Lunatĭci
(lat.), s. Besessene.
Lunatici
4 Wörter, 32 Zeichen
(lat.), s. Besessene.
(Obsessi, Daemoniaci, auch Lunatici
, »von
einem bösen Geist oder Dämon in Besitz Genommene«),
bei den Juden zur Zeit Jesu Bezeichnung einer besonders in Galiläa häufig vorkommenden Klasse von Kranken, welche an einer Art Epilepsie oder fallender Sucht litten. Manche Krankheiten, die wir nach dem heutigen Stande der Wissenschaft Wahnsinn oder Tobsucht nennen würden, erklärte das nachexilische Judentum aus einer Einsitzung böser Geister, die den Menschen in Besitz nähmen und von Sinnen brächten. Derselben Ursache wurden dann auch mit einer Trübung des Geisteslebens verbundene Krankheiten und Gebrechen zugeschrieben, wie Epilepsie, Mondsucht, Stummsein u. dgl. Die Vorstellung wurzelt in dem dualistischen Religionssystem der Perser, dessen Einfluß sich die Juden nicht erwehren konnten, und der sich schon in den Büchern Baruch und Tobias zeigt; die bösen Geister wurden als sinnlich-geistige Wesen gedacht, die sich des Menschen zu bemächtigen strebten.
Aus Josephus wissen wir, wie verbreitet diese Vorstellung war, die von den Rabbinern nicht nur weiter ausgebildet, sondern auch von der alexandrinischen Theologie und durch sie im Neuplatonismus verwendet wurde. Der Widerspruch, den unsre heutige Wissenschaft gegen die ganze Vorstellung erhebt, darf uns nicht blind machen gegen die Thatsache, daß die neutestamentlichen Schriftsteller den Glauben an Besessenheit durchweg teilen. Ebenso geht Jesus selbst ganz unbefangen auf die Ansichten der Kranken und der Pharisäer ein; nur greift er nicht, wie diese, zu magischen Beschwörungen, sondern übt durch die Macht seiner Persönlichkeit eine rein geistige Wirkung auf die Kranken aus, die gerade deshalb um so mehr als eine wunderbare, seine Messiaswürde bezeugende erscheinen mußte.
Auch in den Zeiten mittelalterlichen Aberglaubens hielt man einen großen Teil von Irren für Besessene, wofür die Hexenprozesse des 13.-15. Jahrh. zahllose Beispiele liefern. Noch 1573 erlaubte ein englischer Parlamentsbeschluß, auf diejenigen Jagd zu machen, die sich für Werwölfe (s. d.) ausgaben und in den Wäldern umherirrten. Bis in die neueste Zeit fehlt es übrigens nicht an Theologen, welche, am Buchstaben der Bibel [* 4] hangend, ein Besessensein der Menschen durch Dämonen behaupten zu müssen glauben und sie durch Erfahrungsfälle und deren mystische oder spekulativ-psychologische Deutung erweisen wollen (Justinus Kerner u. a.).
Vgl. Delitzsch, [* 5] Biblische Psychologie (2. Aufl., Leipz. 1861).