Titel
Madagaskar
[* 1] (bei den Eingebornen Nosin Dambo, »Insel der wilden Schweine«, [* 3] Izao rehetra izao, »dies alles«, und Izao tontolo izao, »dies Ganze«, genannt), zu Afrika [* 4] gehörige Insel, von der Ostküste des Kontinents durch den Kanal [* 5] von Mosambik getrennt, erstreckt sich mit ihrer Längsachse (1515 km) von NNO. (Kap Amber 11° 57' südl. Br.) nach SSW. (Kap Ste.-Marie 25° 39' südl. Br.), während ihre größte Querachse (580 km) von Foulpointe im O. zur Coffininsel im W. reicht (s. Karte). ist die drittgrößte Insel der Erde (nach Neuguinea und Borneo) und hat ein Areal von 591,563 qkm (10,743 QM.). Die Insel gehört zu den tektonischen, sie ist infolge einer durch Bewegungen in der erstarrten Erdrinde erzeugten Spaltbildung vom afrikanischen Festland losgerissen und stand früher vielleicht mit ihren heutigen Nachbarinseln (Seschellen, Komoren), ferner mit Teilen Asiens und Afrikas und unter Vermittelung des letztern selbst mit Amerika [* 6] im Zusammenhang (Sclaters und Wallaces »Lemuria«).
Die südwestliche und mehr noch die nordwestliche Küste werden von mächtigen Korallenriffen umsäumt; sehr ausgedehnt ist auch das nordöstliche Riff zwischen Kap. Amber und Tamatave, das auch die Insel Ste.-Marie einschließt. Bedeutendere fjordartige Einbuchtungen hat die Nordwestküste in der Marambitra-, Bombetoke-, Mayambo-, Narinda-, Radama- und Pasandawabai, die Nordostküste in der Antongilbai; unbedeutender ist eine Reihe von Einschnitten südlich von Tamatave.
Gute Landungsplätze finden sich nur in den Häfen Diego Soarez, zu Wohemar, Maroanzettra im Grunde der Antongilbai, zu Mawelona oder Foulpointe, zu Toamasina oder Tamatave. Im übrigen ist die Küste im N. sehr felsig, im S. flach und sandig und die Annäherung sehr gefährlich. Am Nordwestrand liegt eine Reihe kleiner, von den Franzosen seit 1841 infolge von Verträgen mit den Häuptlingen besetzter Inseln: Nossi Bé, Nossi Cumba, Nossi Mitsiu und Nossi Lava, mit bedeutendem Reisbau, zusammen 293 qkm groß mit 9339 Einw. An der Ostküste liegt die seit 1643 von Frankreich besetzte Insel Ste.-Marie (Nossi Boraha), 165 qkm groß mit 7287 Einw. und dem Hafen Port Louis.
Was die Bodengestaltung Madagaskars
anlangt, so wird Madagaskar keineswegs, wie man oft annahm, in seiner ganzen
Länge und in gleichen
Abständen von der
Ost- und Westküste von einer großen
Gebirgskette durchzogen, die
Wasserscheide liegt
vielmehr 100-120 km vom Ostrand.
Grandidier unterscheidet fünf verschiedene
Gebirgsketten, welche sämtlich von NNO. nach
SSW. verlaufen. Die erste, von W. gerechnet, ist niedrig, die zweite, Bemaraha genannt, ist anfangs schmal, bildet aber später
mit der ersten eine weite
Hochebene.
Alle drei ersten Ketten werden durch Sandebenen oder trockne, von wenig tiefen Rinnsalen durchfurchte Hochebenen getrennt. Die beiden andern Ketten, östlich von 43° 20' östl. L. v. Gr., bilden eine ungeheure Masse granitischer Berge, die durch zwei verschiedene Erhebungen entstanden zu sein scheinen. Die erste erstreckt sich von der Halbinsel Anurutsangane bis 22° südl. Br. und hat eine durchschnittliche Breite [* 7] von 160 km, die zweite zieht die ganze Ostküste von Wohemar bis Fort Dauphin
[* 1]
^[Abb.:
Karte von Madagaskar.]
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entlang. Dieses große granitische Massengebirge hat nur eine durchschnittliche Höhe von 1000-1200 m; die höchsten Gipfel liegen nahe dem Mittelpunkt der Insel im Ankaratragebirge; es sind dies Ambohimirandrana (2350 m), Ankawitra (2530 m), Tsiafakafo (2540 m) und Tsiafajavona (2590 m). Nach Sibree erstreckt sich eine vulkanische Linie in ununterbrochenem Zug von SO. nach NW. und bis zur äußersten Nordspitze mit zahlreichen ausgebrannten und zum Teil mit Wasser gefüllten Kratern.
Daß die vulkanischen Kräfte noch nicht ganz erloschen sind, beweisen leichte, jährlich vorkommende Erdstöße und mehrere heiße Quellen. Der Grundstock der Gebirge scheint durchgängig aus Granit und Gneis zu bestehen; im erstern ist Quarz in mächtigen Adern abgesondert. Bergkristalle sind häufig, und Basalt findet sich in großen, gebirgsartigen Anhäufungen. Der südwestliche Teil des Ankaratragebirges enthält ein Lager [* 9] kohlensauren Kalks mit Höhlen voller Stalaktiten.
Auf den Ebenen und in den Thälern erscheinen sekundäre, zahlreiche Versteinerungen bergende Lager; im SW. haben Grandidier und Hildebrandt die fossilen Reste von Flußpferden, Riesenschildkröten und Straußvögeln aufgefunden. Sibree berichtet von erratischen Blöcken in verschiedenen Teilen der Insel, deren Ablagerung man mit Gletschern in Zusammenhang denken müßte. Die beträchtlichsten Flüsse [* 10] nehmen ihren Lauf von O. nach W., die meisten weisen zahlreiche Fälle und Stromschnellen auf, und nur wenige sind für größere Fahrzeuge und auch diese nur auf kurze Strecken schiffbar. Nach Sibree kann der bedeutendste, der Betsiboka, 145 km von seiner Mündung aufwärts mit Dampfern von geringem Tiefgang befahren werden. Die östlichen Mündungen sind zum Teil durch Sandbänke verlegt. Seen sind nicht zahlreich. Die größten sind der Alaotra (42 km lang und 6-7 km breit), der Tasi, der Kinkony und der Andranomena. Ausgedehnte Strandseen hat namentlich die Ostküste.
Das Klima [* 11] ist an der Küste heiß und ungesund, im höhern Innern aber, wo sich die Berge im Winter mit Schnee [* 12] bedecken, auch Europäern zuträglich. In Antananarivo fällt das Thermometer [* 13] im Januar nicht unter 15°, im Juni nicht unter 6° C. und steigt im November nicht über 28,5,° im Juni nicht über 22° C. An der Westküste zu Tullear notierte Grandidier als niedrigste Temperatur im Juli 10°, im Januar 24° C., als höchste im Juli 27°, im Januar 33° C. Der Mineralreichtum der Insel ist noch wenig bekannt, da die Gesetze der Hova das Suchen nach Metallen unter schweren Strafen verbieten.
Sehr weit verbreitet sind Eisenerze, die sich namentlich im zentralen Plateau finden; auch Kupfer, [* 14] Ocker, Graphit, Steinsalz, Salpeter, Silber, Antimon, Mangan und Gold [* 15] kommen vor. Ein Kohlenbecken von 3000 qkm Umfang soll sich zwischen 12° 26' und 13° 37' südl. Br. befinden. Der Eisenkies [* 16] liefert Schwefel; die gefundenen Edelsteine [* 17] sind aber wenig schön. Salz-, Eisen- und Schwefelquellen von hoher Temperatur sind häufig. Die Pflanzenwelt ist von einem Reichtum und einer Mannigfaltigkeit, wie man sie nirgends sonst antrifft.
Die ganze Insel wird von einem Streifen Urwald umsäumt, der eine durchschnittliche Breite von 25-30 km besitzt. Zuweilen laufen zwei solcher Streifen nebeneinander parallel. Auch im Innern, namentlich nach N. zu, finden sich sehr ausgedehnte tropische Waldgebiete, während im S. großenteils nur Buschdickichte und dicht bewachsene Grasgefilde existieren. Das Gebirgsland ist meist traurig öde und nur mit grobem Gras bedeckt, die Thäler zeigen aber eine reichere Vegetation.
Die nennenswertesten Bäume sind der Baobab, die Fächerbanane Ravenala (der sogen. »Baum der Reisenden«, weil die aufrecht stehenden Blattscheiden lange Zeit Wasser enthalten), die hoch wachsende Chrysopia, Eben-, Rosen-, Palisanderholz u. a. Harz liefernde Bäume sind gleichfalls zahlreich vorhanden. Gebaut werden: Baumwolle, [* 18] Hanf, Reis, Kaffee, Tabak, [* 19] Zuckerrohr, Kartoffeln, Mais, Hirse, [* 20] Maniok, Bohnen;
dagegen werden Weizen, Hafer [* 21] und Gerste [* 22] wenig geschätzt.
Die Kokosnuß kennt man seit zwei
Jahrhunderten, Bataten und Bananen seit undenklichen Zeiten. Zitronen, Orangen, Pfirsiche und Maulbeeren gedeihen vorzüglich.
Auch an Farbepflanzen
[* 23] ist Madagaskar
reich. Noch mehr als die Pflanzenwelt überrascht die Fauna durch seltsame
Formen. Man findet hier keins der großen Säugetiere Afrikas, aber dafür Arten, welche der Insel allein angehören. Zu den wunderbarsten
Vertretern der madegassischen Tierwelt gehören die Halbaffen
[* 24] (Lemuridae), die merkwürdige Frettkatze (Cryptoprocta ferox),
das Wildschwein; von 238 Vogelarten gehören 129 an, die den amerikanischen weit näher verwandt sind
als den afrikanischen. Auch die Reptilien und Amphibien weisen sehr merkwürdige Formen auf. Die fossile Fauna, ein kleiner Hippopotamus,
ein Krokodil, ein Riesenvogel u. a., weist auf den ehemaligen Zusammenhang mit den Ländern im O. und W. hin.
Die Bevölkerung
[* 25] wird von einigen Reisenden auf 6, von Grandidier aber auf nur 3 Mill. geschätzt. Nach
ihm wohnen in dem zentralen Imerina 1 Mill. Hova; ihre Nachbarn, die Betsileo, zählen 600,000. Im O. und S. wohnen 1 Mill.,
und die übrigen Völkerschaften zählen kaum 500,000 Seelen. Die Bevölkerung besteht aus verschiedenen Bestandteilen. Ein
Teil kam aus Ostafrika, ein andrer aus Arabien und Indien, ein dritter wahrscheinlich aus Polynesien. Aus der Vermischung derselben
sind zwei Rassen hervorgegangen, die eine mit olivenfarbigem Teint, die andre mit schwarzer oder dunkelbrauner Hautfarbe. Als
Urbewohner Madagaskars
betrachtet man die Wazimba, Kimo und Kalio, letztere, wie es heißt, pygmäenhafte
Wesen mit wolligem Haar.
[* 26] Negroid sind die Sakalaven (s. Tafel »Afrikanische Völker«,
[* 27] Fig. 27) an der Westküste und Nordspitze,
welche die übrigen Weststämme allmählich unterjocht und denselben den eignen Namen gegeben haben.
An der Westküste leben außer afrikanischen Sklaven noch Araber, Inder und Suaheli. Die übrigen Stämme: die Betsileo, die Bara im S., die Tanala oder Waldleute mit fast unzugänglichen Bergorten, die Tonkai, welche von der Beförderung der Waren zwischen der Küste und dem bergigen Innern leben, die Sihanaka im nördlichsten Waldgürtel, die Betsimisaraka an der Ostküste, sind alle mehr oder weniger dem herrschenden Volk der Insel, den Hova, unterthan. Die Hova, ein Mischvolk aus polynesischen und afrikanischen Elementen, sind von Mittelgröße (1,6 m), schlank und wohlgebaut, mit gerader oder gebogener, stumpfer Nase, [* 28] großem Mund mit fleischigen Lippen und zurückweichendem Kinn.
Die Männer schneiden das Haar kurz, so daß es bürstenartig emporsteht, oder sie lassen es einige Zentimeter lang. Um die Lenden wird ein Zeugschurz gewunden und darüber ein langer, breiter Überwurf, die Lamba, in schönen vollen Falten drapiert. Bei den Offizieren und höhern Beamten von Seide, [* 29] ist er für die Adligen rot, für die andern weiß, auch mit roten oder bunten Streifen verziert. Die Beine bleiben nackt. An die Stelle dieser malerischen Kleidung tritt ¶
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jetzt leider häufig europäischer Plunder. Die Prinzen stolzieren in Generalsuniform, die Prinzessinnen in bauschigen Seidenroben, höhere Staatsbeamte tragen den Frack, lange Beinkleider und Lackstiefel. Die Elitetruppe in Antananarivo ist anständig und gleichmäßig uniformiert, in den Provinzen dagegen paradieren die Soldaten in den unglaublichsten Uniformen. Die ursprünglichen Waffen [* 31] waren Lanzen und Schilde, Bogen [* 32] und Pfeil, jetzt herrscht das Feuergewehr vor.
Die Wohnungen werden aus rotem Thon aufgemauert, das sehr steile, auf starken Pfählen ruhende Giebeldach wird mit Heu oder Binsen gedeckt; eine ummauerte Bodenstelle dient als Herd, der Rauch entweicht durch Thür und Fenster. Die Ansiedelungen werden durch Palissaden oder Mauern eingeschlossen. Hauptnahrung ist der Reis, auch wird viel Fleisch genossen. Das Volk bedient sich der Löffel und Blätter, die Vornehmen haben europäisches Tafelgeschirr. Tabak wird meist nur geschnupft und gekaut.
Der Landbau dreht sich in erster Linie um die Reiskultur; aus Zuckerrohr werden Zucker [* 33] und schlechter Rum bereitet. Die Rinder [* 34] gehören einer schönen Zeburasse an, das Schaf [* 35] ist das haarige, fettschwänzige; unter den vielen eingeführten Schweinerassen herrscht die chinesische vor. Die Pferde [* 36] gedeihen aber gar nicht. Neben der einheimischen Seidenraupe ist die echte eingeführt worden. Man webt sehr dauerhafte Seidenstoffe und Baumwollenzeug, bereitet schöne Zeuge aus den Blattfäden der Raphiapalme und aus Rinde sowie Matten aus Gräsern, Papyrusbast und Binsen.
Äußerst geschickt sind die Madegassen in Filigranarbeiten aus Gold und Silber. Das Bambusrohr dient, wie im Indischen Archipel, den allerverschiedensten Zwecken. Die Sprache [* 37] gehört zur malaiisch-polynesischen Sprachfamilie, sie scheint mit der philippinischen Tagalensprache nähere Verwandtschaft zu haben. Daß sie durchaus keine Verwandtschaft mit afrikanischen Idiomen hat, wie behauptet wird, ist noch nicht erwiesen. Der grammatische Bau ist einfach.
Man unterscheidet den Hova- und den Sakalavendialekt. Die Ehe ist eine reine Geschäftssache, und obwohl die Madegassen offiziell sich zum Christentum bekennen (das Volk ist nominell presbyterianisch, 10,000 katholisch), so halten sie doch häufig an der Vielweiberei fest. Keuschheit wird von den Frauen nicht verlangt, doch wird Ehebruch bestraft. Die Sitte der Beschneidung verschwindet seit Einführung des Christentums mehr und mehr. Wie auch sonst in Afrika wird die Blutsverbrüderung, die Falotra, eifrig geübt.
Von Charakter sind die Hova leidenschaftlich, empfindlich und rachsüchtig, zeigen sich aber äußerlich höflich und erheucheln lauernd eine kühle Indifferenz. Im Handel sind sie äußerst verschlagen, und an Zuverlässigkeit lassen sie viel zu wünschen übrig. Die frühere Religion war ein Wasserfetischdienst, und hoch im Schwange stand die Wahrsagerei. Jetzt sind sehr viele zum Christentum bekehrt, doch wuchert trotzdem noch der unsinnigste Aberglaube. Das Gerichtsverfahren beruhte auf Gottesurteilen, vornehmlich in dem Trinken des Tangena, eines Gifttrankes, wobei viel Betrug geübt wurde. Das Volk teilt sich in drei ziemlich scharf gesonderte Klassen: Andriana oder Adlige, Hova, den Mittelstand, und Andewo, Sklaven, meist von Kriegsgefangenen und afrikanischen Schwarzen abstammend.
Das Hovareich ist ein durchaus despotisch regierter Staat, in welchem der Herrscher absolute Gewalt über Besitz und Leben aller Unterthanen hat. Der erste Minister, jetzt Gemahl der Königin, ist eine Art Majordomus, seine Macht ist unumschränkt, und die übrigen Minister sowie das in neuester Zeit geschaffene, aus 100 Mitgliedern bestehende Parlament sind durchaus von ihm abhängig. Von den Beamten werden nur die Schullehrer regelrecht besoldet; die übrigen leben sämtlich von Geschenken, Erpressungen und Unterschlagungen.
Die Regierung zieht ihre Einkünfte aus Zöllen und Steuern. Das Land ist in zehn Distrikte geteilt, die wiederum in Kreise [* 38] zerfallen. Dem Aufschwung des Verkehrs ist der Mangel an ordentlichen Straßen außerordentlich hinderlich. Ausfuhrartikel sind: Häute, Hörner, Talg, Wachs, Rinder, Schweine, Schmalz, Salz, [* 39] Fleisch, Federharz, etwas Kaffee und Vanille, viele Matten und Säcke zum Verpacken von Kaffee, Tabak und Reis. Eingeführt werden: Baumwollgewebe, Kleidungsstücke, Schirme, Wäsche, Glaskorallen, Porzellan, Steingut, Glas, [* 40] Wein, Rum (von Mauritius), Eisenwaren, Pferde.
Den Gesamthandel schätzt man auf 30 Mill. Frank, derselbe könnte aber bei bessern Verkehrsmitteln sehr viel bedeutender sein. Amerikaner, Engländer, Franzosen, auch Deutsche [* 41] sind die am meisten beteiligten Nationen. Die Hovaregierung erhebt in Waren zahlbare Einfuhrzölle von 10 Proz.; ausgeschlossen sind Pulver und Blei, [* 42] die nur von der Regierung importiert werden dürfen. Die Ausfuhrzölle betragen 10-35 Proz. Man unterscheidet Wolatsiwaki, d. h. unzerteiltes Geld, ganze Säulen- oder Fünffrankenthaler, und geteiltes Geld, indem man den Thaler in vier Stücke teilt und diese abwägt.
Auch Reiskörner bilden Kleingeld. Hauptstadt des Hovareichs ist Antananarivo, das, auf hügeligem Terrain gelegen, sich terrassenförmig erhebt und mit seinen vielen Hütten, [* 43] größern Giebelhäusern (darunter der königliche Palast) und Kirchen alle andern Orte überragt. Die Einwohnerzahl soll 80,000 betragen. Die Haupthäfen sind Tamatave an der Ostküste mit Befestigungen, einer Reede und 3000 Einw., auch Sitz eines deutschen Konsuls, und Majunga an der Nordwestküste. S. Tafel »Flaggen«. [* 44]
[Geschichte.]
Madagaskar
, von den Arabern Dschesira el Komr (»Mondinsel«)
genannt, wird schon von Marco Polo in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. unter dem Namen Magastar oder Madugascar erwähnt,
wurde aber erst von dem Portugiesen Antão Gonsalves wieder aufgefunden und nach dem Heiligen des Entdeckungstags
Lorenzinsel oder Isla de São Lourenço genannt. Später richteten die Franzosen ihr Augenmerk auf Madagaskar;
bereits
Heinrich IV. ließ dort das Fort Dauphin errichten, und auf Betreiben des Kardinals Richelieu erklärte König Ludwig XIII. die
Insel für ein Besitztum Frankreichs.
Auf diesen vorgeblichen »Rechtstitel« gründet Frankreich noch gegenwärtig seine Ansprüche auf die Insel. Es wurden
darauf von den Franzosen einige Häfen an der Küste okkupiert, zeitweilig wieder aufgegeben und dann gelegentlich abermals
in Besitz genommen. Die Eindringlinge erbitterten aber durch ihre Ausschweifungen die Eingebornen in dem Grade, daß dieselben
dreimal die Kolonisten niedermetzelten, 1652 zu Manghisia, 1670 auf dem Fort Dauphin und 1754 auf der Insel
Ste.-Marie. Eine Zeitlang war ein Überrest der gefürchteten Flibustier, die an den Küsten Seeraub trieben und die Sklaverei
einführten, das einzige europäische Element auf Madagaskar.
Die französische Regierung ließ zwar 1746 und 1774 durch den Grafen Benjowski
(s. d.) einige Versuche machen, die Insel zu kolonisieren; da diese aber mißlangen, so begnügte sie sich
damit, mehrere Faktoreien anzulegen, um die benachbarte Insel Bourbon mit den nötigen
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Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Madagaskar
,
[* 1] die viertgrößte Insel der Erde, im Indischen Ocean, von der ihr fast parallel laufenden Ostküste Südafrikas
durch den 370–1000 km breiten, sehr tiefen Kanal von Mozambique getrennt, erstreckt sich von Kap Amber
(11° 58') bis Kap Ste. Marie (25° 35' südl. Br.) in einer Länge von 1625 km und einer mittlern Breite von 500 km und hat
ein Areal von 591563, mit den Küsteninseln von 591964 qkm. (Hierzu Karte Madagaskar.
)
Oberflächengestaltung.
[* 45] Die Küste zeigt namentlich im NW. eine fjordküstenartige Gestaltung mit
zahlreichen vorgelagerten Inseln und tief eingeschnittenen Buchten, wie die Passandawabai hinter der franz. Insel Nossi-Bé (s. d.),
die Narinda-, die Mahajamba- und die Bombetokabai. Im SW. sind die Bai St. Augustin unter dem Wendekreise, an der Nordostecke
die herrlichen Baien Diego-Suarez und Port-Louquez, weiter südlich an der Ostküste die Antongil- oder
Antão-Gonçalesbai.
Der übrige größte Teil der Ostküste verläuft fast geradlinig, ihre ursprüngliche Gliederung wurde durch das Schwemmmaterial der Flüsse, das durch eine an der Ostküste entlang ziehende starke Strömung gehindert ist weit ins Meer hinauszugelangen, ausgeglichen. Der einzige größere, die Antongilbai abschneidende Vorsprung, sowie die als seine Fortsetzung zu betrachtende Insel Sainte Marie (s. d.) sind vulkanischen Ursprungs und schützen die hinter ihnen liegende Küste vor Versandung.
Auch Korallenriffe [* 46] gewähren diesen Schutz, wie den Reeden von Tamatave und Foulepointe. Derselben Meeresströmung verdanken die zahlreichen Lagunen längs der Ostküste von der Mündung des Ivondrona bis zu der des Matitanana ihre Entstehung; sie sind sich streckenweise so nahe, daß sie auf eine Länge von 485 km eine vor heftigen Meeresströmungen [* 47] gesicherte Schifffahrtsstraße bilden. Mit Ausnahme des nördl. sowie des südöstl. Teils bei dem verlassenen Fort Dauphin (25° südl. Br.) ist der Küstensaum flach, durch eine 15–110 km breite, sehr niedrige, sumpfige Zone gebildet.
Das Land steigt von der Küstenebene terrassenförmig auf, sanfter im W., steil im O., wo der Abfall sich auch ins Meer hinein fortsetzt. Der südl. Teil ist am wenigsten erhöht; hier breitet sich eine weite steppenartige Fläche aus bis zum südl. Wendekreis, wo sich eine bergige Hochfläche ansetzt. Das Hauptmassiv liegt etwa in der Mitte, nahe der Ostküste, das Ankaratragebirge, das in mehrern Gipfeln 2500 m übersteigt und im Tsiafajavona (2632 m) kulminiert. Dieses aus Gneis mit darüber liegendem Granit bestehende Massiv setzt sich nach S. und N. in durchschnittlich nur bis 1500 m hohen, nordsüdlich streifenden Ketten fort, die im O. durch eine Reihe von sumpfigen Senkungen und Flußthälern, besonders dem des Mangoro, von einer niedrigern der Küste parallel laufenden Kette geschieden werden, im W. aber allmählich in mehrern Absätzen zur Küstenebene abfallen.
Alle diese äußern Gebirge sind mesozoischen Ursprungs und bestehen nicht selten aus rotem Thon. Von früherer vulkanischer Thätigkeit zeugt eine große Anzahl erloschener Vulkane, [* 48] besonders am Ostrande des Centralmassivs, von dessen höchsten Gipfeln viele Eruptionskegel waren, am Itasysee und 80 km südlich davon in einer den Phlegräischen Feldern vergleichbaren Gegend. Auch die benachbarte Insel Nossi-Bé u.a. bestehen aus Lava. Warme Quellen, Kohlensäureexhalationen und Erdbeben [* 49] sind häufig.
Madagaskar
hat im allgemeinen keinen Mangel an fließendem Wasser; doch giebt es infolge der Bodengestaltung größere und schiffbare
Flüsse nur auf der Westseite, während die Gewässer der Ostseite den Charakter von Gießbächen haben, häufig in vorgelagerte
Lagunen münden, wie der Ivondrona, und diese Mündungen auch nicht selten verändern. Einige erreichen
allerdings nicht unbedeutende Länge, indem sie erst die zwischen dem Centralmassiv und der Küstenkette befindliche Senkung
durchströmen und das Gebirge dann in meist schluchtenartigen Querthälern durchbrechen, so der den Alaotrasee entwässernde
Manangoro, der Mangoro nebst seinem Nebenfluß Onibe (Onige), der Mananjary und der Matitanana, der das
Gebirge mit einem Fall von 180 m Höhe verläßt.
Von den in den Kanal von Mozambique mündenden Flüssen ist der mit seinem Nebenflusse Ikopa die Provinz Imerina entwässernde Betsiboka (s. d.) der größte der Insel; der in der Provinz Betsiléo entspringende Mangoka oder St. Vincentfluß entwässert ein Gebiet von mindestens 50000 qkm. Sehr bedeutend sind auch der Tsiribihina mit dem Abfluß des Itasysees und der Onilahy oder St. Augustinfluß. Der Süden mit trocknen afrik. Winden [* 50] ist sehr wasserarm.
Klima. Madagaskar
fällt in die Zone des Südostpassats, der in der trocknen Jahreszeit (April bis November)
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sehr regelmäßig, allerdings meist von Ost nach West weht. Im November treten großartige Gewitter auf. Der Regen wird größtenteils ans den Gebirgen der Ostseite niedergeschlagen, so daß der westl. Teil M.s regenarm ist. Infolge der eigentümlichen Bodengeftaltnng zeigt das Klima bedentende Unter- schiede. Tropische Hitze erzengt in den Sumpfniede- rungen der Küstenstriche Miasmen und die den Europäern fast stets tödlichen, unter dem Namen der Madegassischen Fieber bekannten Gallenfieber, die der Insel den Namen des europ. Kirchhofs ver- schafft baben.
Die Hochebenen des Innern dagegen sind gesund; hier steigt die Temperatur selten über 23", und die Berggipfel zeigen Eis, [* 52] aber nie Schnee. Mineralreich. Es finden sich viel Kupfer, Mangan und Blei, dann Eisen, [* 53] Schwefel, Grapbit, Braun- kohlen und Marmor, fowie Bergkrystalle. Gold ist vorhanden, besonders der Betsiboka ist goldführend. Auch Salz gewinnt man neuerdings. Pflanzen-und Tierwelt. Die Vegetation, obschon vielfach der südafrikanischen und indifchen ähnlich, ist selbst von der der Inseln Reunion und Mauritius verschieden.
Gegen 100 Gattungen sind jetzt als Madagaskar
eigentümlich gefunden, darunter folche von eigenen: Familiencharakter
(^1i^6iiH, Vi-6xia). Befonders in den Mstengegenden ist der Pflanzenwuchs von wunderbarer Mannigfaltigkeit. Urwaldungen um-
geben in einigem Abstand von der Küste und bis zum Centralmassiv heraufreichend die ganze Insel; 1a im
Osten ist der Gürtel
[* 54] sogar doppelt. Eine grö- ßere Einbuchtung findet sich uur in der weiten Steppengegend rechts
vom untern Vetsiboka. In ihnen treten Palmen
[* 55] auf (LiZinai'clii^ I.lUania, ?Hnäami8), und aus der Vananenfamilie der durch
seine Riesenkrone zweizeilig gestellter Blätter be- rühmte «Baum der Reifenden» (il^ven^I^ in^äa- ZHäcln-iLiiLis ^o/)'.).
Im Innern, im Savannen- lande, wachsen viele auf das Kapland binweifende, Trockenheit liebende Arten.
Trotz der reichen tropi- schen Vegetation ist der größte Teil unfruchtbar, fo fast das ganze Centralmafsiv und die Savannen. Doch besitzt die centrale Region eine große Anzahl Thäler, wo die Flüsse eine dicke fruchtbare Erdfchicht zusammengetragen haben; hier wird besonders Reis, das Hauptnahrungsmittel der Madagassen, dann aber auch fast alle europ. Getreidearten sowie verschiedene tropische Gewächse (Zucker, Kaffee, Baumwolle) gebaut. Die Fauna ist eine der merkwürdigsten der Erde. Es fehlen ihr viele der im kontinentalen Afrika ver- tretenen Familien, wie Katzen, [* 56] Hyänen, Affen, [* 57] Pferde, Wiederkäuer [* 58] u. s. w. Charakteristisch sind die Halbaffen oder Lemuren, von denen hier drei Fünftel (34) aller Arten, daruuter das seltsame Aye- Aye, gefunden werden.
Fledermäuse sind 6 Arten, darunter 2 fliegende Hunde
[* 59] vorhanden. Die Infekti- voren sind, abgesehen von einer Spitzmaus, durch 10 Arten
der Familie der Madagaskarigel
((^ents- -tiäas) vertreten. Von Raubtieren treten 8 Viverren und ein sehr
merkwürdiges Tier, die Fossa (O) pto- z)i-0cta t'61-ox Ae^n.), auf. Weiter findet sich ein Schwein
[* 60] und 3 Arten Nager' zufammen
i,5 Arten Landsäugetiere. Landvögel sind etwa in 130 Arten vorhanden, einige wenige (etwa 12) finden sich davon auch im kontinentalen
Afrika; 33 Gattungen mit 50 Arten werden nur auf Madagaskar
gefunden.
Reptilien sind zahlreich und zeigeu Beziehungen zu iud., austral. und selbst südamerik. Formen. Giftfchlangen sind selten (3 - 4 Arten) und treten uur im Tiefland an der Küste auf. Krokodile [* 61] sind außerordentlich häufig. Schildkröten [* 62] sind mehrere Arten, deren eine eine eigentümliche Gattung bildet, vorhanden. Eidechsen [* 63] finden sich in Menge, besonders sind scköne farbenprächtige und am Kopf mit Hörnern gezierte Chamäleons hervorzubeben. Die Süßwasferfifcke find wenig bekannt und fcheinen nichts besonderes zu bieten.
Spinnen [* 64] sind sehr häufig, manche sehr groß und bunt, einige sollen giftig fein. Die Skor- pione sind wenig artenreich und klein, während Tausendfüßer äußerst gemein sind und in manchen Arten eine Länge von 20 cni erreichen sollen. Die Insekten [* 65] sind sehr gut vertreten und bieten Be- ziehungen zu ind.und füdamorik. Formen. Schmetter- linge (darunter Nachtfalter mit 18 cm Spannweite) sind prachtvoll, von zwei 3lrten wird Seide gewonnen. Auch Käfer [* 66] und besonders Heuschrecken [* 67] sind ver- treten.
Geflügel zieht man überall, fowie eingeführte Schafe, [* 68] Ziegen und befonders viele Rinder. Bevölkernng. Die Bewohner der Insel, die sich selbst Malagassi nennen, woraus die Europäer Madegassen, Htalagasch oder Malgaschen gebildet haben, und deren Zahl auf 3520000 geschätzt wird, gehören zwei Hauptvölkern an, aber in viel- fachen Mischungen, nach Mullens sogar uur einem einzigen, einem malaiischen, auf den an der West- seite afrik. Einwanderer aufgepfropft sind.
Außer- dem giebt es Tausende von Negersklaven. Abgesehen von eingewanderten Indiern, Arabern, Makua von der Mozambiqucküste und Suaheli, besonders im Norden [* 69] und Süden, wohnt auf der Ostseite und im Innern ein oliven-, zum Teil ziemlich hellfarbiges, schön gebildetes Volk, mit schlichtem oder krausem Haar, den Malaien nahe verwandt; auf der ganzen Westseite ein schwarzes, viel kräftigeres Volk, die Sakaläwa (etwa 1 Mill.), mit Wollhaar, aber nicht mit dem Negertypus der Mozambiquer, son- dern vom Kafferncharakter.
Die fchmale Hochebene zwischen der Ostküste und dem östlichsten Terrassen- abfalle nehmen die Betsimisäraka (etwa 400000) ein, den übrigen Osten die Bezanozäno (die fast allein als Träger [* 70] den Verkehr mit der Hauptstadt ver- mitteln), Antänala, Antaisaka, Antäimoro. Jener bellere Teil der Bevölkerung, der vorherrschende auf der Insel, zeigt sich civilisierter als der dunkle. Alle Bewohner M.s sprechen dieselbe Sprache, das Mala- gassi, das zum malaiischen Sprachstamme gehört und zunächst mit dem Tobadialekt der Vatak (s. d.) verwandt ist.
Sie sind meist Landbauer oder Hirten, Jäger und Fischer; uur die Howa und ihre Stammverwandten,dieBctsileo (d.h.dieUnbesieg- lichen, etwa 600000) im Süden des Ankaratrage- birges und die Antsianaka (d. h. Seebewohner) um den Alaotrasee treiben auch Industrie und sind ge- schickt in Anfertigung von Gold- und Eilberarbeiten, Holz- und Eisenwaren, Filigranarbeiten, Seiden- und Wollgeweben, namentlich von kostbaren Teppichen. Die einzelnen Stämme der Madcgafsen in der West- bülfte der Infel stehen unter der völlig defpotischen Herrschaft zahlreicher Häuptlinge. In der Osthälfte ist der Stamm der Howa (s. d. und Tafel: Afri- tanifche Völkertypen, [* 51] Fig. 7) oder Owa (etwa 1 Mill.), deren Sprache auch die ausgebildetste, der bedeutendste, civilisierteste und herrschende; ihnen gebort die schönere und wertvollere Hälfte der Insel, besonders das Centralplateau und die Umgegend des Alaotrasees mit einem Drittel der Gesamtbe- völkerung. Sie erscheinen aber erst gegen die Mitte des 18. Jahrh, in der Geschichte, als sie sich von den ¶
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Sakaläwa unabhängig gemacht hatten, Jetzt sind von den Howa nnr noch unabhängig die Sakaläwa (außer den südl. Antimenabe und einem Teile der Boe'ni), die Mahäfali, die Antandroi, die Vara im Süden das jetzt wobl ausgestorbene Zwergvolk der Wasimba, die man für die Urbewohncr hält. Die Howa nebmen, wenn auch nur äußerlich, immer mehr europ. Sitten und Gebräuche an. Unter diesem Einfluß baben sich auch Städte und Dörfer ver- doppelt; die Dichtigkeit, die im Durchschnitt 5-6 auf 1 tikm beträgt, ist in einzelnen Teilen bedeutend größer.
Die Howasprache, schon früher durch lat. Buchstaben siriert, ist, durch viele Fremdwörter be- reichert, Schriftsprache geworden, in der viele Bücher und Zeitungen erscheinen. Nationalkleidung ist die Lamba, ein Rock, der in den entlegencrn Gegenden aus dünn geklopfter Baumrinde, im Centrum der Howa aber aus Baumwolle und Seide gemacht ist. Tättowieren und Bemalen ist noch häufig, ebenso die Sitte der Blutsbruderschaft. Die Beschneidung ist bei allen nichtchristl.
Stämmen üblich. Die Frauen )^rde)l gekauft und zum Schein geraubt. Handel und Verkehr. Die Ostküste führt (meist auf engl. Schiffen) Ochsen, Mais und Reis nach Mauritius, Reunion und den Seychellen aus und erbält dafür europ. Erzeugnisse und besonders Rum, nack Europa [* 72] Kautschuk, Rindshäute und Kopal. Die Westküste verhandelt nach Sansibar [* 73] und Bombay, [* 74] den Comorcn und der Küste Afrikas Reis, Ochsen- häute, Orscille, Schildkröten, Wachs, Eben- und Pa- lisanderholz gegen Baumwollzeuge, grobe Fayenee- geschirre, Schießpulver, [* 75] Steinflinten u. s. w. 1890 betrug die Ausfuhr 3 741855 Frs., davon.häute 980000, Kautschuk 1376 676, Wachs 417 872, Rinder 360000 Frs. u.s.w.;
die Einfubr 5597 260 Fr5., darunter Tertilwareu für 2 725 780 Frs.
Die eiuzige gangbare Münze ist das franz. Fünffranken- stück, Dollar genannt;
man schneidet es in viele Stücke, die sorgfältig gewogen werden, weil Fäl- schungen äußerst häufig sind.
Die Verkehrswege sind absichtlich vernachlässigt;
das einzige Trans- portmittel sind Träger.
Doch können jetzt die Euro-
päer die ganze Insel frei bereifen und werden auck von den unabhängigen Stämmen gastfrei auf- genommen. Eine franz. Telegraphenlinie
verbindet Tamatave mit der Hauptstadt, aber kein Punkt ist an das Telegrapbennetz der Welt angeschlossen. Zwei Dampferlinien
zwifchen Mauritius und Reunion berühren auch einige Häfen M.s. Verfassung und Unterricht. Madagaskar
ist seit 1896 sranz.
Kolonie. Die frühere Königin Ranavalona III. be- bält zwar Würde und Einkommen, hat aber gar keine Regierungsrechte
mehr.
Diefe liegen vielmehr in den Händen des franz. Gouverneurs. Obgleich die Einfuhr von Stlavcn feit 1877 verboten ist, giebt es doch noch zahlreiche Sklaven. Hauptreligion ist der engl. Presbyterianismus. Katholiken giebt es etwa 10000 unter einem Bischof in Tananarivo. Der Schulbesuch ist gesetzlich vorgeschrieben; 1886 gab es 1167 malagassische und 1026 Missions- schulen (hauptsächlich der londoner Mission) mit zu- sammen 299 291 Schülern. In den Schulen wird auch Englisch und Französisch gelebrt.
Die Flagge ist weiß mit rotem Viereck [* 76] in der äußern untern Ecke und den Buchstaben 1^1 im weißen Felde. Städte. Die Hauptstadt Antananarivo oder Tananarivo (d. i. tausend Dörfer) mitten im Eentralmassiv, auf unebenem Terrain in 1460 m Höhe gelegen, hat etwa 100000 E., darunter etwa 200 Europäer, meist Franzosen, größtenteils kleine mit Ziegeln gedeckte Häuser in unregelmäßigen Straßen und eine Anzahl auf europ. Weise errichtete Gebäude. Die höchste Erbebung krönt das von einem franz. Architekten erbaute königl. Palais.
Die Stadt ist Sitz des franz. Gouverneurs und hat viel Industrie, besonders Fabrikation von ^amba. Vom königl. Palais führt eine gepflasterte Straße durch die Stadt und 20 km weiter bis zu der nörd- lich gelegenen heiligsten Stadt Ambohimanga, auf der Spitze eines isolierten Felsens, an dessen Fuße heiße Quellen entspringen. Die Hauptstadt der Betsileo, das südlich von Tananarivo in 1300 m Höhe gelegene Fianarantsoa, mit 5500 E., ist Sitz eines franz. Residenten.
Das Handelseentrum der Ostküste ist Tamatave oder Taomasina mit 15000 E., darunter etwa 100 Europäer, hauptsäch- lich Franzosen. Es liegt auf einer fchmalen Halb- infel, die init einem davorliegenden Korallenriff eine gute Reede bildet, und ist Sitz eines sranz. Residen- ten sowie eines deutschen Konsuls. Von hier aus geht der größte Teil des Handels nach den Mas- karenen und nach Europa. 1890 kamen an 255 Handelsschiffe mit 71129 t, darunter 183 englische, 39 französische, 11 deutsche und 10 dänische.
Gute Häfen der Ostküste sind ferner das ungesunde Foule- pointe oder Mahavelona, Fenerife oder Fenoa- rivo, der Haupthafen für den Reiserport, Port- Louquez, fowie die franz. Bai von Antomboka (s. d.). Der belebteste Hafen der Westküste ist der der alten Sakaläwabauptftadt M ajunga oder Mo- janga (10000 E.), Sitz enies franz. Residenten; sein Verkehr kommt dem von Tamatave nabe, bat vor diesem aber den Vorzug der leichtern Verbindung mit der Hauptstadt. Exporthafen für Orseille ist Tullear, Tolia oder Ankotsaoka an der Südwest- küste mit etwa 5000 E. Das hafenlose Andovo- ranto an der Ostküste (3000 E.) ist der Ausgangs- punkt für Toureu nach der Hauptstadt, den man von Tamatave aus läugs der Küste erreicht.
Entdcckuugsgeschichte und Geschichte. Madagaskar
, bei den Eingeborenen Nossi-Ndambo (Insel der Wild- schweine),
von den Eingeborenen der umliegenden Inseln Tani-be (Großes Land), von den Arabern Dschesiret el-Komr (Mondinsel) genannt, wurde von
dem Portugiesen Fernando Soares, der zur Flotte Almeidas gehörte, entdeckt und seitdem lange Zeit als St. Lorenzinsel, von
den ältern franz. Ansiedlern auch als Dauphine bezeichnet. Holländer und Engländer machten seit- dem
vergebliche Versuche, sich daselbst niederzulassen, noch mehr aber die Franzosen. 1642 gründete die l^ocil't" ä" i'Oricmt
eine Niederlassung an der Bucht von Ste. Luce im SO., die sie später nach der Halbinsel Tolangara verlegten, wo sie das Fort
Dauphiu erbauten; dasselbe wurde aber 1672 wieder aufgegeben; auch neue Versuche, in der zweiten Hälfte
des 18. Jahrh, dafelbft fowie auf der Insel Ste. Marie und an der Antogilbai im NO. Nieder- lassungen zu gründen, hatten nur
vorübergehenden Ersolg. Erst die Einmischung der Engländer, die mit Hilse der Howafürsten festen Fuß zu fassen suchten,
führten dazu, daß die Franzofen energisch an die Unterwerfung gingen. Durch Verträge mit ein- beimischen
Häuptlingen gewannen sie 1841 Nossi- Be und einige benachbarte Eilande. Das Haupt- hindernis gegen die Festsetzung der Europäer
auf Madagaskar
war das 1810 von König Radäma I.
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