Ludwig
Philipp
, König der
Franzosen (1830-48), geb. zu
Paris
[* 3] als der älteste Sohn des
Herzogs Louis Philippe
Joseph von
Orléans
[* 4] (s. d.), erhielt anfangs den
Titel eines
Herzogs von
Valois, 1785 den eines
Herzogs von Chartres. Seit 1782 wurde
er von der Frau von Genlis erzogen.
Beim
Ausbruch der Revolution trat ludwig Philipp
in die Nationalgarde und nach
dem
Beispiel seines
Vaters in den Klub der Jakobiner. Am zum Maréchal-de-Camp ernannt, befehligte er in
der
Armee Luckners eine Kavalleriebrigade, stieg dann 7. Sept. zum Generallieutenaut und wohnte 20. Sept. der Kanonade von
Valmy bei.
Hierauf trat er in die Armee Dumouriez' über und gewann mit diesem gemeinschaftlich 6. Nov. die Schlacht bei Jemappes (s. d.). Zufolge der Ereignisse vom hatte der Prinz seine Titel abgelegt und gleich seinem Vater den Namen Egalité angenommen. Als der Konvent die Verbannung über alle Bourbons verhängte, erlangten Vater und Sohn ein Ausnahmegesetz. Dennoch wurde nach der unglücklichen Schlacht bei Neerwinden wo der Prinz das Centrum befehligte, seine Lage höchst mißlich. Er wurde in den Verhaftsbefehl gegen Dumouriez eingeschlossen und trat mit diesem auf österr. Gebiet über. Später erhielt er unter dem Namen Chabaud Latour die Stelle eines Lehrers der Geographie und Mathematik an der Schule zu Reichenau bei Chur [* 5] in der Schweiz, [* 6] begab sich nach der Hinrichtung seines Vaters nach Bremgarten zu dem emigrierten General Montesquiou, machte eine Reise nach Skandinavien und lebte einige Zeit in Hamburg, [* 7] von wo er sich nach Amerika [* 8] einschiffte: kam er in Philadelphia [* 9] an. Seine jüngern Brüder folgten ihm dorthin, und die drei Prinzen bereisten nun die Vereinigten Staaten. [* 10]
Anfang 1800 gingen sie nach England, wo sie länger als sieben Jahre im Dorfe
Twickenham bei
London
[* 11] lebten.
Nach dem
Tode seiner beiden
Brüder reiste ludwig Philipp
1808 nach
Sicilien an den
Hof
[* 12] des Königs Ferdinand I. Dieser sandte ihn mit
dem Prinzen
Leopold von Salerno nach der span.
Küste, um hier die Sache der
Bourbons gegen
Joseph
Bonaparte aufrecht zu erhalten.
Die Prinzen landeten zu
Gibraltar;
[* 13] aber auf Betrieb Englands wurde
Leopold festgehalten und der
Herzog von
Orléans, wie er sich seit dem
Tode seines
Vaters nannte, im Sept. 1808 nach
London gebracht.
Nach seiner Vermählung mit der zweiten Tochter des Königs Ferdinand I., Marie Amélie, wurde er von der Junta zu Sevilla [* 14] nach Spanien [* 15] berufen, wo er Katalonien zum Aufstand bringen sollte. Er ging im Mai 1810 nach Tarragona, kehrte aber, ohne etwas erreicht zu haben, 3. Okt. nach Sicilien zurück. Nach dem Sturze Napoleons reiste er nach Paris und ward von Ludwig XVIII. in seine Güter und Würden wieder eingesetzt und zum Generaloberst der Husaren ernannt.
Auf die Nachricht von Napoleons Rückkehr ging er nach Lyon [* 16] zur Unterstützung des Grafen von Artois, kehrte aber, da alle Anstrengungen vergebens waren, nach Paris zurück und beschwor in der Kammersitzung vom mit dem königl. Hause die konstitutionelle Charte. Am 24. März ging er nach Twickenham, wo er bis Febr. 1817 blieb. Erst dann nahm er wieder in Frankreich seinen Aufenthalt und machte seinen Hof zu einem Sammelplatz freisinniger Männer. An den Ereignissen, die der Revolution von 1830 vorangingen, nahm er keinen unmittelbaren Anteil; doch unterhielt er mit den Häuptern der Opposition, Laffitte u. a., Beziehungen.
Als auf dem Stadthause die Absetzung Karls X. ausgesprochen worden, beschloß die Kammer auf Laffittes Vorschlag am 30., dem inzwischen von Talleyrand benachrichtigten Herzog von Orléans die Regentschaft als Generallieutenant des Reichs anzutragen. Der Herzog nahm die Würde an und trat auf dem Stadthause dem sog. Juliprogramm bei. Zugleich hatte auch Karl X. mit seiner und des Dauphins Abdankung zu Gunsten des Herzogs von Bordeaux [* 17] (s. Chambord) den Herzog von Orléans zum Generallieutenant des Reichs ernannt.
Dieser verschwieg aber, nachdem er als
Regent die Kammern 3. Aug. berufen hatte, daß die Abdankung des Königs
nicht bedingungslos erfolgt sei, ließ
Karl X. durch eine Abordnung der Nationalgarde einschüchtern und zur Abreise bewegen,
beschwor hierauf 9. Aug. die reformierte
Charte und bestieg kraft des Beschlusses und der
Aufforderung der Kammer vom 7. Aug., der
auch die Pairs beigetreten waren, als König der
Franzosen den
Thron.
[* 18] Während der König nach außen den
Frieden mit Eifer zu erhalten strebte, suchte er sich inmitten des innern Parteigewirrs auf die Mittelklasse zu stützen,
die andern Parteien dagegen durch die Politik des sog. Juste-Milieu niederzuhalten. (S.
Frankreich, Bd. 7, S. 101 b fg.) Doch
konnte er die mit der Julirevolution erstarkten
Ansprüche der großen demokratischen Partei durch seine
Taktik nicht beseitigen. Vielmehr sah er sich bald durch eine Reihe Verschwörungen und
Attentate bedroht, unter denen das
des Fieschi (s. d.) 18
Menschen das Leben kostete, während ludwig Philipp
nur leicht verletzt wurde.
Die äußere Politik des Königs in den orient. Wirren von 1840, noch mehr aber der
Tod des Thronerben,
des
Herzogs von
Orléans machten indessen die
Lage des Königtums unsicherer als je. Dazu kam die unfruchtbare,
mit Hartnäckigkeit jede
Reform zurückweisende
Verwaltung Guizots und eine Reihe skandalöser Prozesse, die eine unerhörte
Korruption der
Verwaltung offenbarten. Als der König bei der Kammereröffnung vom die Reformbewegung
geradezu verdammte, führte dies zur
Demonstration der sog.
Reformbankette (s. d.) und endlich zur Revolution. (S.
Frankreich, Bd. 7, S. 104.) ludwig Philipps
Abdankung
zu Gunsten seines Enkels, des
Grafen von
Paris, kam zu spät. Er entfloh 24. Febr. mit seiner Familie nach
St. Cloud und gelangte 3. März nach England.
Hier nahm er unter dem
Titel eines
Grafen von Neuilly seinen Aufenthalt auf
Claremont unweit Windsor, wo er starb.
Seine Überreste wurden in der Kapelle zu Weybridge beigesetzt und durch den
Grafen von
Paris
in die Begräbniskapelle zu Dreux übergeführt. Aus seiner
Ehe mit Marie Amélie von
Sicilien (gest. zu
Claremont)
ging eine zahlreiche Familie hervor. (S.
Orléans, Familie.) Repräsentant der
Rechte seines Hauses ist sein Urenkel, der
Herzog
Philipp
von
Orléans. Seine Reden,
Schriften u. s. w. wurden u. d. T. «Discours,
allocutions, réponses» (17 Bde., Par.
1833-47) zusammengestellt; auch erschien sein
Tagebuch: «Mon Journal; événements de 1815» (2 Bde.,
ebd. 1848).
Vgl. außer
Blanc,
Regnault, Nouvion und Guizots Memoiren noch:
Birch, ludwig Philipp
, König der
Franzosen (3 Bde., Stuttg. 1841-44; 3. Aufl.
1851);
¶
mehr
Douglas, Life and times of Louis Philippe
(Lond. 1848);
Haussonville, Histoire de la politique extérieure du gouvernement français de 1830 à 1848 (2 Bde., Par. 1850);
Montalivet, Le
[* 20] roi Louis Philippe
, etc. (ebd. 1851);
Ed. Lemoine, Abdication du roi Louis Philippe
, racontée par
lui-même (ebd. 1851);
Billault de Gérainville, Histoire de Louis Philippe
(3 Bde.,
ebd. 1870-76);
Hillebrand, Geschichte Frankreichs 1830-71, Bd. 1 u. 2 (Gotha [* 21] 1877-79; 2. Aufl. 1881-82);
Thureau-Dangin, Histoire de la monarchie de juillet (7 Bde., Par. 1884-92);
de Flers, Louis Philippe.
Vie anecdotique (ebd. 1891).