Lungenseuc
heimpfung,
zur präventiven Bekämpfung der
Lungenseuche, wurde 1852 von
Willems empfohlen und vielfach benutzt,
ohne daß die Fachmänner zu einer übereinstimmenden
Ansicht gekommen sind. In einer Gegend, in welcher die
Lungenseuche dauernd
herrscht und aus Rücksicht auf den Landwirtschaftsbetrieb nicht ausgerottet werden kann, ist die
Impfung
[* 3] ein sehr wirksames
Mittel, um Verluste zu vermindern. In allen andern
Ländern, in welche die
Seuche nur selten eingeschleppt
wird, kann gegenüber den sonstigen Schutzmaßregeln, namentlich der alsbaldigen
Tötung der kranken und verdächtigen
Tiere
sowie der
Entschädigung ihres
Wertes, die Lungenseuc
heimpfung keinen wesentlichen Vorteil bringen.
Das Verfahren selbst besteht darin, daß aus den kranken Lungenstücken oder den pleuritischen Exsudaten die Lymphe aufgefangen wird. Mittels eines geballten Bistouris oder einer besondern Impfnadel werden einige Tropfen dieser Lymphe in die Unterhaut am untern Ende des Schwanzes gebracht. Drei bis vier Wochen nach der Operation entsteht an der Impfstelle oder in einiger Entfernung von derselben, resp. am Schwanzansatz eine erysipelatöse Entzündung, welche in der Regel nur eine mäßige Anschwellung mit sich bringt und nach 8-10 Tagen wieder abheilt.
Nur sehr wenige
Rinder
[* 4] geraten durch die Lungenseuc
heimpfung in Lebensgefahr. Bei sorgfältiger Beachtung der örtlichen Impfkrankheit
beträgt der
Abgang an
Tieren, die wegen der übermäßigen Anschwellung geschlachtet werden müssen, etwa 1 Proz.
Abgesehen von einigen Ausnahmefällen, kann man annehmen, daß die
Rinder, bei welchen die
Impfung gehaftet und die Impfkrankheit
den bezeichneten Verlauf genommen hat, für mehrere Jahre vor einer Erkrankung an der
Seuche geschützt sind, wenn sie selbst
mit kranken
Tieren in die nächste Berührung kommen sollten.
Hiernach würde die Lungenseuc
heimpfung der landwirtschaftlichen Viehhaltung außerordentliche
Vorteile gewähren können, wenn ihrer
Durchführung nicht wesentliche
Momente entgegenstünden. Zunächst muß die
Lymphe stets
von einem an der
Seuche frisch erkrankten und geschlachteten oder gestorbenen
Tier entnommen werden. Die geimpften
Rinder produzieren
durch die Impfkrankheit keine brauchbare
Lymphe.
Ferner kommt in Betracht, daß, wenn in einem Viehstand
an einem
Tier die
Lungenseuche festgestellt wird, gewöhnlich schon eine größere Zahl der
Tiere von der natürlichen
Ansteckung
betroffen ist.
Bei diesen
Tieren kann die
Impfung keinen
Schutz mehr gewähren.
Mehr wirtschaftlichen Nutzen hat das
Verfahren, wenn es in einem
Viehstand vorgenommen wird, in welchem die
Seuche nicht herrscht (Präkautionsimpfung). Aber nur in denjenigen
Gegenden, in welchen oft seuchekranke
Rinder geschlachtet werden, läßt sich stets
Lymphe erlangen und in einer
Wirtschaft
bei den frisch zugekauften
Rindern (Arbeitsochsen) jedesmal die Präkautionsimpfung ausführen. Unter Berücksichtigung dieser
Erfahrungen stellte man beim
Erlaß des preußischen Viehseuchengesetzes 1875 und bei der Redaktion des
deutschen Reichs-Viehseuchengesetzes vom die Ausführung des
Verfahrens dem Ermessen des Besitzers anheim. In
Deutschland
[* 5] wird die Lungenseucheimpfung
nur von einem Teil der
Besitzer der preußischen Regierungsbezirke
Magdeburg
[* 6] und
Merseburg
[* 7] sowie der benachbarten
anhaltischen und sächsischen
Staaten zur Anwendung gebracht. Mit Ausnahme der bezeichneten
Distrikte und
des bayrischen
Kreises
Unterfranken und
Aschaffenburg
[* 8] haben sich die Vorschriften des Reichs-Viehseuchengesetzes überall als
ausreichend für die schnelle Tilgung der
Lungenseuche erwiesen.