Lungenventilation
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Lungenventilation,
[* 2] (Pulmo), das Organ zur Luftatmung bei den Wirbeltieren. Sie entsteht beim Embryo aus einer unpaaren Ausbuchtung des Darms, die allmählich in zwei Lappen auswächst und mit dem Anfang des Darms durch einen anfänglich kurzen, später sich verlängernden Kanal [* 5] (Luftröhre) in Verbindung bleibt. Bei den Fischen wird sie durch die Schwimmblase (s. d.) vertreten, die in manchen Fällen auch zum Atmen dienen kann. Eine echte Lunge findet sich jedoch erst von den Amphibien ab, und zwar bei diesen noch im Verein mit Kiemen, vor.
Hier besteht sie ähnlich wie bei den Lurchfischen aus zwei einfachen, durch die Luftröhre mit Luft anfüllbaren Säcken, in deren Wandung sich zuführende Gefäße (Lungenarterien) für das der Atmung bedürftige Blut und abführende (Lungenvenen) für das mit Sauerstoff versehene Blut verzweigen. Zur Vergrößerung der Oberfläche dieser Säcke springen ferner auf der Innenseite netzförmig angeordnete Falten vor. Bei vielen Reptilien hingegen besteht diese schlauchförmige Lunge nicht mehr, sondern das Organ zerfällt in zahlreiche Abschnitte, von denen jeder durch einen Zweig der Luftröhre versorgt und selbständig gemacht wird. So verhält es sich auch bei den Säugetieren, wo diese Teilung in Lappen u. Läppchen außerordentlich weit gediehen ist.
Bei den Vögeln treten letztere miteinander wieder in Verbindung und stellen so ein schwammartiges Gewebe [* 6] dar. Zugleich verlängern sich bei ihnen die Lungen weit in den Körper zwischen die Eingeweide [* 7] hinein, haben aber an diesen Stellen nur eine einfache, nicht mehr auf das Atmen berechnete Wandung und dienen daher als Luftsäcke nur noch zur Erleichterung des Körpers für den Flug. In vielen Fällen dehnen sich diese Hohlräume sogar in die Knochen [* 8] aus. (Über die sogen. Lunge der Lungenschnecken, Spinnentiere [* 9] und Seegurken s. die betreffenden Artikel.)
Die Lunge des Menschen (s. Tafel »Eingeweide I«) besteht aus zwei seitlichen Hälften (weshalb man auch von »den Lungen« spricht), welche in dem von den Rippen umschlossenen Brustraum liegen und das Herz zwischen sich aufnehmen. Sie sind nicht ganz symmetrisch gebaut, denn einmal zeigt die linke Lunge an ihrer Innenfläche eine größere Ausbuchtung zur Bergung des Herzens, dann zerfällt die rechte in drei, die linke in nur zwei größere Abteilungen, sogen. Lungenlappen. Das Volumen der rechten ist ungefähr um ein Zehntel größer als das der linken und beträgt im ganzen bei Luftleere 800-1200, bei stärkster Anfüllung mit Luft dagegen bis 9500 ccm. Die Oberfläche der ist mit dem glatten, dünnen, durchsichtigen Lungenfell (pleura pulmonalis) überzogen, das einen Teil des Brustfelles (s. d.) bildet.
Das Gewebe der ist weich, knistert beim Druck und läßt beim Durchschneiden schaumiges, mit Luftbläschen gemengtes Blut austreten. Junge, gesunde Lungen haben eine rote Farbe und ein gleichmäßiges Ansehen; bei alten Leuten sind sie dagegen mehr oder weniger reichlich mit schwarzen, stecknadelkopf- bis linsengroßen Flecken durchsetzt und erscheinen daher rotgrau bis schwärzlich. Das absolute Gewicht der Lunge bei mäßiger Füllung mit Blut beträgt 1-1,7 kg. Wenn sie mit Luft erfüllt ist, so ist ihr spezifisches Gewicht geringer als das des Wassers (0,34-0,74), sonst großer (1,04-1,06); frische Lungen von Embryonen der totgebornen Kindern sinken daher, weil sie keine Luft enthalten, im Wasser zu Boden (s. Lungenprobe). In zahlreichen Krankheitszuständen sind größere oder kleinere Partien der Lunge vollständig luftleer.
Der feinere Bau der ist aus dem oben ¶
Angeführten leicht verständlich. Die Zerlegung des ursprünglich einfachen Lungensackes in Lappen und Läppchen ist so weit durchgeführt, daß die feinsten derselben die Gestalt von Bläschen annehmen; in demselben Maß muß die Luftröhre sich in immer zahlreichere Zweige und Zweiglein (Bronchien) teilen, an denen alsdann die Bläschen wie die Beeren einer Traube an ihren Stielen sitzen. In derselben Weise also, wie sich die Luftwege der Lunge zu einem Baum (die Bläschen sind gewissermaßen die Blätter desselben) gestalten, bildet sich aus der Arterie [* 11] ein Gefäßbaum, welcher mittels seiner feinsten Haargefäße (Kapillaren) jedes Bläschen umspinnt und hier das Blut mit dem Sauerstoff der Luft in Berührung kommen läßt.
Die Haargefäße vereinigen sich zu einem andern, venösen Gefäßbaum, welcher das sauerstoffreiche Blut aus den Lungen herausführt. Auch die Nerven, [* 12] Lymphgefäße und die Gefäße zur Ernährung der Lunge selbst sind im wesentlichen baumförmig verzweigt. Im Vergleich mit diesen äußerst zahlreichen Gebilden, welche sich vielfach kreuzen oder übereinander hinlaufen, ist das noch übrige Gewebe der Lunge sehr geringfügig und besteht nur aus Bindegewebsbalken u. -Bälkchen zur Stütze der genannten Röhren. [* 13] Von den zwei Endästen der Luftröhre (s. d.), den Bronchen (bronchi, s. Tafel »Mundhöhle«, [* 14] Fig. 6) teilt sich der rechte in drei, der linke in zwei Zweige für ebenso viele Hauptlappen der Lunge. Die nun immer feiner werdenden Verzweigungen derselben (Bronchien, bronchia) verlieren von den Bestandteilen ihrer Wandung die Knorpel [* 15] und zum Teil auch die elastischen und Muskelfasern; sie sind innen von einer feinen Schleimhaut mit Flimmerzellen ausgekleidet und setzen sich alsdann in trichterförmige Blindsäcke (infundibula) fort, welche selbst wieder in Haufen von Bläschen (Lungenbläschen, Luftbläschen, Alveolen, alveoli pulmonales) zerfallen (vgl. Fig. 1 u. 2: a Bronchie, b einzelnes, c Haufen von Bläschen).
Diese selbst, etwa 0,2 mm groß, durch gegenseitigen Druck vieleckig und mit ihren Nachbarn vielfach durch Bindegewebe verbunden, haben auf ihrer Innenfläche eine sehr dünne Zellschicht, unter welcher sich dicht die Kapillargefäße hinziehen. Auf diese Weise ist der Gasaustausch zwischen Blut und der eingeatmeten Luft durch die beiden äußerst feinen Wandungen des Kapillargefäßes und des Lungenbläschens leicht möglich (s. Atmung). Das Blut zur Ernährung der Lunge mittels der sogen. Bronchialarterien kommt aus dem großen Kreislauf [* 16] (zum Teil aus der Aorta) und geht mittels der Bronchialvenen wieder zurück.
Die Lymphgefäße und -Drüsen (Bronchialdrüsen) sind zahlreich. Die vielen Nerven stammen aus dem sogen. Lungengeflecht und rühren vom Vagus (s. d.) und Sympathikus (s. d.) her; ersterer scheint den chemischen Prozessen der und ihrer Empfindlichkeit vorzustehen, letzterer bei der Ernährung beteiligt zu sein. Die Empfindlichkeit des Lungengewebes ist so gering, daß selbst weit ausgedehnte Zerstörungen desselben ohne stärkern Schmerz stattfinden. Die sogen. Brustschmerzen sind fast stets auf einen entzündlichen Zustand des Lungen- und Brustfelles zu beziehen. Das oben erwähnte Flimmerepithel in den Luftwegen (Lunge, Luftröhre, Kehlkopf) schafft durch das Schlagen feiner Wimpern in der Richtung von innen nach außen feinste Fremdkörperchen wieder langsam aus der Lunge fort.
Die ist im Verhältnis zu den andern Organen des Körpers ungemein häufig Erkrankungen ausgesetzt, welche stets sorgsamer Beachtung und rationeller Pflege bedürfen, da sie bei Vernachlässigung oft genug Siechtum und den Tod herbeiführen. Am häufigsten treten Blutüberfüllung (Lungenhyperämie), Katarrhe und die verschiedenen Formen der Lungenentzündung sowie Lungenschwindsucht auf, welch letztere mehr Opfer fordert als irgend eine andere Krankheit.
Lungenemphysem bildet eine der gewöhnlichsten Ursachen des Asthmas, während krampfhafter Verschluß der feinern Luftröhrenäste das nervöse Asthma bedingt. Unter gewissen Verhältnissen entstehen Lungenabscesse und Lungenbrand, welcher größere Teile des Lungengewebes zum Absterben bringt. Funktionsunfähig wird die auch, wenn die Lungenbläschen zusammenfallen und luftleer werden, oder wenn sie sich mit einer Flüssigkeit füllen, wie bei dem Lungenödem, welches oft als direkte Todesursache auftritt.
Einatmung von Staub bedingt schwere Schädigungen der auch wird dieselbe von Krebs, [* 17] Sarkom, Syphilis und Echinococcus befallen.
Vgl. Niemeyer, Die Lunge, ihre Pflege und Behandlung (5. Aufl., Leipz. 1884).
Auch die Haustiere sind mannigfachen Lungenkrankheiten unterworfen; bei Pferden kommen besonders vor: die infektiöse akute Lungen- und Lungen-Brustfellentzündung (Influenza), die einfache Erkältungs-Pneumonie oder katarrhalische Lungenentzündung, die durch Eindringen deletärer Flüssigkeiten in den Kehlkopf verursachten Lungenentzündungen (Fremdkörper- oder Schluckpneumonien), die hypostatische Lungenentzündung (bei anhaltendem krankhaften Liegen der Pferde). [* 18] Dem anatomischen Charakter nach treten bei Pferden fibrinöse (krup-
[* 2] ^[Abb.: Fig. 1. Eine Bronchie nebst ihren Luftbläschen, 14mal vergrößert.]
[* 2] ^[Abb.: Fig. 2. Innenfläche eines Lungenbläschens, 300mal vergrößert.] ¶
pöse), katarrhalische, eiterige und jauchige (brandige) Lungenentzündungen auf. Die chronischen Krankheiten der Lungen führen meist zur Dämpfigkeit (s. d.). Bei Rindern beobachtet man besonders Lungenseuche, Lungentuberkulose (Perlsucht), Lungenwurmseuche und die durch innere Verwundung bedingte traumatische Lungenentzündung;
bei Schafen akutes Lungenödem als Ausgang der infektiösen Bronchitis, fibrinöse Lungenentzündung (»weiße Lungen«),
Lungenwurmseuche;
bei Ziegen katarrhalische Lungenentzündung und Lungentuberkulose;
bei Schweinen katharrhalische ^[richtig: katarrhalische] Lungenentzündung mit dem Ausgang in Verjauchung oder Absceßbildung (bei Treibherden häufig), käsige Lungenentzündung (Lungentuberkulose), seuchenartige akute Lungenentzündung (»Schweineseuche«),
bei Hunden und Katzen [* 20] akute katarrhalische und fibrinöse Lungenentzündung.
[* 2] Georg, Chemiker und Technolog, geb. zu Breslau, [* 21] studierte daselbst und in Heidelberg [* 22] und widmete sich dann der Technik. 1864 bis 1876 weilte er in England, anfangs als Chemiker einer Steinkohlenteer-Destillation, dann als Leiter einer großen Sodafabrik im Tynedistrikt. Dabei führte er zahlreiche technisch-chemische Untersuchungen aus und entfaltete eine vielseitige litterarische Thätigkeit. Die Bürgerschaft seines Wohnorts South-Shields wählte ihn in den Erziehungsrat, den Gemeinderat, zum Präsidenten der öffentlichen Bibliothek und zu andern Ehrenämtern.
Auch war er einer der Begründer der Newcastler Chemischen Gesellschaft und Examinator für Chemie an der Universität Durham. 1876 wurde er auf den Lehrstuhl für technische Chemie am Polytechnikum in Zürich [* 23] berufen. Lunge schrieb: »Die Destillation [* 24] des Steinkohlenteers und die Verarbeitung der damit zusammenhängenden Nebenprodukte« (Braunschw. 1867);
»Industrie der Steinkohlenteer-Destillation u. Ammoniakwasser-Verarbeitung« (das. 1882);
»Handbuch der Sodaindustrie und ihrer Nebenzweige« (das. 1879-80, 2 Bde.; auch engl. u. franz.);
»Taschenbuch für Soda-, Pottasche- und Ammoniakfabrikation« (Berl. 1883) u. a.