. Feldartillerie-
und 4. Gendarmeriebrigade, einer Fortifikation, eines Artillerie- und Traindepots und Bezirkskommandos.
Unterrichts- und Bildungswesen. Die Stadt hat ein königliches pädagog. Seminar, königl. Domgymnasium, 1675 gegründet, Pädagogium zum Kloster Unser Lieben Frauen, verbunden mit einem Kandidatenkonvikt, städtisches König-Wilhelms-Gymnasium, 1886 gegründet, Realgymnasium, 1819 gegründet, früher höhere Gewerbe- und Handelsschule, eine Oberrealschule mit Realgymnasium (Guericke-Schule), Realschule, ein Privat-Realprogymnasium, 3 öffentliche (Augustaschule, Luisenschule und die in Magdeburg-Neustadt) und 1 private höhere Mädchenschule, Lehrerinnenbildungsanstalt, sowie Kunstgewerbe- und Handwerker-, Baugewerk-, Maschinenbauschule für Werkmeister und 2 gewerbliche Fortbildungsschulen.
Auch eine Wetterwarte befindet sich hier. Außer der Stadtbibliothek (30000 Bände, 250 Handschriften, Inkunabeln, Sammlung
von Plänen und Ansichten von Magdeburg
, Münzkabinett, und die wertvolle, namentlich an Schriften aus der Zeit des Dreißigjährigen
Krieges sehr reiche Sammlung «Magdeburgica»
) bestehen Bibliotheken der höhern Schulen, der Regierung, des Landgerichts und
mehrerer Vereine. Das 1893 begründete städtische Museum hat eine reiche kunstgewerbliche und naturwissenschaftliche Abteilung
sowie Gemäldegalerie (namentlich moderne Meister) und Kupferstichkabinett.
Das Stadttheater (1216 Zuschauerplätze), von Lucae erbaut, hat ein Solopersonal von 48 Personen; außerdem
besteht das Wilhelmtheater und das Victoriatheater (Sommertheater). – Es erscheinen 7 Zeitungen, darunter die nationalliberale
«Magdeburg
ische Zeitung» (s. d.) und die socialdemokratische «Volksstimme».
Industrie. Die Industrie erstreckt sich auf Schiffbauanstalten, Eisengießereien und Maschinenfabriken, letztere namentlich in Buckau (Friedr. Krupp, Grusonwerk, s.Gruson; Lokomobilenfabriken: R. Wolf und Garrett, Smith & Co.; Armaturenfabrik: Schaeffer & Budenberg), auf die Fabrikation von Zucker, [* 15] Schokolade, Cichorien, Chemikalien, Woll- und Baumwollwaren, Handschuhen, Band, [* 16] Leder, Tabak, [* 17] Cigarren, Geldschränken, Harmonikas, Sprit, Seife und Bleiweiß; [* 18] ferner bestehen Kunsttischlereien, Holzbildhauereien, Zuckerraffinerien, Brauereien.
Bedeutend ist auch der Garten-, Obst- und Gemüsebau (Magdeburger Sauerkraut und Gurken). Magdeburg
ist Sitz der Zucker-Berufsgenossenschaft,
der Magdeburger Baugewerks-Berufsgenossenschaft und deren 1. Sektion, der Elbschiffahrts-Berufsgenossenschaft,
der 2. Sektion der Nordwestlichen Eisen- und Stahl-, der 5. Sektionen der Töpferei- und der Berufsgenossenschaft der Gas- und
Wasserwerke, der 7. Sektionen der Ziegelei-, der Norddeutschen Holz-, der Brennerei-, der Brauerei- und Mälzerei- und der 11. Sektion
der Fuhrwerks-Berufsgenossenschaft.
Handel. Der Handel erstreckt sich vornehmlich auf Zucker, für den Magdeburg
einer der Hauptplätze
der Welt ist, auf Eisenartikel, Getreide,
[* 19] Cichorien und Cichorienfabrikate, Wein, Stein- und Braunkohlen, Baumwolle,
[* 20] Tabak, wollene,
baumwollene Garne, Leinenwaren, Tuche, Kolonialwaren und Holz
[* 21] (aus poln. und russ. Wäldern). Der Handel wird gefördert durch
Jahrmärkte, Pferdemärkte und eine Messe im September, die Ältesten der Kaufmannschaft (Handelskammer),
eine Börse, zahlreiche Banken, von denen die Magdeburger Privatbank bis 1891 Notenbank war, und Versicherungsgesellschaften,
durch eine Filiale der deutschen Elbschiffahrtsgesellschaft Kette in Dresden
[* 22] (1867 wurde in Magdeburg
die Kettenschleppschiffahrt,
die erste in Deutschland,
[* 23] gegründet).
Verkehrswesen. Magdeburg
liegt an den Linien Berlin-Magdeburg (141,9 km), Magdeburg
-Hannover (147 km), Magdeburg-Halle-Leipzig (119
km), Magdeburg-Güsten (43,6 km), Magdeburg-Zerbst-Leipzig (127,4 km), Magdeburg-Halberstadt-Thale (86,7 km), Magdeburg-Stendal (58,7 km), Magdeburg-Öbisfelde
(64,2 km) und der Nebenlinie Magdeburg-Biederitz-Loburg (34,7 km) der Preuß. Staatsbahnen
[* 24] und hat 6 Bahnhöfe
[* 25] (Hauptbahnhof, Magdeburg-Neustadt,
Magdeburg-Sudenburg, Magdeburg-Buckau und die Güterbahnhöfe Elbbahnhof und Magdeburg-Neustadt). Der gesamte Eisenbahngüterverkehr betrug (1892/93) 2270361
t (ausschließlich des Durchgangsverkehrs), darunter abgegangen 933062 t. Mehrere Pferdebahnen durchziehen
die Stadt und verbinden die Altstadt mit den Vorstädten; von Magdeburg-Friedrichstadt führt eine Dampftrambahn nach dem Herrenkrug.
Magdeburg hat 2 Postämter erster Klasse, darunter eins mit Zweigstelle, ein Telegraphenamt erster Klasse, 1 Bahnpostamt, 3 Stadtpostanstalten, 3 Postämter
zweiter Klasse (Buckau, Neustadt, Sudenburg) und 4 Postämter dritter Klasse, sämtlich mit Telegraphenbetrieb,
sowie ein Fernsprechamt. – Der Schiffsverkehr ist sehr bedeutend und wird durch den neuen von der Stadt für 8 Mill. Magdeburg angelegten
Handelshafen mit Anschlußgleisen sowie durch die umfangreichen Eisenbahnanlagen an den Ufern der Elbe und den staatlichen
Winterhafen an der Zollelbe gefördert. 1895 kamen an: zu Berg (zu Thal)
[* 26] 3505 (1045) Segelschiffe mit 638962
(354191) t, 46 (50) Güterdampfer mit 16227 (1436) t, außerdem 0 (7703) t Floßholz;
es gingen ab zu Berg (zu Thal) 75 (1672) Segelschiffe mit 20433 (452767) t und 0 (72) Güterdampfer mit 0 (20858) t. Unbeladen kamen an (gingen ab) 237 (2247) Segelschiffe und 33 (56) Güterdampfer.
Magdeburg, schon in der Reformationszeit als Festung [* 27] bekannt, wurde zuletzt 1866 neu ausgebaut; es erhielt eine polygonale Umwallung mit vorspringenden Kavalieren und Flankierung aus Kaponnieren. Teile der alten bastionierten Befestigung wurden in die neue mit aufgenommen. Die innern Festungswerke sind jetzt als solche sämtlich aufgegeben, nur ¶
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die Citadelle hat noch fortifikatorische Bedeutung. Vor die Umwallung sind kleinere Werke (Redouten) um mehrere 1000 m vorgeschoben, die aber, damals mehr provisorisch aufgeführt, nicht ergänzt sind und den Charakter moderner Forts nicht besitzen. Als Sperrpunkt mehrerer Eisenbahnübergänge über die Elbe und als großer Depotplatz ist auch heute noch bedeutend.
Geschichte der Stadt und des Erzbistums. Schon 805 wird als Handelsort genannt. Otto Ⅰ. legte hier 937 ein Benediktinerkloster zu Ehren des heil. Mauritius an und verwandelte dasselbe 968 in ein Erzbistum, dem die Bischöfe von Meißen, [* 29] Merseburg, [* 30] Naumburg (Zeitz), [* 31] Brandenburg [* 32] und Havelberg [* 33] untergeordnet wurden. Die Bistümer Lebus und Posen [* 34] kamen Ende des 12. Jahrh. zum Erzstift Gnesen, wogegen Anfang des 13. Jahrh. das Bistum Cammin dem Erzstift Magdeburg unterstellt wurde.
Die Erzbischöfe, die sich den Titel eines Primas von Germanien [* 35] beilegten, führten im Mittelalter wiederholte Kriege gegen die Slawen, in deren Gebiet sie Eroberungen machten (Erzbischof Wichmann), sowie gegen Kaiser Heinrich Ⅳ., die Markgrafen von Brandenburg und die Bürger von Magdeburg selbst. Nachdem 1325 der von der Stadt gefangen gesetzte, streitsüchtige Erzbischof Burchard Ⅲ. erschlagen worden war, wurden die Bürger von Magdeburg, um vom Banne loszukommen, gezwungen, den Erzbischöfen den Huldigungseid zu leisten. – Das Gebiet des Erzbistums bestand aus einem von Halberstadt, [* 36] Braunschweig, [* 37] der Alt- und Mittelmark, Kursachsen und Anhalt [* 38] umgrenzten Hauptteile und dem von diesem durch das Anhaltische getrennten Saalkreise und umfaßte etwa 5400 qkm. Seit 1513 wurden die Erzbischöfe, oder, wie sie nach dem Erzbischof Sigismund (gest. 1566) hießen, die Administratoren aus dem brandenb. Fürstenhause gewählt, und nur der letzte stammte aus dem Hause Kursachsen (August).
Der schon frühzeitig errichtete Schöffenstuhl stand im Mittelalter in großem Ansehen, und das Magdeburger Recht, eine Mischung von altsächs. Gewohnheits- und magdeburgischem Lokalrecht, fand weite Verbreitung. 1524 fiel die Stadt der Reformation zu, wurde aber, als sie die Annahme des Interims verweigerte, in die Acht erklärt und infolgedessen vom bis vom Kurfürsten Moritz von Sachsen belagert, nach der Übergabe jedoch schonend behandelt.
Im Dreißigjährigen Kriege schlossen die Kaiserlichen unter Wallenstein 1629 Magdeburg 28 Wochen lang vergeblich ein, und 1631 belagerte es Tilly aufs neue. Die Bürger leisteten mit Hilfe einer schwachen schwed. Besatzung unter Falkenberg eine Zeit lang Widerstand, knüpften aber endlich Unterhandlungen an. Im Vertrauen auf den bevorstehenden Vertrag verließen sie zum Teil ihre Posten, und die Stadt wurde 10. Mai (20. Mai neuen Stils) 1631 erstürmt, geplündert und verbrannt, wobei nur der Dom, das Kloster Unser Lieben Frauen mit Kirche und etwa 130 meistens kleine Häuser verschont blieben und etwa 30000 E. umkamen.
Otto von Guericke (s. d.), der Erfinder der Luftpumpe, [* 39] war damals Ratmann und Ratsbauherr. Über den Urheber der Zerstörung von Magdeburg sind verschiedene Ansichten geltend gemacht worden (vgl. namentlich O. Klopp, Tilly im Dreißigjährigen Kriege, neue Aufl., 2 Bde., Paderb. 1894‒95; G. Droysen, Studien über die Belagerung und Eroberung M.s in den «Forschungen zur deutschen Geschichte», Bd. 3, Gött. 1863; Wittich, Magdeburg, Gustav Adolf und Tilly, Bd. 1, Berl. 1874; Volkholz, Die Zerstörung M.s im Lichte der neuesten Forschung, Magdeb. 1892, und Magdeburg Dittmar, Die Zerstörung M.s im J. 1631, in den «Magdeburgischen Geschichtsblättern», 29. Jahrg., ebd. 1894). Von den Kaiserlichen 1632 wieder verlassen, wurde Magdeburg von den Schweden [* 40] besetzt, 1636 den Kaiserlichen und Sachsen übergeben, worauf 1638 der durch den Prager Frieden bestimmte neue Administrator, Herzog August von Sachsen, das Erzstift in Besitz nahm.
Gegen den Schluß des Krieges hatte die Stadt noch eine fünfte Belagerung zu bestehen. Nach der Bestimmung des Westfälischen Friedens (1648) kam das Erzstift als weltliches Herzogtum an Brandenburg. Die Stadt suchte für sich mit Hilfe der Schweden die Reichsfreiheit zu gewinnen, wurde aber vom Großen Kurfürsten 1666 im sog. Kloster Bergischen Vertrage gezwungen, sich zu unterwerfen. Nach dem Tode des letzten Administrators, August (1680), ging das Erzstift erst wirklich in brandenb. Besitz über. 1806 gehörte Magdeburg unter die Zahl der preuß. Festungen, die dem Feind ohne Widerstand übergeben wurden. Mit einer starken Besatzung versehen, hielt sich Magdeburg 1813 und 1814 gegen das Tauenziensche Korps, bis sie infolge des ersten Pariser Friedens an Preußen [* 41] zurückgegeben wurde. Die früher selbständigen Städte Sudenburg (1867), Neustadt (1886) und Buckau (1887) sind mit Magdeburg vereinigt. ^[]
Vgl. F. W. Hoffmann, Chronik der Stadt Magdeburg (3 Bde., Magdeb. 1843‒50; neu bearbeitet von Hertel und Hülße, 2 Bde., ebd. 1885‒86);
Brandt, Der Dom zu Magdeburg (ebd. 1863);
Chroniken von Magdeburg (Bd. 1, hg. von Janicke, Bd. 7 der «Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrh.», Lpz. 1869);
Dittmar, Beiträge zur Geschichte der Stadt in den ersten Jahren nach ihrer Zerstörung, 1. Tl. (Halle [* 42] 1885);
Uhlirz, Geschichte des Erzbistums Magdeburg unter den Kaisern aus sächs. Hause (Magdeb. 1887);
Wolter, Geschichte der Stadt Magdeburg (2. Aufl., ebd. 1890);
Kawerau, Magdeburg. Ein deutsches Städtebild (3. Aufl., ebd. 1891);
Sitzepfandt, Magdeburg (Zür. 1891);
Tollin, Geschichte der franz. Kolonie von Magdeburg (Bd. 1‒3, Halle; dann Magdeb. 1892);
Wittich, Dietrich von Falkenberg, Oberst und Hofmarschall Gustav Adolfs.
Ein Beitrag zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (ebd. 1892); Hertel, Urkundenbuch der Stadt Magdeburg (Bd. 1. u. 2, Halle 1892‒94); Geschichtsblätter für Magdeburg (erscheinen seit 1866).