Lotterie
(vom frz. lot, Los), ein
Ausspielgeschäft, bei dem die Gewinne meist in
Geld bestehen. Nur der Zufall bestimmt,
auf welchen Einsatz ein Gewinn fallen und welcher eine Niete erhalten soll. Man unterscheidet die
Zahlenlotterie
oder das
Lotto (s. d.), auch Genuesische Lotterie
genannt, und die
Klassenlotterie, auch
Holländische
[* 2] Lotterie
genannt. Unter Lotterie schlechthin
wird in der Regel die letztere verstanden. Bei Lotterie
werden gewöhnlich Lose ausgegeben, ohne daß dies für den
Begriff der Lotterie
wesentlich ist.
Bei den Loslotterien
giebt es eine bestimmte Anzahl Lose, für welche eine Anzahl größerer oder
kleinerer Gewinne durch den
Plan, der den
Vertrag zwischen
Unternehmer und
Spieler bildet, festgesetzt ist. Die Lose werden meist
in halbe, Viertel-, Achtel- und Zehntellose geteilt. Es finden mehrere Ziehungen
(Klassen) statt, und es wird nur ein
Teil
des Preises
vor der ersten Ziehung, der Rest erst bei den folgenden gezahlt. Niemand ist gezwungen, ein Los durch alle
Klassen
zu spielen. Die meisten und größten Gewinne finden sich aber erst in der letzten
Klasse, weshalb auch diejenigen, welche
erst, nachdem mehrere Ziehungen stattgefunden haben, ein Los erwerben, dennoch den vollen Preis bezahlen
müssen.
Die Veranstaltung öffentlicher Lotterie
ohne obrigkeitliche Erlaubnis ist in den meisten
Staaten verboten (s.
Ausspielgeschäft).
Dagegen betreiben viele
Staaten die öffentliche Lotterie
selbst. Den Gegensatz zu den öffentlichen Lotterie bilden die in Privatkreisen
(z. B. unter den
Arbeitern einer Fabrik) veranstalteten.
Die Gesamtsumme der Einsätze ist bei den Staatslotterien
gleich der
Summe der Gewinne, und der Gewinn
der Anstalt besteht hauptsächlich in den
Abzügen von den Gewinnen, die sie für sich und die Losverkäufer (Lotterie
-Einnehmer,
Collecteure) macht und die bis zu 20 Proz. steigen, außerdem aber auch in den Gewinnen auf einen
Teil derjenigen Lose, welche sie in den ersten
Klassen selbst spielt, um sie in den spätern zu verkaufen
oder als Freilose zu geben. In manchen Lotterie
, z. B. auch der preußischen, empfangen
nämlich diejenigen, deren Los in einer der ersten
Klassen herauskommt, ein sog. Freilos, für welches sie die nächste
Klasse
nicht zu bezahlen brauchen.
Die Gewinnabzüge für den
Staat sind bisweilen auch nach der Höhe der Gewinne abgestuft; in
Holland z. B. ist der
Abzug für
Gewinne unter 100
Fl. 10 Proz., für höhere Gewinne 15 Proz. (In
Holland bezieht der
Staat außerdem ein
Aufgeld von 4
Fl. für
jedes Los von den Collecteuren.) In
Österreich,
[* 3]
Ungarn
[* 4] und in
Italien
[* 5] wird von den Lotterie
gewinnen eine
besondere Gewinnsteuer erhoben. Außerdem kommen für den
Staat noch die Stempelabgaben von den Lotterie
losen in Betracht.
Das
Spielen in fremden Lotterie
ist vielfach verboten. Das preuß. Gesetz vom verbietet
das
Spielen, den Losverkauf, die Veröffentlichung der Gewinnresultate von außerpreußischen Lotterie
bei
Geldstrafe bis 600 M. für den
Spieler und bis 1500 M. für den Collecteur. Weitere preuß. Gesetze, welche den
Handel mit
Lotterie
losen einschränkten, wurden und erlassen. Die
Ansicht, daß dem preuß. Fiskus
das
Recht zustehe, dem
Spieler in einer außerpreußischen, nicht zugelassenen Lotterie
den auf das Los
¶
mehr
empfangenen Gewinn abzufordern, hat das Reichsgericht als unbegründet bezeichnet. Die Gewinnaussichten der Spieler sind bei den Lotterie, in denen meist nur ein bestimmter Teil der Einlagen zu Gewinnen dient, sehr ungünstig. Die Ziehung der Lotterie erfolgt gewöhnlich in der Weise, daß sämtliche Losnummern in ein Glücksrad und die Gewinne (mit oder ohne Beifügung der Nieten) in ein anderes Rad gethan werden und daß nun gleichzeitig aus jedem Rad eine Nummer und ein Gewinn (oder eine Niete) genommen wird.
Diese, unter Kontrolle stattfindende Thätigkeit wird gewöhnlich von Waisenknaben mit verbundenen Augen vorgenommen. Die gezogenen Nummern werden unter Beifügung des darauf gefallenen Gewinnbetrages in gedruckten Gewinnlisten bekannt gemacht. Staats-Klassenlotterien bestehen zur Zeit z. B. in Braunschweig [* 7] (100000 Lose zu je 120 M.), Hamburg [* 8] (112000 Lose zu je 132 M.), Mecklenburg-Schwerin (70000 Lose zu je 120 M.); ferner in Sachsen [* 9] (100000 Lose, in 5 Klassen mit je 39 M. Einsatz - dazu 1 M. Schreibgebühr und 4 M. [bis 2 M.] Reichsstempel [10 vom Hundert] - gespielt; von den Gewinnen werden 14⅙ Proz. abgezogen, davon 12⅙ Proz. für den Staat, der bei 2 Lotterie jährlich etwa 4½ Mill. M. Reingewinn bezieht); in Preußen [* 10] (225620 Lose, 4 Klassen mit je 39 M. Einsatz, wozu noch 1 M. Schreibgebühr und 4 M. Reichsstempel treten; Abzüge 15⅘ Proz., davon für den Staat 14,3 Proz. und für den Einnehmer 1,5 Proz.; jährlich 2 Lotterie, Reingewinn für den Staat etwa 9 Mill. M.); Holland (jährlich 3 Lotterie mit je 21000 Losen zu je 20 Anteilen, in 5 Klassen; ein Los kostet 70 Fl.; Gewinn für den Staat etwa 0,7 Mill. Fl.). In Ungarn ist mit der Millenniumsausstellung von 1896 eine Klassenlotterie versuchsweise eingeführt worden.
Die Lotterie kam schon Ende des Mittelalters auf. In Holland läßt sie sich bis in den Anfang des 15. Jahrh. zurückverfolgen, zu welcher Zeit auch schon Geldlotterien vorkamen; häufig waren dieselben auch mit der Verlosung von Leibrenten verbunden. Aus Florenz [* 11] ist eine Geldlotterie von 1530, aus Frankreich von 1531 bekannt. Die älteste deutsche Klassenlotterie ist die Hamburger von 1610 (zur Errichtung eines Zuchthauses). Anfangs und noch bis ins 17. Jahrh. hinein dienten die Lotterie namentlich Wohlthätigkeits- und ähnlichen Zwecken, z. B. die holländische Lotterie von 1509 für Einrichtung von Waisenhäusern, die englische von 1569 für Unterhaltung der Seehäfen, die Pariser von 1572 für Ausstattung armer Jungfrauen. Später suchten die Staaten indes eine Einnahmequelle daraus zu schaffen und machten die Lotterie zu einem Staatsmonopol. England führte die Klassenlotterie 1694 ein; die Staatslotterie in Frankreich wurde 1660, die in Holland 1726, die in Preußen 1702 (seit 1767 monopolisiert) errichtet.
Das Monopol oder die Einführung von Staatslotterien überhaupt läßt sich damit rechtfertigen, daß die Lust am Spiel in den Menschen unausrottbar zu sein scheint und deshalb ohne die Staatslotterie andere, weniger kontrollierbare und vielleicht in wirtschaftlicher und moralischer Hinsicht noch gefährlichere Befriedigungsmittel suchen, oder das Geld dem Auslande durch Beteiligung an fremden Lotterie zuführen würde. Thatsächlich ist das Lotteriespiel weder in wirtschaftlicher Beziehung, noch in moralischer Hinsicht von günstiger Wirkung. Wiederholt ist deshalb auch die Abschaffung der Staatslotterien verlangt worden; in England (1826), Belgien [* 12] (1830), Hessen-Darmstadt ^[] (1832), Frankreich (1836) und Bayern [* 13] (1861) ist diesem Verlangen Rechnung getragen worden. -
Vgl. Mareinowski, Das Lotteriewesen im Königreich Preußen (Berl. 1892);
Brandt, Das Lotteriewesen unserer Zeit (Hamb. 1894).
Zu den Lotterie sind auch die Lotterie- (oder Prämien-) Anleihen (s. Prämienanleihen) und unter gewissen Umstanden das Promessengeschäft (s. Heuergeschäft) zu rechnen. Über die Klagbarkeit des Lotterievertrags s. Ausspielgeschäft.