gewerbliche, bezwecken das Halten eines gemeinschaftlichen Verkaufladens für mehrere Gewerbtreibende;
häufig wird damit auch gemeinsamer Einkauf von Rohstoffen sowie auch
Annahme von
Bestellungen auf nicht vorrätige Waren verbunden,
welche sodann die
Mitglieder auf getrennte oder selbst gemeinsame
Rechnung ausführen. In letzterm Falle nähern sich die
Magazingenossenschaften den Produktivgenossenschaften (s. d.).
Bisweilen verbinden sich auch Mitglieder verwandter
Gewerbe, wie Tischler und
Tapezierer u.s.w., zur
Begründung eines gemeinschaftlichen
Magazins
(Gewerbe- oder Industriehallen). Mehrfach stehen die Magazingenossenschaften mit Kreditgenossenschaften in
Verbindung. 1894 bestanden in
Deutschland
[* 2] 57 gewerbliche Magazingenossenschaften (worunter 34 mit beschränkter Haftpflicht), darunter 29 von
Tischlern,und 6 Gewerbehallen.
Über die entsprechenden
Vereine der Landwirte s.
Absatzgenossenschaft.
Die Zahl der Mitglieder solcher Genossenschaften ist von vornherein eine bestimmt gegebene, oder ihre durch Teilungen oder Vereinigungen
von Besitz hervorgerufene Veränderung hat keinen Einfluß auf den Kreis
[* 5] der genossenschaftlichen Wirksamkeit.
Es gibt ferner Genossenschaften, bei denen die Haftpflicht der Mitglieder von derjenigen der Mitglieder einer Aktiengesellschaft sich überhaupt
nicht unterscheidet; solche, bei welchen die Genossen sich am genossenschaftlichen Leben durch Arbeit nicht mehr beteiligen
als der Aktionär an der Aktienunternehmung; endlich freie Genossenschaften neben Zwangsgenossenschaften, bei denen der
Wille der Majorität oder des Gesetzes den Beitritt erzwingt, den Austritt verhindert (Waldschutzgenossenschaften, landwirtschaftliche
Meliorations-, Be-, Entwässerungsgenossenschaften, Deichgenossenschaften oder Deichverbände).
Daher ist der Begriff nur länderweise je nach den gesetzlichen Bestimmungen über die verschiedenen Gruppen von Genossenschaften, dann auch
nach der Besonderheit der einzelnen Gebiete genossenschaftlicher
Wirksamkeit bestimmt zu geben. Allerdings
denkt man gewöhnlich, wenn von Genossenschaften schlechthin die Rede ist, an solche, welche im Gegensatz zu den alten Zünften sich auf dem
Weg freiwilliger Vereinigung bilden, um durch ihre Vereinigung die Vorteile des Großbesitzes und des Großbetriebes zu erreichen.
Das Genossenschaftsrecht.
Der Zahl und dem Geschäftsumfang nach stehen heute die gewerblichen Zwecken dienenden, auch im Gebiet
des landwirtschaftlichen Gewerbebetriebes anwendbaren Genossenschaften, insbesondere die Kredit- oder Vorschußvereine, in erster Linie. In
Deutschland war der Rechtsboden derselben vor ihrer besondern gesetzlichen Regelung ein durchaus unsicherer. Letztere erfolgte
durch Schaffung eines besondern Genossenschaftsrechts, um dessen Begründung Schulze-Delitzsch sich hervorragende
Verdienste erworben hat.
Vor allem war es nötig, daß die Genossenschaften die Rechte einer juristischen Persönlichkeit erlangen können. Dies ermöglicht das
norddeutsche Bundesgesetz vom (seit 1873 gültig für das ganze Deutsche Reich).
[* 6] Nach demselben können Gesellschaften
von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Kredits, des Erwerbes oder der Wirtschaft
ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken, die Rechte einer eingetragenen Genossenschaft erwerben.
Zur Erleichterung der Abfassung eines solchen Statuts hat Schulze-Delitzsch Musterstatuten veröffentlicht. Das Geschäftskapital
ist ein nach der wechselnden Mitgliederzahl veränderliches. Dasselbe wird zunächst durch die Geschäftsanteile
gebildet, welche jedes Mitglied bis zu statutenmäßig bestimmter Höhe einzuzahlen hat. Diese Anteile sind, um eine größere
Beteiligung kleiner Leute zu ermöglichen, meist niedrig bemessen; auch können sie in Raten entrichtet werden. Im letztern
Fall werden jedoch Gewinnanteile nicht ausgezahlt, sondern dem Geschäftsanteil so lange zugeschlagen,
bis derselbe seine statutenmäßige Höhe erreicht hat.
Gewinn und Verlust werden bei Vorschußvereinen in der Regel nach Höhe der Geschäftsanteile verteilt, während bei andern Genossenschaften die
Gewinnverteilung nach dem Umsatz die Regel bildet. Die Mitgliedschaft erlischt durch Tod, freiwilligen Austritt oder durch Ausschließung.
Die Genossenschaften haben Kaufmannseigenschaft, ihr Geschäftsbereich kann sich auf die Mitglieder
beschränken, jedoch auch auf Nichtmitglieder ausdehnen. Das deutsche Gesetz verlangt ausschließlich unbeschränkte Haftpflicht,
während andre Länder sich für das Wahlsystem entschieden haben und der Gesellschaft überlassen, ob sie sich mit beschränkter
oder mit unbeschränkter Haftbarkeit konstituieren will. Dabei gilt im Zweifelsfall in England und Frankreich
die beschränkte, in Belgien,
[* 7] den Niederlanden und der Schweiz
[* 8] die unbeschränkte Haftpflicht als normal. Ehe die Genossenschaften rechtlich
anerkannt waren, waren ihre Mitglieder nach gemeinem Recht solidarisch haftbar. Nach dem preußischen Gesetz vom hafteten
sie mit ihrem Vermögen solidarisch erst,
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mehr
insoweit das Gesellschaftsvermögen zur Erfüllung der Verbindlichkeiten nicht ausreichte. Auch nach jetzt gültigem Rechte
dient zunächst das Gesellschaftsvermögen zur Befriedigung der Gläubiger. Wenn dasselbe nicht zureicht, so kommt, um Regreßprozesse
zu vermeiden, das die Härten derSolidarhaft mildernde Umlageverfahren in Anwendung, d. h. der Vorstand stellt einen Verteilungsplan
auf, in welchem berechnet ist, welche Beiträge jedes Mitglied zu leisten hat.
Dieser Plan kann gerichtlich als zwangsweise vollstreckbar erklärt werden, was jedoch dessen (freilich nicht mit Suspensivwirkung
verknüpfte) Anfechtbarkeit auf dem Weg der Klage durch die einzelnen Genossenschafter nicht ausschließt. Die Frage, ob nur
unbeschränkte Haft oder daneben auch nach freier Wahl der Gesellschaft mit Wahrung der nötigen Sicherheit
für Dritte die beschränkte Haft zulässig sein soll, bildete in den letzten Jahren in Deutschland einen Gegenstand lebhafter
Erörterung, die eine im allgemeinen der freien Wahl zuneigende Anschauung gefördert hat.
Übrigens bietet das Innungsgesetz vom in beschränktem Rahmen Gelegenheit, einzelne Aufgaben
von Genossenschaften zu lösen, ohne die durch das Genossenschaftsgesetz vorgeschriebene persönliche Haftung der
Mitglieder übernehmen zu müssen. Nach dem genannten Gesetz können die neuen Innungen zur Förderung des Geschäftsbetriebes
ihrer Mitglieder einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb einrichten. Nach § 99 der Gewerbeordnung haftet aber für alle
Verbindlichkeiten der Innung nur das Innungsvermögen. Die vor 1873 in Bayern
[* 10] gegründeten Genossenschaften, welchen
das Gesetz vom das Recht der beschränkten Haftpflicht zugestanden hatte, behalten dasselbe auch fernerhin bei. Die
Haftpflicht ist zeitlich beschränkt. Sie verjährt binnen zwei Jahren nach Auflösung einer Genossenschaft, bez. nach dem Ausscheiden
des einzelnen Genossenschafters.
Organe der Genossenschaften sind: der gesetzlich vorgeschriebene Vorstand, welcher aus den
Mitgliedern zu wählen ist, und der die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich vertritt, die Generalversammlung, in
welcher, wenn nichts andres bestimmt ist, jeder Genosse eine Stimme hat, der Aufsichtsrat, welchen die Genossenschaft zur Überwachung
der Geschäftsführung und Kontrolle dem Vorstand an die Seite setzen kann, sowie in besondern FällenBevollmächtigte,
welche zur Führung von Prozessen gegen Mitglieder des Vorstandes oder Aufsichtsrats etc. ernannt werden können.
Diejenigen Genossenschaften, deren Thätigkeit vorwiegend oder ganz dem Bereich des Handels und des Verkehrs angehört (Konsum-, Kreditvereine),
werden oft als Distributivgenossenschaften andern Genossenschaften, wie insbesondere den Produktiv- und Baugenossenschaften, deren Thätigkeit
auf die Güterproduktion gerichtet ist, gegenübergestellt. Den kleinen Leuten sollen durch die Verbindung die Vorteile des
Großbesitzes und Großbetriebes zugänglich gemacht werden. Innerhalb gewisser Grenzen
[* 12] ist dies immer möglich.
Die genossenschaftliche Verbindung kann nicht allein technisch-finanziell, sondern auch in sittlicher
und sozialer Beziehung einen segensreichen Einfluß ausüben (Interesse der selbständigen Genossen gegenüber dem von Lohnarbeitern,
erzieherische Wirksamkeit, Förderung der Sparsamkeit und des Gemeinsinns, Übung in Selbstverwaltung und Unterordnung, angemessenere
Einkommensverteilung etc.). Dagegen haben manche Genossenschaften im Anfang mit großen
Schwierigkeiten zu kämpfen (Mangel an Kapital und Geschäftserfahrung), und wenn einmal die Glut des ersten
Eifers sich abgekühlt hat, so drohen die Gefahren der durch Vielköpfigkeit hervorgerufenen Schwerfälligkeit, des Mißtrauens,
der Unbotmäßigkeit etc. Je inniger die Verbindung ist (insbesondere bei Produktivgenossen), um so mehr muß sich tüchtige
technisch-wirtschaftliche Bildung und Sach- und Menschenkenntnis mit einem hohen Maß moralischer Kraft
[* 13] bei
allen Genossen paaren, wenn die Verbindung Aussicht auf Bestand haben soll.
Infolgedessen haben denn auch diejenigen Genossenschaften, welche hohe Anforderungen in moralischer und wirtschaftlicher
Beziehung stellen, wie die Produktivgenossenschaften, in Deutschland bisher wenig Verbreitung gefunden, während die meisten
Genossenschaften auf den Gebieten sich gebildet haben, auf welchen der Möglichkeit einer zahlreichen
Mitgliedschaft mäßige Anforderungen an Leistungsfähigkeit und moralische Kraft der Genossen gegenüberstehen (Konsum- und
Kreditvereine).
In Deutschland hat sich das Genossenschaftswesen, angeregt und gefördert durch Schulze-Delitzsch, in kurzer Zeit außerordentlich
entwickelt. Es bestanden Genossenschaften, gegründet nach dem SystemSchulze-Delitzsch, der zuerst 1849 eine Einkaufsgenossenschaft
für Arbeitsmaterial von Handwerkern in Delitzsch
[* 14] ins Leben gerufen hatte, im J. 1876: 3080, 1881: 3481, 1884: 3822. Die Mitgliederzahl
wird für 1884 auf rund 1½ Mill. beziffert, die gesamten geschäftlichen Leistungen wurden auf 3000 Mill. Mk.
veranschlagt, denen 300 Mill. angesammelte eigne Kapitalien an Geschäftsanteilen und Reserven und etwa 500 Mill.
fremde Gelder als Betriebsfonds dienten. Dazu kamen noch ca. 800 RaiffeisenscheDarlehnskassen und andre landwirtschaftliche
Genossenschaften. Ein großer Teil der deutschen Genossenschaften gehört zum »Allgemeinen
Verband
[* 15] der auf Selbsthilfe beruhenden Erwerbs- undWirtschaftsgenossenschaften«,
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Zwischenglieder zwischen den einzelnen Vereinen und dem Vereinstag bilden die Unter-, Provinzial- oder Landesverbände, zur
Zeit 33 an Zahl, umfassend die Vereine einzelner Provinzen und Länder oder auch gewisser Zweige der Genossenschaften (Fachverbände).
Die von diesen Zwischengliedern gewählten Vorstände bilden einen engern Ausschuß und stehen dem Anwalt bei Ordnung der Finanzen
des Verbandes wie in allen andern wichtigen Angelegenheiten zur Seite. Als Verbandsorgan in der Presse
[* 18] dient die von Schulze-Delitzsch
gegründete Wochenschrift »Blätter für Genossenschaftswesen« (früher »Innung der Zukunft«, Leipz. 1866 ff.,
jetzt redigiert von Schenck). Die von Verbandsvereinen 1864 mit 9 Mill. Mk. Aktienkapital gegründete Deutsche Genossenschaftsbank
von Sörgel, Parrisius u. Komp. in Berlin und ihre Kommandite in Frankfurt
[* 19] a. M. vermitteln den Genossenschaften die Großbankverbindung und
den Giroverkehr.
Diese Genossenschaften, welche den RaiffeisenschenDarlehnskassen in ihren Zielen sehr nahe stehen und nur in den Verwaltungsformen
sich wesentlich unterscheiden, wollen das Kreditbedürfnis ihrer Mitglieder, welche als einzelne Personenan sich nur geringen
Kredit genießen, durch Vereinigung der gesamten Einzelkredite in einen durch die Solidarhaft ihrer Mitglieder wesentlich erhöhten,
somit die Beschaffung fremder Kapitalien erleichternden Gesamtkredit und durch Gewährung von verzinslichen Vorschüssen an
ihre Mitglieder befriedigen.
Als Mittel des Geschäftsbetriebes dienen die eingezahlten Geschäftsanteile, die aus Eintrittsgeldern
und Gewinnanteilen angesammelten Reserven und die Anlehen. Ein regelmäßiger Geschäftsgang wird gesichert durch Vorsicht
bei der Kreditgewährung (nur für kurze Zeit und produktive Zwecke unter sichernder Bürgschaft),
durch richtige Bemessung
der Fristen für Kündigung des geliehenen Kapitals, der Mitgliedschaft und für Auszahlung von Geschäftsanteilen.
Diese Genossenschaften können insbesondere auch dadurch einen guten Einfluß ausüben, daß sie zur Kapitalbildung
und zur Sparsamkeit anregen.
Die Konsumvereine (Lebensbedürfnisvereine), welchen Mitglieder der verschiedensten Berufsstellungen angehören
können, kaufen Waren, insbesondere Lebensmittel, im großen ein und geben sie an die Mitglieder (manche Vereine auch an
Nichtmitglieder) zumeist mit mäßigem Aufschlag, in seltenen Fällen zu den Selbstkosten ab. Am Schluß des Geschäftsjahrs
wird der Geschäftsgewinn nach Verhältnis der Einlagen oder des Jahreskonsums als Gewinnanteil verteilt oder gutgeschrieben.
Das nötige Geschäftskapital wird durch Geschäftsanteile und Eintrittsgelder beschafft, ausnahmsweise auch durch Anlehen,
bez. Warenkauf auf Kredit. Der Verkauf soll nur gegen Barzahlung erfolgen. Einzelne Vereine sind nur Markenvereine
(Markenkonsumvereine), welche mit Geschäftsleuten Verträge dahin abschließen, daß ihre Mitglieder, welche sich durch vom
Verein ausgestellte Marken zu legitimieren haben, bei Entnahme von WarenRabatt erhalten. Dieselben kommen, nachdem manche derselben
wenig günstige Erfahrungen gemacht haben (schlechtere Behandlung, geringere Warenqualität), heute nur
noch selten vor.
Dagegen bestehen solche Markenverträge bei vielen Konsumvereinen, welche eigne Warenlager halten, für solche Lebensbedürfnisse,
die in diesen Lagern nicht vorrätig sind. Die Konsumvereine wollen nicht allein billige, sondern auch unverfälschte Waren
liefern, durch Zwang zur Barzahlung vom Kreditnehmen und seinen Folgen loslösen und das Ansammeln von Ersparnissen
erleichtern. Dagegen haben manche derselben mit dem Übelstand zu kämpfen, daß sie nicht das jeden Vorteil ausnutzende
Interesse des Geschäftsmanns bethätigen können, insbesondere wenn sie sich nicht einer sehr tüchtigen und opferwilligen
Leitung erfreuen.
Außerdem hält die Solidarhaft leicht kaufkräftige Mitglieder fern. Eine wohlthätige Wirkung üben die Konsumvereine
besonders bei mangelnder Konkurrenz aus (Fabriken, Bergwerke mit zahlreichen Arbeitern in verkehrsarmen Gegenden). Verkaufen
Konsumvereine auch Waren an Nichtmitglieder, so sind sie auch als gewerbesteuerpflichtig anzusehen.