Madeira
[* 1] (portug., spr.
madē-ira), eine zu
Portugal
[* 2] gehörige
Insel im Atlantischen
Ozean, 545 km vom
Kap Juby, dem nächsten
Punkte der Westküste
Afrikas, umfaßt mit der nordöstlich gelegenen
Insel
Porto Santo und den
Desertas im SO., drei unbewohnten
Felsenklippen, 815 qkm (14,8 QM.) mit (1882)
133,955 Einw., wovon 1750 auf
Porto Santo wohnen. Die
Insel Madeira
hat von O. nach W. eine
Länge von 55 km
und eine
Breite
[* 3] von 24 km und wird in ihrer ganzen
Länge von einer
Gebirgskette durchzogen, deren durchschnittliche
Erhebung 1200 m
beträgt, und die im
Pico Ruivo mit 1860 m ihre bedeutendste
Höhe erreicht. Im O. endigt die
Insel in eine
ganz schmale
Halbinsel,
vor der auf der kleinen
Insel Fora ein 40 km weit sichtbarer
Leuchtturm errichtet ist. und seine Nebeninseln
sind, wie Lotungen beweisen, die Gipfel von tief ins
Meer eintauchenden
Vulkanen, die aber, sämtlich längst erloschen, nur
in zwei kleinen
Kratern eine deutlich erkennbare Form bewahrt haben.
Daß
Hebungen noch im miocänen
Zeitalter stattgefunden haben, beweisen in 370 m
Höhe aufgefundene
Muscheln.
[* 4] Die in den Tuffschichten
angetroffenen fossilen Pflanzenreste gehören nach
Unger einer
Flora an, welche in der Tertiärzeit ein großes
Festland bedeckte,
das von
Island
[* 5] bis zu den
Kapverdischen Inseln
Europa
[* 6] mit
Afrika
[* 7] und wahrscheinlich auch mit
Amerika
[* 8] verband,
und von welchem die
Inseln
Island, Madeira
, die
Azoren, die
Kanarischen und
Kapverdischen Inseln Trümmer sind.
Den ältesten Kern bildet wahrscheinlich der im N. gefundene Hypersthenit, um den sich Basalt, Tuff und Trachyt gelegt haben. Das Bergland wird von tiefen und weiten Schluchten zerrissen, welche den Verkehr sehr erschweren, und steigt zum Meer in steilen, bis 585 m hohen Klippen [* 9] hinab. Namentlich die Nordküste ist von außerordentlicher Wildheit; der Süden hat noch schwache Reste der Waldungen bewahrt, welche einst die ganze Insel bedeckten und ihr den Namen, der »Holzinsel« bedeutet, verschafften.
Das Klima [* 10] ist von einer wunderbaren Milde. Nach den Beobachtungen des zu Funchal 24 m ü. M. gelegenen Observatoriums ist die durchschnittliche Jahrestemperatur 18,8°; die größte Wärme [* 11] wurde in acht Jahren im August und September mit 32,38,° die geringste im Februar mit 7,9° C. erreicht. Die mittlere Temperatur des Winters ist 16,11,° des Frühlings 17,02,° des Sommers 21,15,° des Herbstes 20,05° C. Man rechnet 80 Regentage im Jahr; der durchschnittliche Regenfall beträgt 775 mm, die feuchtesten Monate sind November bis März.
Ein heißer, trockner
Wind, Leste, weht von der
Sahara her, macht sich aber an der
Küste selten fühlbar;
Schnee
[* 12] fällt im
Winter in den höhern
Lagen, doch selten unter 700 m. Wegen der Gleichmäßigkeit seines
Klimas wird als
Kurort
von Lungenkranken viel aufgesucht. Die
Vegetation ist der von Südeuropa nahe verwandt; viele
Pflanzen hat Madeira
nur mit den
Kanarischen Inseln
und den
Azoren gemein, andre sind von den Portugiesen eingeführt worden und haben sich, wie der Kaktus
(Opuntia tuna), außerordentlich verbreitet. Die
Dattelpalme liefert hier keine eßbaren
Früchte. Der
Ackerbau begegnete in
dem sehr zerschnittenen und
[* 1]
^[Abb.: Kärtchen von Madeira.]
¶
mehr
spärlich bewässerten Terrain großen Schwierigkeiten, denen durch Anlage von Terrassen und Kanälen abgeholfen werden mußte. Der Bau von Getreide [* 14] und Mais (Hauptnahrungsmittel der untern Klassen) ergibt höchstens ein Drittel des Bedarfs. Der Tabaksbau, früher untersagt, ist jetzt freigegeben; doch ist das Resultat schlecht. Die Ausfuhr von Ananas, Bananen, Zwiebeln und Knoblauch (nach Westindien) [* 15] ist lebhaft; Hauptkulturen sind aber Zuckerrohr und Wein.
Zuckerrohr, 1452 aus Sizilien [* 16] eingeführt, war ehemals die wichtigste Kultur der Insel; jetzt werden jährlich 1 Mill. kg Zucker [* 17] produziert, die, durch hohe Zölle geschützt, Absatz in Portugal finden. Über den Weinbau, der früher das Hauptprodukt der Insel lieferte, s. Madeirawein. Die Tierwelt ist sehr arm; einheimische Säugetiere gab es ursprünglich gar nicht, die überall verbreiteten Kaninchen, [* 18] Ratten und Mäuse wurden erst von den Portugiesen eingeführt.
Dagegen waren Seekälber (Monachus albiventer) früher an den Küsten sehr zahlreich, sind jetzt aber fast gänzlich ausgerottet. Kanarienvögel sind einheimisch; Eidechsen [* 19] und Frösche [* 20] sind durch nur je eine Art vertreten, Insekten [* 21] sind zahlreich. Von Haustieren sind kleine, aber kräftige Pferde [* 22] und Rinder [* 23] zu nennen. Von Mineralien [* 24] findet sich nur etwas Eisenerz und Schwefelkies. Die Bevölkerung [* 25] ist portugiesischer Abkunft, aber in den untern Schichten durch Mauren und Neger stark beeinflußt.
Sie nimmt trotz starker Kindersterblichkeit fortwährend zu und ist, da das arme Land wenig Hilfsquellen bietet, zur Auswanderung gezwungen, die sich nach Britisch-Guayana, der Kapkolonie, Brasilien, [* 26] Hawai [* 27] richtet. Die eigentümliche Nationaltracht, namentlich die von Männern wie Frauen getragene Carapuça, ein Käppchen aus blauem Tuch mit langer Spitze, verschwindet mehr und mehr. Gewöhnliche Beförderungsmittel sind bei den steilen Straßen von Ochsen gezogene Schlitten, Reitpferde, Hängematten.
Die Industrie beschränkt sich auf Handstickerei, Holzarbeiten, Stroh- und Weidengeflechte, findet aber nur kärglichen Absatz. Der Handel, hauptsächlich in englischen Händen, ist im Stillstand begriffen, der Schiffsverkehr aber durch den gesteigerten Wettbewerb der europäischen Nationen um Westafrika in stetigem Wachsen, da Funchal Depot für Kohle (englische) ist. Handel und Schifffahrt bewegen sich ausschließlich über Funchal (s. d.), wo sich eine kleine Fremdenkolonie (208 Engländer) befindet, in deren Händen vornehmlich der Weinhandel liegt. Es laufen hier regelmäßig 5 englische, 2 portugiesische und eine deutsche Dampferlinie an. Von 880 im J. 1884 eingelaufenen Schiffen waren 608 englische, 123 portugiesische, 62 deutsche.
Die Insel Madeira
bildet mit Porto Santo eine Provinz des Königreichs Portugal, welche in den Cortes zu Lissabon
[* 28] durch Abgeordnete vertreten
ist. An der Spitze der Regierung steht ein Gouverneur, dem ein Detachement Infanterie und Artillerie unterstellt ist. Administrativ
wird Madeira
in vier Comarras und zehn Distrikte (wovon Porto Santo einen bildet) geteilt. Für den Unterricht
sorgen Elementarschulen, ein Lyceum und ein Seminar; derselbe ist kompulsorisch. Die Provinz bildet eine Diözese, deren Bischof
zu Funchal residiert. Hauptstadt ist Funchal (s. d.) an der Südküste. - Madeira
soll schon durch die
Phöniker entdeckt worden sein; jedenfalls war es schon im frühen Mittelalter den Portugiesen bekannt,
welche unter genuesischen Kapitänen Fahrten hierher machten.
Auf einer florentinischen Karte erscheint die Insel bereits 1351 unter dem Namen Isola
di legname (»Holzinsel«). Ein Sturm verschlug 1419 zwei
Portugiesen, João Gonzales und Martin Vaz, an die von ihnen aus Dankbarkeit Porto Santo benannte Insel, und
im nächsten Jahr nahm Portugal Besitz von der bisher unbewohnten Gruppe und sandte Kolonisten hierher. Man glaubte damals die
Atlantis der Alten wiedergefunden zu haben. Mit Portugal stand auch Madeira
1580-1640 unter spanischer Herrschaft, 1801 und abermals
1807-14 war es von England besetzt.
Vgl. Unger, Die versunkene Insel Atlantis (Wien [* 29] 1860);
Hochstetter, Madeira
(das. 1861);
Hartung, Geologische Beschreibung von Madeira
etc. (Leipz. 1864);
Heer in den »Denkschriften der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft« (1857);
Mittermaier und Goldschmidt, und seine Bedeutung als Heilungsort (2. Aufl., Leipz. 1885);
Schultze, Die Insel Madeira
, Aufenthalt der Kranken und Heilung der Tuberkulose (Stuttg. 1864);
Johnson,
Madeira
, its climate and scenery (3. Aufl., Lond. 1885);
Taylor, Madeira
, its scenery etc. (das. 1882);
Garcia Ramos, Ilha da Madeira
(Lissab.
1882, 2 Bde.);
Langerhans, Handbuch für Madeira
(Berl. 1884).