Titel
Lykúrgos
,
1) der berühmte Gesetzgeber Spartas, dessen Ordnungen es seine geschichtliche Größe zu danken hat. Die Überlieferung über die Zeit und die Ereignisse seines Lebens sind freilich so schwankend, seine als göttliches Wesen verehrte Gestalt so mit Legenden und symbolischen Ausschmückungen umwoben, daß wenig mehr festzustellen ist, als daß er in der zweiten Hälfte des 9. Jahrh. v. Chr. (um 820) gelebt, auf einer Reise nach Kreta die dortigen politischen Einrichtungen erforscht, danach als Vormund eines minderjährigen Königs (Leobotes aus dem Stamm der Agiaden, wie Herodot berichtet, oder des Eurypontiden Charilaos) den Staat geordnet hat und wahrscheinlich gar kein Dorier gewesen ist.
Mit der Priesterschaft des delphischen
Orakels stand er in engster
Verbindung und bestellte sie auch zur authentischen Auslegerin
seiner
Gesetze.
Sein Hauptverdienst war, zwischen den verschiedenen
Parteien, deren erbitterter Streit den
Staat zerrüttet hatte,
den beiden Königsfamilien, den
Doriern und den alten achäischen Einwohnern, eine Aussöhnung vermittelt
und ein nach beiden Seiten vorteilhaftes Vertragsverhältnis hergestellt zu haben. Viele einzelne
Gesetze und
Anordnungen,
die Lykúrgos
zugeschrieben werden, sind nachweislich spätern Ursprungs; Lykúrgos'
Name ist so sehr zur typischen Bezeichnung der vielgerühmten
spartanischen
Verfassung geworden, daß man sogar die
Existenz seiner
Person geleugnet hat.
Aber die Grundlagen des Staats hat er gelegt und die fruchtbringenden Keime gepflanzt, der spätern Entwickelung ihr Ziel vorgesteckt (s. Sparta). Um seiner Verfassung dauernde Geltung zu verschaffen (wird ferner berichtet), gab er vor, den Rat des delphischen Orakels einholen zu müssen, und ließ die Könige, die Geronten und die übrigen Spartiaten schwören, an der neuen Verfassung bis zu seiner Rückkehr nichts ändern zu wollen. Er ging darauf nach Delphi, erhielt von der Pythia den Bescheid, daß Sparta, wenn es bei den von ihm getroffenen Einrichtungen beharre, groß und glücklich werden würde, und machte, um seine Landsleute nicht von ihrem Eid zu lösen, seinem Leben durch freiwilligen Hungertod ein Ende.
Ja, er soll befohlen haben, daß seine Asche ins Meer gestreut würde, damit nicht etwa seine sterblichen Überreste nach Sparta gebracht würden und die Spartaner dann glauben möchten, sie seien ihres Eides entbunden. Ein Heiligtum war ihm in Sparta errichtet, und jährlich erwies man ihm göttliche Ehre. Plutarchos hat sein Leben beschrieben.
Vgl. Lachmann, Spartanische Staatsverfassung (Bresl. 1836);
Trieber, Forschungen zur spartanischen Verfassungsgeschichte (Berl. 1871);
Gilbert, Studien zur altspartanischen Geschichte (Götting. 1872).
2) Einer der zehn attischen Redner, um 396 v. Chr. zu Athen [* 2] aus edlem Geschlecht geboren, Schüler des Platon und Isokrates, war neben Demosthenes und Hypereides einer der eifrigsten Vertreter der patriotischen Partei. Den Glanzpunkt seiner politischen Thätigkeit bildet seine ausgezeichnete Finanzverwaltung von 341 bis 329. Er starb 328. Von seinen 15 Reden hat sich nur die weniger durch die Form als edle und erhabene Darstellung ausgezeichnete gegen Leokrates erhalten. Sie wurde herausgegeben, außer in den Sammlungen der Redner, von Mätzner (Berl. 1836), Scheibe (zuletzt Leipz. 1871), Nicolai (2. Aufl., Berl. 1885), Rehdantz (Leipz. 1876), übersetzt von ¶
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Teuffel (Stuttg. 1865), Holzer (2. Aufl., das. 1883), Bender (das. 1870). Die Fragmente der übrigen Reden gab Kießling (Halle [* 4] 1847) heraus.
Vgl. Nissen, De Lycurgi vita et rebus gestis (Kiel [* 5] 1833);
Blaß, Die attische Beredsamkeit, Bd. 3, Abt. 2 (Leipz. 1880).