Luftspiegelung
[* 2]
(Kimmung,
Fata Morgana, franz.
Mirage), eine optische Lufterscheinung, welche dadurch entsteht, daß Lichtstrahlen,
wenn sie durch ungleich erwärmte und folglich auch ungleich dichte Luftschichten dringen, gebrochen und von der ursprünglichen
Richtung abgelenkt werden. Sie ist also eine
Folge der atmosphärischen
Strahlenbrechung
[* 3] (s.
Brechung des Lichts).
[* 4] Sie besteht
darin, daß Gegenstände, die sich unter dem
Horizont
[* 5] befinden, deutlich sichtbar, also gewissermaßen
gehoben werden, aber stets wie von
Wasser umgeben, oder daß über dem
Horizont befindliche Gegenstände doppelt, vergrößert
oder umgekehrt in der
Luft schwebend erscheinen. Am häufigsten ist die Luftspiegelung
über weiten
Ebenen, namentlich über größern
Sandflächen und über Gewässern, und am auffallendsten in den heißen und kalten Gegenden der
Erde.
Die deutschen Seeleute nennen diese
Erscheinung
Kimmung, die englischen Looming, die holländischen Uppdracht, die französischen
Mirage. In
Indien nennt man die Luftspiegelung
Chiltram,
»Bild«, oder Sikota,
»Schlösser der kalten Zeit«; bei den Arabern heißt sie Sehrab,
»geheimnisvolles
Wasser«, auch
Bacher el Alfrid, »Sohn des
Teufels«, oder
Bacher el Gazal: Die
Erklärung
der Luftspiegelung
über stark erwärmtem ebenen
Boden beruht auf folgendem. An heißen, windstillen Sommertagen, wenn der
Boden durch
die Sonnenstrahlen erhitzt ist und die untern Luftschichten an dieser hohen
Temperatur teilgenommen haben, beobachtet man
eine eigentümlich zitternde
Bewegung wenige
Zoll über der
Erde.
Blickt man auf eine etwas geneigte
Ebene, so erinnert die
Erscheinung wohl an den leise bewegten
Spiegel
[* 6] eines
Sees. In Niederägypten
z. B., wo die
Sonne
[* 7] eine höhere
Wärme
[* 8] entwickelt, zeigt sich das
Phänomen auf dem ebenen
Boden bedeutend stärker. Hier ist
auch die Luftspiegelung
durch
Monge 1798 untersucht worden. Ist nämlich die
Luft völlig ruhig, so lagern die Luftschichten
in ebenen horizontalen
Schichten übereinander, und der Temperaturunterschied wird so bedeutend, daß die Lichtstrahlen, indem
sie aus einer Luftschicht in die andre übergehen, eine bedeutende
Brechung erleiden und teilweise total reflektiert werden
können.
Unter diesen Umständen verschwindet für den Beobachter der
Boden in einiger
Entfernung (indem die von
demselben ausgehenden Lichtstrahlen total reflektiert werden); er sieht zwar noch die höhern Gegenstände, wie
Hügel,
Dörfer
und
Bäume, aber er erblickt von diesen gleichzeitig ein umgekehrtes Spiegelbild in derselben
Weise, wie sich hohe Gegenstände
am
Ufer eines
Sees in diesem spiegeln. Der Reisende glaubt deshalb stets in der
Nähe eines
Wassers zu sein,
dessen
Ufer fliehen, sobald er sich ihnen zu nähern sucht. Besteigt der Beobachter eine
Höhe, so steigt auch der
Spiegel,
und endlich verschwinden selbst
Felsen unter demselben. Ähnliche
Erscheinungen beobachtet man überall in wärmern Gegenden
in der
Nähe der
Küsten auf dem
Meer, und der
Schiffer kennt sie als
Seegesicht.
In den Polargegenden zeigt sich die Luftspiegelung
unter
andern
Bedingungen als in den heißen Gegenden, indem namentlich die Oberfläche des
Meers in den kalten Gegenden der
¶
mehr
Erde bei sonst hellem Wetter [* 10] viel kälter ist als die über ihr befindliche atmosphärische Luft; deshalb wird die der Oberfläche des Meers nächste Luftschicht vorzugsweise kalt, und die Dichtigkeit der Luft nimmt von unten an aufwärts in stärkerm Maß als gewöhnlich ab. Befindet sich nun das Auge [* 11] eines Beobachters in der kalten Schicht, so ist es möglich, daß von einem ebenfalls in der kalten Schicht befindlichen Gegenstand Lichtstrahlen so in dasselbe gelangen, daß dadurch ein umgekehrtes Bild des Gegenstandes oberhalb desselben in der Luft zum Vorschein kommt.
Über einem entfernten Schiff [* 12] erscheint ein zweites umgekehrt in der Luft und mit seinen Mastspitzen die des wirklichen Schiffs berührend. Schiffe, [* 13] die noch unter dem Horizont sind, können auf diese Weise sichtbar werden und geben bisweilen selbst noch ein Spiegelbild. Die Grenzflächen zwischen den ungleich erwärmten Luftschichten sind, namentlich bei bewegter Luft, gekrümmt, und in diesem Fall müssen die Spiegelbilder notwendig verzerrt werden, schwanken und sich vielfach verändern. Auf diese Weise erklären sich auch die Luftbilder von Ruinen, Schlössern und Palästen, die man namentlich zu Neapel, [* 14] Reggio und an den Küsten von Sizilien [* 15] schwankend in der Luft erblickt und die das Volk als Fata Morgana (s. d.) anstaunt. Auch an den Küsten der Nordsee und Ostsee zeigen sich zuweilen ähnliche Erscheinungen.