Madrid
,
[* 1] span. Provinz in der Landschaft Neukastilien, grenzt im N. und NW. an die Provinz Segovia, im O. an Guadalajara, im S. an Cuenca und Toledo, [* 3] im W. an Avila und hat ein Areal von 7989 qkm (145,1 QM.). Der nördliche und westliche Teil der Provinz wird vom Hauptzug der Sierra de Guadarrama und deren Ausläufern erfüllt und ist mit Wald bedeckt, das übrige Land ist eben oder hügelig und kahl. Bewässert wird das Land vom Tajo und dessen Nebenflüssen Jarama (mit Lozoya, Henares, Manzanares und Tajuña), dann Guadarrama und Alberche. Die Bewohner, 1878: 594,194 Seelen, beschäftigen sich, abgesehen von der Hauptstadt, mit Produktion von Getreide, [* 4] Öl und Wein, Industrie in Fayence, [* 5] Steingut, Glas [* 6] etc. Die Provinz hat 17 Gerichtsbezirke (darunter in der Hauptstadt 10).
Spanien und Portugal

* 7
Spanien. Die gleichnamige Stadt Madrid
, zugleich
Haupt- und Residenzstadt des
Königreichs
Spanien,
[* 7] liegt annähernd im
Mittelpunkt der
Pyrenäischen Halbinsel,
in der sandigen
Ebene von
Neukastilien, 650 m ü. M., am
Manzanares, welcher durch den
Jarama dem
Tajo zufließt,
im
Sommer aber fast gar kein
Wasser führt, und besteht aus der eigentlichen Stadt und mehreren Vorstädten.
In den letzten
Jahrzehnten, namentlich seit
Erbauung der
Eisenbahnen, hat sich die Stadt sehr vergrößert und verschönert;
die Vorstädte haben in der Hauptsache erst seit 1844 sich zu entwickeln begonnen und sind, nachdem die alten Stadtmauern
seit 1878 niedergerissen wurden, auch äußerlich mit der Stadt vereinigt worden.
Europa. Fluß- und Gebi

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Europa.Das Klima [* 8] von ist nicht günstig, im Sommer sehr heiß und trocken, im Winter kalt und rauh; die mittlere Jahrestemperatur beträgt 13,7° C. Der Anblick der Stadt von außen bietet wenig Anziehendes, da sie von öder Landschaft und unfreundlichen Ortschaften umgeben ist; aber im Innern ist eine der schönsten Städte von Europa, [* 9] mit regelmäßigen, breiten Straßen und Plätzen, gutem Pflaster, schön gebauten Häusern und prächtigen Promenaden. Nur der älteste Teil, zwischen dem königlichen Schloß und der Toledostraße, besteht aus engen, krummen Gassen und kleinen, winkeligen Plätzen.
Die Stadt hat gegen 12 km im Umfang, 600 Straßen und 75 Plätze. Die schönsten Straßen sind die mit Akazienalleen gezierte Calle de Alcala, von hohen Häusern mit Balkonreihen eingefaßt, unter denen sich namentlich das Gebäude der Aduana nacional, die Academia de San Fernando und der von der Herzogin von Alba [* 10] erbaute Palast de Buenavista auszeichnen; ferner die Calle de Montera, C. del Arenal, C. del Cármen, C. de Preciados, C. mayor, C. de Carretas und Carrera de San Geronimo, welche alle nach dem Mittelpunkt der Stadt, dem berühmten Platz der Puerta del Sol, auslaufen.
Brunnen (artesische Br

* 11
Brunnen.
Auch die
Calle Atocha, C. de
Toledo, C. de Fuencavral ^[richtig: Fuencaral oder Fuencarral] und C. de Hortaleza verdienen Erwähnung.
Die Hauptplätze Madrids
sind folgende: die Puerta del
Sol, ein regelmäßiger viereckiger Platz, von welchem die acht
genannten
Straßen strahlenförmig auslaufen, mit monumentalen Gebäuden und
Brunnen;
[* 11]
die Plaza mayor, gleichfalls ein regelmäßiges Viereck, [* 12] mit dem Standbild Philipps III., umringt von schönen Gebäuden mit Kolonnaden, früher die Stätte der Autodafees der Inquisition, später (seit 1846) zu Stierkämpfen verwendet;
die Plaza de Oriente mit der Reiterstatue Philipps IV., schönem Blumenparterre, von Baumanlagen mit 44 Statuen spanischer Herrscher und großen Gebäuden, darunter der Rückfassade des königlichen Schlosses und dem Teatro el Oriente (Opernhaus), umgeben;
die Plaza de Isabel II., die P. de Bilbao, [* 13] P. de Santo Domingo, [* 14] P. del Rey und die kleine P. da las Cortes mit dem Cortespalast und der bronzenen Bildsäule von Cervantes.
An der Ostseite der Stadt, am Ende der Straße von Alcala, liegt der Prado, eine von Ulmenalleen, die durch laufendes Wasser fortwährend erfrischt werden, durchschnittene und mit acht prächtigen Marmorfontänen gezierte Promenade von 3050 m Länge. An der östlichen Seite des Prado liegt das Museo del Prado oder die königliche Gemäldegalerie. Der Mündung der Straße von Alcala gegenüber steht der prachtvolle Triumphbogen der Puerta de Alcala.
Hof (meteorologisch) -

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Hof (meteorologisch) - Hofburgwache.Unter den mehr als 90 Kirchen ist architektonisch keine von besonderer Bedeutung. Die größte ist die von San Isidro el Real in der Toledostraße, mit reichvergoldeter Kuppel und vielen Bildwerken im Innern. Ein schönes Bauwerk ist auch das ehemalige Franziskanerkloster mit Kirche, einer Rotunde, von einer kolossalen Kuppel überwölbt, welche die Bestimmung eines Nationalpantheons hat. Unter den öffentlichen Gebäuden von ist das hervorragendste das große königliche Schloß am westlichen Ende der Stadt, an der Stelle des alten, 1734 abgebrannten Alkazar von Philipp V. im Renaissancestil erbaut, mit einem von Säulenhallen umgebenen Hof, [* 15] großer Marmortreppe, prächtigen Sälen, Bibliothek, Schatzkammer, Theatersaal, Sammlung flandrischer Gobelins und prächtigen Gärten, welche sich zum Manzanares absenken.
Außerdem sind zu nennen: der Cortespalast, der Justizpalast (ehemaliges, 1758 gestiftetes Nonnenkloster Salesas
Reales),
das Zollhaus in der Alcalastraße, das schon erwähnte
Museum der
Künste am
Prado, das königliche
Theater
[* 16] el
Oriente, sehr geräumig und luxuriös ausgestattet. Ein Neubau für die Nationalbibliothek und das
Museum ist in
Angriff
genommen worden. Östlich vom
Prado liegt das
Artillerie-Museum, der Überrest des ehemaligen Lustschlosses
Buen Retiro (s. d.),
am Eingang zum
Park von Madrid;
in der
Nähe desselben befindet sich die große befestigte Artilleriekaserne
und vor dieser, dicht am
Prado, das
Monument zum Andenken der am für die Unabhängigkeit der
Nation
Gefallenen. Zwischem
^[richtig: Zwischen] dem
Prado und dem
Park von ist ein hübscher
Garten
[* 17] mit dem Denkmal
Murillos angelegt
worden. Bemerkenswert sind auch der große
Kirchhof vor dem Atochathor, wo der Dichter
Calderon de la Barca begraben liegt,
und der
Zirkus oder die
Plaza de
Toros
vor der Puerta de
Alcala, bestimmt für die Abhaltung beliebter
Volksfeste, namentlich der
Stiergefechte, und für 16,000 Zuschauer eingerichtet.
Die Zahl der Einwohner beträgt (1878) 397,690. Die industrielle Thätigkeit
der Hauptstadt ist für spanische Verhältnisse bedeutend. Zu erwähnen sind besonders mehrere königliche
Fabriken (für
Tabak
[* 18] und
Zigarren,
Teppiche,
Gold- und Silberwaren und
Porzellan), dann die Madrider
Gold- u. Juwelierarbeiten, die
Teppich-,
Seife-
und Parfümeriefabriken, der Wagenbau, die Fabrikation von
Maschinen, musikalischen, chirurgischen und
Präzisionsinstrumenten,
Möbeln,
Handschuhen,
Knöpfen,
Fächern,
Riemer- und Sattler-
Madrid

* 20
Seite 11.51.
[* 1]
^[Abb.: Fig.
Wappen
[* 19] von Madrid.]
¶
mehr
waren, Porzellan, Schokolade und die polygraphische Industrie. Wichtig ist auch der Handel, namentlich in Cerealien, Wein, Öl,
Kaffee und Kolonialprodukten, in welchen Artikeln Madrid
das Entrepot für die innern Provinzen Spaniens bildet, dann in feinern und
Luxusartikeln (hauptsächlich aus Frankreich) für den sehr bedeutenden Lokalbedarf. Dem Handelsverkehr dienen in Madrid
mehrere
Institute, so die Bank von Spanien, eine Handelsbörse (seit 1831), eine Handelskammer (Junta de comercio) und ein Handelsgericht,
mehrere Versicherungsgesellschaften, Kreditanstalten, Sparkassen etc. Hinsichtlich der Verkehrsanstalten ist Madrid
das Zentrum
des spanischen Eisenbahnnetzes, indem hier Linien nach N. (über Valladolid nach Asturien, Galicien und Frankreich), NO. (Saragossa)
[* 21] und S. (nach Alicante, nach Andalusien und über Badajoz nach Portugal) auslaufen.
Vereinigte Staaten von

* 22
Wasserleitung.
Außer diesen Bahnlinien ist der unbrauchbare Manzanareskanal vorhanden, der den Manzanares mit dem Tajo verbinden sollte,
aber unvollendet blieb. Die Stadt ist in mehreren Richtungen von Tramways durchzogen. Seit 1859 erhält Madrid
durch eine mit großen
Kosten (120 Mill. Pesetas) hergestellte, 70 km lange Wasserleitung
[* 22] ausgezeichnetes Trinkwasser aus dem Lozoya
am Fuß des Peñalara, was auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung
[* 23] und auf die Vegetation der Umgebung außerordentlich
vorteilhaft eingewirkt hat.
Von öffentlichen Anstalten besitzt eine Universität (1498 in Alcala de Henares gegründet, 1836 hierher verlegt) mit fünf Fakultäten und über 5000 Studierenden, eine Notariatsschule, ein Konservatorium für Handel und Industrie, eine Ingenieurschule, eine Tierarznei-, eine Handels-, eine Agrikulturschule, eine Bergwerksingenieurschule, eine Architekturschule, eine königliche Schule der schönen Künste, eine Nationalschule für Musik und Deklamation, Akademien für den Generalstab, die Infanterie, Artillerie und das Ingenieurkorps, eine königliche Schule für Diplomatik und eine Normalschule für Lehrer und Lehrerinnen, 4 öffentliche Bibliotheken, eine Blinden- und Taubstummenanstalt, 17 Spitäler und zahlreiche Elementarschulen; ferner die spanische Akademie zur Ausbildung der kastilischen Sprache, [* 24] Akademien der Geschichte und der Rechtswissenschaft, eine medizinische und naturwissenschaftliche Akademie.
Sehr reich ist an Kunstsammlungen. Die bedeutendste, zugleich eine der hervorragendsten Europas, ist das Museo del Prado oder die königliche Gemälde- und Skulpturengalerie, die 2205 Gemälde, Meisterwerke aller Schulen (darunter von Velazquez, Murillo, Tizian, Raffael, Luca Giordano, Rubens, van Dyck, Teniers, J. ^[Jan] Brueghel, Albr. Dürer), und Bildhauerwerke sowie antike Kunstgegenstände enthält. Das Museo nacional de la Trinidad hat gegen 900 Gemälde, fast alle von spanischen Meistern, und die Galerie der Akademie von San Fernando in der Straße von Alcala ungefähr 300 Gemälde meist spanischer Künstler nebst einer wertvollen Sammlung von Gipsabgüssen. Nicht weniger bedeutend sind die wissenschaftlichen Sammlungen. Die Biblioteca nacional an der Plaza de Oriente enthält über 300,000 Bände und in zwei besondern Sälen eine reiche Münz-
Madridejos - Madura

* 25
Seite 11.52.
[* 20]
^[Abb.: Situationsplan von Madrid.]
¶
mehr
und eine Antiquitätensammlung. Erstere besteht aus etwa 100,000 Münzen [* 26] sowie aus mehr als 300 kostbaren Gemmen [* 27] und über 1500 geschnittenen Steinen; letztere umfaßt eine Menge ägyptischer, etrurischer, römischer, griechischer, gotischer, arabischer, chinesischer und amerikanischer Gerätschaften und Kunstwerke. Die Armeria real, von Philipp II. angelegt, bildet eine der kostbarsten Sammlungen von Waffen [* 28] und Rüstungen; das naturhistorische Museum enthält unter anderm eine ausgezeichnete mineralogische Sammlung, eine Sammlung von Trachten und Erzeugnissen der Indianer Amerikas, Westindiens und der Philippinen und das vollständige Skelett [* 29] des Megatherium americanum.
Mit diesem Museum sind der botanische Garten, zugleich eine angenehme Promenade, und die Sternwarte
[* 30] in den Gärten
des Buen Retiro verbunden. Noch hat Madrid
viele wissenschaftliche Vereine (darunter namentlich El Ateneo, der von großem Einfluß
auf die spanische Bildung ist), Privatunterrichts-, litterarische und artistische Anstalten und 5 Theater. Auch erscheinen
hier 30 politische Journale und zahlreiche Fach- und Unterhaltungszeitschriften. ist Sitz der Landesregierung und eines Gouverneurs,
des obersten Gerichtshofs und zahlreicher Gesandtschaften und Konsulate (darunter auch ein deutsches Konsulat). In der Umgegend
von Madrid
befinden sich einige königliche Schlösser mit Parkanlagen, nämlich Casa del Campo am Manzanares, El Pardo mit Eichenwaldungen
und Tiergarten, La Florida, Zarzuela und Villa Viciosa, wo 1759 Ferdinand VI. in Raserei starb. Viel bedeutender
sind die unter dem Namen Sitios bekannten Schlösser San Ildefonso oder La Granja, Escorial und Aranjuez (s. d.).
In der Geschichte tritt die Stadt zuerst im J. 939 n. Chr. unter dem Namen Majerit auf, wo sie durch König Ramiro II. von
Leon erstürmt wurde. Solange die Mauren die Halbinsel besetzt hielten, diente der Ort als Grenzbefestigung
und wurde von den Mauren oft genommen, bis ihn 1086 Alfons VI., der Eroberer des maurischen Königreichs Toledo, besetzte. König
Heinrich III. von Kastilien wählte Madrid
zu seiner Residenz während der Jagdzeit. Einige Fürsten hielten hierauf längere Zeit
in Madrid
ihr Hoflager, und nach dem Tod Ferdinands des Katholischen wurde die Reichsregierung dahin verlegt.
Venedig

* 31
Venedig.
Kaiser Karl V. hielt sich meist in Madrid
auf und ließ den Alkazar, das alte Schloß, in einen königlichen Palast umwandeln; sein
Sohn Philipp II. erklärte 1560 Madrid
endgültig für die Hauptstadt der Monarchie. Seit jener Zeit und durch
jenen Monarchen entwickelte sich die Stadt zu ihrer jetzigen Größe und Bedeutung. ist durch eine ganze Reihe von Verträgen
merkwürdig, die daselbst abgeschlossen wurden, namentlich durch den Frieden von Madrid
vom zwischen Karl V. und Franz
I. von Frankreich, von 1617 zwischen Spanien und Venedig
[* 31] und von 1800 zwischen Portugal und Spanien.
Während des Erbfolgekriegs hielt es Madrid
mit der französischen Partei. Bei der französischen Okkupation gab es durch einen
Aufstand gegen Murat, und durch einen Straßenkampf, bei dem über 1500 Bürger das Leben verloren, das Signal zur
allgemeinen Erhebung, wofür der Stadt in der Anrede des Kanzleistils die Bezeichnung »die heroische« beigelegt
wurde. In den karlistischen Kämpfen stand es immer auf seiten der Königin.
Vgl. Alvarez y Baena, Hijos de Madrid
etc. (Madr. 1789-91, 4 Bde.);
Mesonero Romanos, El antiguo Madrid (das. 1861);
Amador de los Rios, Historia de la villa y corte de Madrid (das. 1861-64, 4 Bde.);
Valverde y Alvarez, La capital de España (das. 1883).