Lydĭen
(ursprünglich Mäonia), im Altertum Landschaft an der Westküste Kleinasiens, welche die heutigen Liwas Saruchan und Syghla (Smyrna) umfaßte, grenzte gegen N. an Mysien, von welchem es der Temnos (Demirdschi Dagh) trennte, gegen O. an Phrygien, gegen S. an Karien, wovon es das Gebirge Messogis (Dschuma Dagh) schied, und gegen W. an das Ägeische Meer. Im Innern erhebt sich der Tmolos mit seinen westlichen Fortsetzungen Drakon und Sipylos (dem heutigen Bos Dagh entsprechend).
Zwischen diesen
Gebirgen breiten sich große und fruchtbare
Ebenen aus, das Kilbianische Gefilde am obern
Kaystros, das Kaystrische zu beiden Seiten des
Kaystros und das Hyrkanische zwischen dem Tmolos und Sipylos, vom
Hermos durchströmt.
Die sogen. Katakekaumene (d. h. die »verbrannte«
Gegend) im O. Lydiens
ist öde und unfruchtbar und trägt vielfache
Spuren früherer vulkanischer Thätigkeit. Als
Flüsse
[* 2] sind zu nennen: der
Hermos (Gedis-tschai), der Hauptstrom, mit den Nebenflüssen
Hyllos, Kogamos und
Paktolos, und der schon
erwähnte
Kaystros
(Kütschük
Menderes). Unter den Landseen war besonders der Gygäische
See (jetzt Mermere) unweit
Sardes berühmt.
Die Hauptprodukte waren: guter
Wein,
Safran,
Metalle, besonders
Gold,
[* 3] das teils in den
Gruben des Tmolos,
teils aus dem
Sande des
Paktolos gewonnen wurde. Die Bergtriften nährten
Herden von kräftigen
Rossen und
Schafen. - Die Bewohner
des
Binnenlandes, die Lydier oder Lyder (die
Küste war von
Äoliern und
Ioniern besetzt), waren vermutlich ein vom
Euphrat her
eingewandertes
Volk semitischen
Stammes, das hier mit einem ältern phrygischen
Stamm arischer Abkunft verwuchs.
Unternehmend, kaufmännisch und gewerbfleißig, wurden sie auf dem Landweg, wie die Phöniker zur
See, die Vermittler zwischen
Hellas und
Vorderasien. Zugleich sind sie das älteste
Volk
Kleinasiens, welches wir als ein staatenbildendes genauer kennen.
Anfangs herrschten in Lydien
die zwei mythischen
Geschlechter der Attyaden und Sandoniden
(Herakliden), denen
um 690
v. Chr. mit
Gyges die kräftigern
Mermnaden folgten. Den
Grund zu Lydiens
Größe legte der vierte König dieser Dynastie,
Alyattes (612-563), der
Vater
des
Krösos, durch die Vertreibung der
Kimmerier aus
Kleinasien und durch die Vernichtung des phrygischen
Reichs; doch erst unter
Krösos (s. d.) erreichte Lydien
seinen höchsten
Glanzpunkt, aber auch sein frühes Ende.
Dieser Eroberer wurde bekanntlich der Stifter eines mächtigen Reichs, welches ganz Kleinasien bis zum Halys umfaßte. Als jedoch dieses Reich schon 548 durch Kyros der persischen Monarchie einverleibt wurde und darauf alle Schicksale des vordern Asien [* 4] unter persischer, makedonischer, syrischer und römischer Herrschaft teilte, verloren die Einwohner des eigentlichen Stammlandes immer mehr ihre Nationalität, so daß zu Strabons Zeiten ihre Sprache [* 5] schon gänzlich verschwunden war.
Vor ihrer Unterdrückung durch die Perser waren die Lydier ein tapferes und streitbares Volk; Kyros aber vernichtete systematisch den kriegerischen Geist des Volkes, verbot den Lydiern das Tragen von Waffen, [* 6] ließ sie, anstatt in den Waffenübungen, im Singen und Tanzen unterrichten und legte so den Grund zu jener unmännlichen Weichlichkeit, durch welche das Volk später verrufen war. Seine Betriebsamkeit, besonders im Handel, dauerte jedoch selbst unter der persischen Oberherrschaft fort und war die Quelle [* 7] eines blühenden Wohlstandes.
Die Sitten der Lydier waren von denen der Griechen nur wenig verschieden, obgleich sie allerdings im ganzen auf einer tiefern Kulturstufe standen. Ihr religiöser Kultus bestand besonders in der Verehrung des Sonnengottes Sandon und der Göttinnen Blatte (Mylitta-Aschera) und Ma (Kybele, [* 8] in Ephesos [* 9] als Artemis [* 10] gefeiert). Sie verstanden die Kunst, kostbare Kleider und Tapeten zu verfertigen, Wolle zu färben, Erze zu schmelzen, und hatten geprägtes Geld. Von alten lydischen Kunstdenkmälern haben sich nur Grabmonumente, meist lydischer Könige, in Form runder, oben spitzer Grabhügel erhalten. Haupt- und Residenzstadt war Sardes. Sonstige wichtigere Städte waren im O. Philadelphia, [* 11] im W. Thyatira und Magnesia am Sipylos (s. Karte »Alt-Griechenland«). [* 12]
Vgl.
Schubert, Geschichte der
Könige von Lydien
(Bresl. 1884);
Olfers, Über die lydischen Königsgräber bei Sardes (Berl. 1859).