Titel
Mähren
Böhmen, Mähren und Öst

* 3
Mähren.
[* 3] (tschech. Morava), Markgrafschaft und Kronland der österreich.
Monarchie, wird nördlich von Preußisch- und Österreichisch-Schlesien, östlich von
Ungarn,
[* 4] südlich von
Ungarn und
Niederösterreich,
westlich von
Böhmen begrenzt und umfaßt 22,224 qkm (403,6
QM.). S.
Karte
»Böhmen, Mähren
etc.«
[Physische Beschaffenheit.]
Das Land ist im W., N. und O. von Randgebirgen eingeschlossen und hat am hercynisch-sudetischen Hochland sowie an den Karpathen Anteil. Mit Ausnahme der Oder fließen seine Gewässer, wie in Böhmen (nur in entgegengesetzter Richtung), einem einzigen Ausgang zu. Man unterscheidet vier Erhebungszonen:
1) den böhmisch-mährischen Höhenzug, welcher aus kristallinischem Schiefer besteht und drei Terrassen bildet, die südliche mährisch-österreichische Terrasse, welche nördlich bis zur Thaya reicht, die mittlere mährische Terrasse, welche sich mit zahlreichen Kuppen bis zur Schwarzawa hinzieht, im Mittel 485 m hoch ist, im Iglauer Bergland aber die größte Höhe erreicht (Jaworschitze 836 m, Kaiserstein 810 m, Hradisko 769 m), und die niedrigere nördliche mährische Terrasse, welche sich bis zum Oberlauf der March erstreckt und in dem zerklüfteten Gebirge um Blansko (Hornberg 657 m) die berühmten Slouper Höhlen und den Erdfall Mazocha (s. d.) enthält;
Paß (in der Baukunst)
![Bild 62.936: Paß (in der Baukunst) - Passaglia [unkorrigiert] Bild 62.936: Paß (in der Baukunst) - Passaglia [unkorrigiert]](/meyers/thumb/62/62_0936.jpeg)
* 5
Paß.
2) die
Sudeten im N., welche im äußersten Nordwesten mit dem
Glatzer Bergland
(Großer oder Spieglitzer
Schneeberg 1417 m) nach Mähren
hereinreichen, sodann von der Marchquelle bis zur Oder sich als
mährisch-schlesisches Gesenke mit
den höchsten
Erhebungen des
Landes hinziehen
(Altvater 1487 m, Köpernikstein 1417 m,
Hohe
Heide 1400
m) und sich nach SO. zum
Odergebirge abflachen (Rothberg 745 m). Jenseit des
Sattels, zwischen
March und Oder, erheben sich 3) die
Karpathen mit dem an der
ungarischen
Grenze gelegenen
Weißen
Gebirge oder der Miavagruppe (Wysoka 1020 m, Javornik 1013
m) und deren Seitenästen
(Keltscher
und
Bistritzer
Gebirge 857 m,
Hostein 731 m, Zapp 837 m), dann den
Bieskiden im nordöstlichen Teil des
Landes
(Kniehyna 1252 m, Smrk 1339 m, Radhoscht 1135 m). Wichtige
Pässe sind in den
Sudeten der Spornhauer
Paß,
[* 5] in den
Karpathen der
Lissa- und Wlarapaß.
Isoliert steigt im S. der fruchtbaren Hanna 4) das Marsgebirge (Hrad 534 m) auf und südlich von der Thaya die Gruppe der Polauer Berge (544 m). Unter den Thälern sind die bedeutendsten: das Marchthal, welches mit der fruchtbaren Niederung der Hanna und dem Thayathal in Verbindung steht, dann das Oderthal (»Kuhländchen«). Der größte Teil des Landes (an neun Zehntel) gehört dem Gebiet der March und also dem Donaugebiet an. Der Hauptfluß ist die March, welche vom Spieglitzer Schneeberg kommt, aber erst von Göding an schiffbar wird.
Ihre wichtigern Nebenflüsse sind rechts: Sazawa, Hanna und vorzüglich die Thaya, die den ganzen Süden des Landes durchfließt und die Iglawa, welcher die aus der Vereinigung der Schwarzawa und Zwittawa entstehende Schwarza zugegangen ist, aufnimmt;
links: die Betschwa und Olsawa.
Jundt - Jupiter

* 6
Klima.
Die in Mähren
entspringende Oder bildet streckenweise die
Grenze gegen Österreichisch-
und
Preußisch-Schlesien und nimmt rechts die Ostrawitza auf.
Seen hat Mähren
keine, dagegen viele
Teiche, die größten an der
Südgrenze bei
Eisgrub. Von den mehr als 50
Mineralquellen sind beachtenswert: die warme
Schwefelquelle
zu
Ullersdorf im Teßthal und die
Kochsalzquellen von
Luhatschowitz. Außerdem ist
Roznau (mit Molkenheilanstalt) ein besuchter
Kurort. Das
Klima
[* 6] ist im allgemeinen mild, doch besteht zwischen dem gebirgigern
Norden
[* 7] und dem
Süden ein bedeutender klimatischer
Unterschied; während hier der
Wein gut gedeiht, kommt dort nicht selten der
Hafer
[* 8] kaum zur
Reife. Die mittlere
Jahrestemperatur beträgt zu
Brünn
[* 9] 8,9° C., in
Hochwald bei
Mistek 7,8,° zu
Iglau
[* 10] 9,5° C. Die jährliche
Menge des
Niederschlags
ist in
Brünn 50, in
Hochwald 78
cm. Herrschender
Wind ist der Nordwest.
Grenzen der Hörbarkeit
![Bild 58.307: Grenzen der Hörbarkeit - Grenzfälschung [unkorrigiert] Bild 58.307: Grenzen der Hörbarkeit - Grenzfälschung [unkorrigiert]](/meyers/thumb/58/58_0307.jpeg)
* 13
Grenzen.[Bevölkerung.]
Die
Bevölkerung von Mähren
betrug 1880: 2,153,407 Einw. und vermehrt
sich im
Durchschnitt um 0,59 Proz. im Jahr. Auf das QKilometer kommen 97 Bewohner.
Der
Nationalität nach ist die
Bevölkerung
[* 11] überwiegend (mehr als 70 Proz.) slawischer Abkunft
(Tschechen oder Mähren
), doch
gibt es auch viele Deutsche
[* 12] (über 29 Proz.). Nach der
Religion sind über 95 Proz. Katholiken, gegen 3 Proz.
Reformierte
und
Lutherische und 2 Proz.
Juden im
Lande. Die
Deutschen leben an den
Grenzen
[* 13] gegen
Niederösterreich und
Schlesien,
[* 14] sonst in verschiedenen
Sprachinseln (um
Iglau,
Zwittau) und in allen
Städten. Die
Slawen teilt
man in
Hannaken (s. d.),
Slowaken,
Walachen, Podhoraken
etc.; doch sind dies zumeist lokale Bezeichnungen. Mähren
hat 3374 Ortschaften
mit 300,936 bewohnten
Häusern.
[Land- und Forstwirtschaft etc.]
Die Landwirtschaft, die Hauptbeschäftigung der Bewohner, wird sehr rationell betrieben und durch die Fruchtbarkeit des Bodens und die klimatischen Verhältnisse recht begünstigt. Die Teilung des Grundbesitzes ist sehr vorgeschritten, da auf einen Grundbesitzer nicht ganz 5 Hektar Grundfläche kommen. Der Boden ist mit 56 Proz. Ackerland, 27 Proz. des Bodens sind Wald, 8 Proz. nehmen Wiesen und Gärten, 6 Proz. Weiden ein, ½ Proz. kommt auf Weingärten, 3 Proz. sind unproduktiv; kein andres Kronland hat verhältnismäßig so viel Ackerboden.
Gerste (Varietäten der

* 15
Gerste.Der fruchtbarste Teil des Landes ist die Hanna, dann folgen das Kuhländchen, das Marchthal und die Niederungen an der Thaya. Am meisten werden Roggen und Hafer gebaut, nächstdem Gerste [* 15] und Weizen (zusammen beträgt die durchschnittliche Ernte [* 16] 12 Mill. hl Kornfrüchte); außerdem werden viel Hülsenfrüchte (350,000 hl), Kartoffeln (11 Mill. hl), Zuckerrüben (10 Mill. metr. Ztr.), Futterrüben, Kraut, Klee, Flachs und Hanf sowie auch Anis, Fenchel, Senf und Mohn gebaut.
Mähren (Industrie und

* 19
Seite 11.105.Gemüse- und Obstbau sind von erheblicher Bedeutung; ersterer liefert unter anderm den berühmten Spargel von Eibenschitz, letzterer besonders Pflaumen zur Ausfuhr. Im mittlern Teil des Landes gewinnt man auch Kastanien. Guter Wein wird an den Hügeln von Znaim bis zur March hin, besonders um Bisenz, im ganzen auf einer Fläche von 15,000 Hektar gewonnen (Durchschnittsertrag 162,000 hl). Die niedrigen Bergzüge sind mit Laubholz (Eichen und Buchen), die höhern mit Nadelholz bestanden; beides gibt einen wichtigen Handelsartikel ab, der besonders nach Österreich [* 17] geht, Die Weiden sind für Schafzucht sehr geeignet; im Gesenke und in den Bieskiden wird selbst eine Art Almwirtschaft mit veredelten Schafen und Kühen getrieben. Die mährische Wolle ist fein und sehr gesucht, und aus Schafmilch bereiteter, sogen. Brinsenkäse ist Ausfuhrartikel. Doch nimmt der Schafstand sehr ab (1880: 158,852 Stück). Die Rindviehzucht (677,807 Stück) wird am erfolgreichsten im Kuhländchen, die Pferdezucht [* 18] (122,858 ¶
mehr
Stück) in der Hanna betrieben. Beträchtlich ist auch die Zucht von Ziegen (116,880), Schweinen (205,976), Hühnern, Gänsen und Bienen (83,441 Bienenstöcke). Der mährische Seidenbauverein bemüht sich um die Einführung der Seidenzucht. Jagd und Fischerei [* 20] sind ansehnlich. Produkte des Mineralreichs sind Steinkohle (über 10 Mill. metr. Ztr., hauptsächlich in dem nach Schlesien hinüberreichenden Ostrauer und im Rossitzer Becken), Braunkohle (1 Mill. metr. Ztr.), Eisenerz (239,000 metr. Ztr.) und Roheisen (1,516,000 metr. Ztr., namentlich aus ungarischen und steirischen Erzen gewonnen, die bedeutendste Produktion unter allen österreichischen Kronländern), Graphit (34,000 metr. Ztr.). Die Zahl der im Bergbau [* 21] und den Hüttenwerken verwendeten Arbeiter beträgt 8300, der Wert der Jahresproduktion 7 Mill. Gulden.
[Industrie und Handel.]
Die Industrie steht in Mähren
auf einer hohen Stufe. An Mannigfaltigkeit der Produkte kommt sie zwar der böhmischen
nicht gleich, doch ist der Wert der Produktion relativ größer. Die wichtigsten Artikel sind: Tuch, Leinwand, Baumwollwaren und
Rübenzucker. Der Hauptsitz des Gewerbfleißes ist Brünn. In Schafwollwaren nimmt Mähren
den ersten Rang in
Österreich ein; die Zahl der hierbei beschäftigten Hilfsarbeiter dürfte sich auf 40,000, der Wert der Jahreserzeugung unter
günstigen Zeitverhältnissen auf 50. Mill. Gulden belaufen.
Weberei

* 22
Weberei.Die bedeutendsten Orte für diesen Industriezweig sind: Brünn, Iglau, Namiest, Neutitschein, Leipnik u. a. Die Leinenspinnerei, Weberei [* 22] (letztere hauptsächlich als Hausindustrie) und Bleicherei werden meist im nördlichen Gebirgsland betrieben. Die Baumwollweberei hat ihre Hauptsitze in der Gegend von Sternberg, Proßnitz, Zwittau und Mistek. Unter den Textilindustriezweigen sind außerdem noch die Seidenweberei und die Maschinenspitzenfabrikation (Lettowitz) zu nennen.
Holywood - Holz

* 24
Holz.
Die Rübenzuckerfabrikation ist in Mähren
, ebenso wie in Böhmen, zu hoher Entwickelung gelangt. 1886 waren 48 Fabriken
im Betrieb, welche 13,000 Arbeiter beschäftigten und 7,5 Mill. metr. Ztr.
Rüben verarbeiteten. Eisenwaren und zwar Gußwaren, Schienen, Bleche etc. liefern insbesondere die Werke zu Blansko, Friedland,
Witkowitz und Zöptau. Andre Erzeugnisse der Metallindustrie sind: Eisengeschirr, Maschinen und Zinkblech. Wichtig sind
ferner die Gerberei und Schuhwarenfabrikation, die Branntweinbrennerei und Likörerzeugung, die Bierbrauerei
[* 23] (1886: 168 Etablissements
mit einer Erzeugung von 1,1 Mill. hl) und die damit in Verbindung stehende, für den Export thätige Malzfabrikation, die Darstellung
von ätherischen Ölen und andern chemischen Produkten, die Thonwaren- und Glas-, die Papier- und Hutfabrikation und
die Erzeugung von Möbeln aus gebogenem Holz.
[* 24] Vom Staat werden 6 Tabaksfabriken (mit 6800 Arbeitern) betrieben. Der Handel ist
bedeutend; der Export umfaßt sowohl Rohprodukte als Fabrikate, wogegen Salz,
[* 25] Kolonialwaren, Roh- und Hilfsstoffe der Industrie
importiert werden. Wichtig sind die Brünner Märkte. Dem Mangel an Wasserstraßen (ein Oder-Marchkanal ist projektiert)
helfen gute Landstraßen (9190 km) und die Eisenbahnen (1173 km) ab.
[Bildungsanstalten.]
An Bildungsanstalten bestehen: eine technische Hochschule in Brünn, 12 Ober-, 6 Unter- und 4 Realgymnasien, 12 Oberrealschulen
(3 in Brünn) und 3 Unterrealschulen, eine theologische Fakultät in Olmütz,
[* 26] ein erzbischöfliches Seminar in Kremsier und ein
bischöfliches in Brünn, ferner eine Staatsgewerbeschule, 12 gewerbliche Fach- und 2 Handelsschulen, 10 land-
und forstwirtschaftliche Schulen und eine militärtechnische Schule (Weißkirchen). Außerdem zählt Mähren
2107 Volksschulen, 4 Lehrer-
und 3 Lehrerinnenbildungsanstalten.
[Verwaltung.]
Die Markgrafschaft Mähren
wird in Landesangelegenheiten vom Landtag vertreten, welcher aus 100 Mitgliedern besteht,
nämlich dem Fürsterzbischof von Olmütz und dem
Bischof von Brünn, 30 Abgeordneten des großen Grundbesitzes, 31 der
Städte, 6 der Handelskammern und 31 Abgeordneten der Landgemeinden. An der Spitze des Landtags steht der Landeshauptmann. In das
Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrats sendet Mähren
36 Vertreter. An der Spitze der Landesverwaltung steht die Statthalterei,
welcher 6 politische Magistrate und 31 Bezirkshauptmannschaften unterstehen, nämlich:
Bezirk | Areal in QKilom. | Bevölkerung 1880 |
---|---|---|
Städte: | ||
Brünn | 17 | 82![]() |
Iglau | 10 | 22![]() |
Kremsier | 10 | 11![]() |
Olmütz | 3 | 20![]() |
Ung.-Hradisch | 3 | 3659 |
Znaim | 6 | 12![]() |
Bezirkshauptmannschaften: | ||
Auspitz | 733 | 69![]() |
Boskowitz | 851 | 79![]() |
Brünn | 1223 | 128![]() |
Datschitz | 1107 | 66![]() |
Gaya | 461 | 45![]() |
Göding | 769 | 71![]() |
Gr.-Meseritsch | 548 | 37![]() |
Hohenstadt | 609 | 72![]() |
Holleschau | 825 | 68![]() |
Iglau | 510 | 35![]() |
Kremsier | 456 | 43![]() |
Kromau | 677 | 40![]() |
Littau | 652 | 73![]() |
Mähr.-Trübau | 686 | 73![]() |
Mistek | 562 | 76![]() |
Neustadtl | 806 | 60![]() |
Neutitschein | 500 | 67![]() |
Nikolsburg | 396 | 37![]() |
Olmütz | 499 | 55![]() |
Prerau | 434 | 55![]() |
Proßnitz | 472 | 60![]() |
Römerstadt | 382 | 32![]() |
Schönberg | 806 | 74![]() |
Sternberg | 754 | 65![]() |
Trebitsch | 728 | 48![]() |
Ungarisch-Brod | 990 | 64![]() |
Ung.-Hradisch | 849 | 88![]() |
Wal.-Meseritsch | 989 | 76![]() |
Weißkirchen | 596 | 54![]() |
Wischau | 867 | 82![]() |
Znaim | 1438 | 93![]() |
Zusammen: | 22![]() |
2![]() ![]() |
16.384e

* 27
Wappen.Behufs der Rechtspflege ist das Land in sechs dem mährisch-schlesischen Oberlandesgericht in Brünn unterstehende Sprengel von Gerichtshöfen erster Instanz mit 70 Bezirksgerichten, behufs der Finanzverwaltung in vier der Finanzlandesdirektion in Brünn untergeordnete Bezirke eingeteilt. Revierbergämter sowie Handels- und Gewerbekammern bestehen zu Brünn und Olmütz. Das Land bildet ferner 6 Ergänzungsbezirke für das Heer und 2 katholische Diözesen (Erzbistum Olmütz und Bistum Brünn). Das Wappen [* 27] (s. Tafel »Österreichisch-ungarische Länderwappen«) [* 28] bildet ein in Gold [* 29] und Rot geschachter, gekrönter Adler [* 30] mit ausgebreiteten Flügeln im blauen Feld. Im Schild [* 31] befindet sich ein Fürstenhut. [* 32] Die Landesfarben sind Gold-Rot. Landeshauptstadt ist Brünn.
Mähren (Geschichte) -

* 33
Seite 11.106.Geschichte.
Die frühsten bekannten Bewohner Mährens
waren suevische Germanenstämme und zwar die Quaden, dann begegnen wir Rugiern, Herulern,
Langobarden und im 6. Jahrh. den Slawen, zunächst zwischen der Donau und March (Maraha, Morava), von welchem
Strom die Landes- und Volksbezeichnung: Marahanien = Mähren
, na Moravĕ, anderseits Marahanen = Mähren
, Mährer, Moravci,
stammt. Mojmir I. war der Begründer dieses westkarpathischen, das nordwestliche Ungarn und Südost-Mähren
einschließenden
Vasallenstaats unter fränkischer Oberhoheit. Unter der Herrschaft Rastislaws vergrößerte sich das Mähren
reich
während der Familienzwistigkeiten der Karolinger im 9. Jahrh. Rastislaw nahm den
¶
mehr
Königstitel an und wollte sich in politischer wie religiöser Beziehung von dem fränkischen Reich völlig unabhängig machen, indem er Bündnisse mit den oströmischen Kaisern und mit den Bulgaren einging und sich vom griechischen Kaiser Michael Missionäre erbat. Dieser sandte ihm 863 die Mönche Methodius und Konstantin (Cyrillus), welche die mährischen Landesapostel wurden. Von Ludwig dem Deutschen und seinen Söhnen vielfach bekriegt, nahm Rastislaw seinen Neffen Swatopluk zum Mitregenten an. Dieser schloß jedoch, von dem berechtigten Argwohn des Oheims bedroht, ein Bündnis mit Karlmann, nahm seinen Oheim durch List gefangen und lieferte ihn an Ludwig den Deutschen aus, welcher ihn 870 blenden ließ und in ein Kloster verbannte.
Swatopluk wurde nun Lehnsherzog von Mähren, indes schon 871 selbst des Treubruchs angeklagt und von Karlmann verhaftet. Als jedoch der Priester Sklagamar, von den Mähren zu ihrem Fürsten erwählt, einen Aufstand erregte, gab Karlmann Swatopluk wieder frei und übertrug demselben die Führung des bayrischen Heers, das letzterer jedoch, nachdem er sich heimlich mit den Mähren verständigt und zum Herzog ausgerufen worden war, plötzlich an der Spitze derselben überfiel und vernichtete.
Ein Feldzug Karlmanns 872 endete gleichfalls mit einer Niederlage. Auf dem Reichstag zu Forchheim 874 mußte König Ludwig Swatopluk als erblichen Herzog des mährischen Reichs gegen das Versprechen eines regelmäßigen Tributs anerkennen. Der Mährenherzog wußte seine Macht nach allen Seiten hin auszubreiten, auch die Tschechen unter Boriwoj I. in ein Abhängigkeitsverhältnis als Schutzpflichtige zu ziehen. Doch erwuchs ihm bald an den Magyaren der gefährlichste Feind.
Kraft [unkorrigiert]
![Bild 60.671: Kraft [unkorrigiert] Bild 60.671: Kraft [unkorrigiert]](/meyers/thumb/60/60_0671.jpeg)
* 34
Kraft.Als er König Arnulf den Gehorsam verweigerte, unternahm dieser 892, unterstützt von den Ungarn, gegen Mähren einen Feldzug, der erfolglos blieb. Swatopluk starb 894, und nach seinem Tod ging sein Reich rasch seinem Verfall entgegen. Seine Söhne Mojmir II. und Swatopluk II. bekämpften sich in einem Bruderkrieg, der die Kraft [* 34] des Volkes brach; die Tschechen fielen ab und unterwarfen sich dem fränkischen Reich. 906 erlagen die Mähren den wilden Magyaren, die den östlichen Teil, der auch den Namen Mähren verlor, das Gebiet der heutigen Slowaken, völlig unterwarfen. Im westlichen Teil, im eigentlichen Mähren, erlangten die Tschechen das Übergewicht; diesem Teil, dem Gebiet der March, blieb der Name Mähren. Die slowenische Liturgie, welche Methodius begründete, wich bereits unter Swatopluk (nach Methods Tode) der lateinischen, die von Salzburg [* 35] aus Eingang fand, und Mähren verlor so auch seine kirchliche Unabhängigkeit.
Unter Herzog Boleslaw III. von Böhmen ward eine Beute der Polen, die es bis 1029 behielten. Herzog Udalrichs Sohn Bretislaw I. 1029 vollführte die Wiedereroberung des Landes, so daß Mähren damals, abgesehen von dem größern Gebietsumfang im Südwesten und der geringern Ausdehnung [* 36] nach Ungarn hin, im großen und ganzen seinen jetzigen Umfang erhielt. Seitdem blieb Mähren mit Böhmen verbunden; doch ward es an die jüngern Söhne verteilt, welche dem ältesten, dem Herzog von Böhmen, zum Gehorsam verpflichtet waren. Bretislaw I. (gest. 1055) selbst wies seinem zweiten Sohn, Wratislaw, Olmütz, dem dritten, Otto, Brünn, und dem vierten, Konrad, Znaim zu, welche indes sofort einen Versuch machten, sich von Böhmen loszureißen, und deshalb von ihrem ältesten Bruder, Spithiniew, ihrer Lande beraubt wurden.
Belgien und Luxemburg

* 37
Luxemburg.Wratislaw II., welcher 1140 selbst Herzog von Böhmen wurde, teilte Mähren unter seine Brüder Otto und Konrad. Konrad von Znaim nahm, um gegen den böhmischen Herzog Friedrich einen mächtigen Beschützer zu gewinnen, Mähren vom Kaiser Friedrich I. als eine Markgrafschaft zu Lehen (1182), ward aber vom böhmischen Herzog besiegt, und in der Konstitution der Markgrafschaft Mähren vom wurde bestimmt, daß dieselbe dem Königreich Böhmen lehnspflichtig sein sollte. Nachdem Böhmen an das Haus Luxemburg [* 37] gefallen war, belehnte Kaiser Karl IV. als König von Böhmen 1349 seinen Bruder Johann Heinrich mit der Markgrafschaft und diesem folgte 1375 sein Sohn Jodocus (Jost), dessen Brüder Johann und Procopius mit dem Titel Markgrafen von Mähren einzelne Herrschaften des Landes zugewiesen erhielten.
Jodocus brachte indes die Anteile seiner Brüder durch Vertrag an sich und beherrschte danach die ganze Markgrafschaft. Später erbte er von seinem Oheim Johann von Görlitz [* 38] die Lausitz und ward kurz vor seinem Tod (1411) zum deutschen Kaiser gewählt. Nach seinem Tod ging als böhmisches Kronlehen an König Wenzel IV. und nach dessen kinderlosem Ableben an seinen Bruder Siegmund, König von Ungarn, über, der es 1423 seinem Schwiegersohn, dem Herzog Albrecht von Österreich, überließ.
Daraus ward es vom König Matthias Corvinus von Ungarn erobert. Nach seinem Tod fiel es an Böhmen zurück und mit diesem Land nach Ludwigs II. von Ungarn Tod 1526 an Österreich. Seit der Regierung des Kaisers Matthias hat es keine besondern Markgrafen mehr gehabt. Durch die Reichsverfassung von 1849 wurde Mähren für ein unmittelbares Kronland der Monarchie erklärt und das Herzogtum Schlesien, das bis dahin administrativ mit Mähren vereinigt war, davon abgelöst. Eine der Hauptforderungen der tschechischen Partei in Böhmen jedoch ist die Wiedervereinigung Mährens mit der Wenzelskrone.
Diese Partei besitzt in den feudalen und klerikalen Autonomisten Mährens ihre Anhänger, welche an der Tschechisierung Mährens arbeiten. Dagegen sucht die deutschliberale Partei ihre Stellung zu behaupten.
Vgl. Wolny, Die Markgrafschaft Mähren, topographisch, statistisch und historisch geschildert (Brünn 1835-42, 6 Bde.);
Derselbe, Kirchliche Topographie von Mähren (das. 1855-66, 10 Bde.);
Koristka, Die Markgrafschaft und das Herzogtum Schlesien (Wien [* 39] 1860);
Trampler, Heimatskunde der Markgrafschaft Mähren (das. 1877);
Smolle, Die Markgrafschaft Mähren (in »Die Länder Österreich-Ungarns«, das. 1881);
»Spezial-Ortsrepertorium von Mähren« (hrsg. von der k. k. statistischen Zentralkommission, das. 1885);
»Vollständiges topographisches Ortslexikon der Markgrafschaft Mähren etc.« (Brünn 1885).
Zur Geschichte: »Codex diplomaticus et epistolaris Moraviae« (hrsg. von Boczek, dann von Chlumetzky, Chytil und Brandl, Brünn 1836-64, 7 Bde.);
»Die Landtafel des Markgrafentums Mähren« (hrsg. von Demuth u. a., das. 1854);
Dudik, Mährens allgemeine Geschichte (Olmütz 1860-86, Bd. 1-11).