Titel
London
[* 2] (spr. lonnd'n), die Hauptstadt Englands und des britischen Reichs, die bevölkertste Stadt der Welt, liegt zu beiden Seiten der hier 180-275 m breiten Themse, 97 km oberhalb deren Mündung in die Nordsee, unter 51° 30' nördl. Br. und 0° 5' westl. L. v. Gr. (Kathedrale von St. Paul). Innerhalb der vom Registrar general für die Sterbelisten angenommenen Grenzen [* 3] bedeckt die Stadt einen Flächenraum von 305 qkm (5,54 QM.), wovon 127 qkm auf die Grafschaft Middlesex, 91 auf Surrey und 87 auf Kent entfallen. Sie erstreckt sich in gerader Linie 26 km von W. nach O., 19 km von N. nach S. und ist großenteils auf Alluviallagern von Thon und Kies erbaut, welche auf ¶
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dem Londoner Thon (London-clay) lagern. Im N. steigt ihr Gebiet zu den Hügeln von Highbury (46 m), Highgate (129 m) und Hampstead
(134 m) an. Der südliche Stadtteil, früher teilweise sumpfige Niederung, ist in weitem Kreis
[* 5] von den Hügeln Surreys umgeben,
welche bei Sydenham eine Höhe von 112 m erreichen. Das Klima
[* 6] ist gesund, und seit Anlage eines ausgedehnten
Systems von Abzugskanälen hat die Sterblichkeit bedeutend abgenommen. Die mittlere Temperatur der Stadt ist 10,25° C. (Sommer
16,6,° Winter 3,9°), und wenn die Themse auch schon gelegentlich zufror oder sich das Eis
[* 7] in ihr aufstaute (wie in den Jahren
1814, 1826 und 1842), so sind doch Schnee
[* 8] und Eis verhältnismäßig seltene Gäste. Der Regen (634 mm jährlich)
ist ziemlich gleichmäßig auf die vier Jahreszeiten
[* 9] verteilt. Eigentümlich sind London
gelbe Nebel, welche der höhern Temperatur
der Themse ihre Entstehung, dem Kohlendampf ihre Farbe und den Gasentweichungen ihren eigentümlichen Geruch verdanken.
[* 4]
^[Abb.: Wappen
[* 10] von London.]
Stadtteile. Öffentliche Anlagen. Monumente.
(Vgl. beifolgenden Stadtplan.)
Als eigentlicher Kern der Stadt muß die City (269 Hektar) betrachtet werden, welche allein sich einer Munizipalverfassung erfreut. Ihr schließen sich die mit ihr zusammengewachsenen Stadtteile sowie eine große Anzahl gartenreicher Vorstädte an. Die Einteilung für Zwecke der Verwaltung ist äußerst verwirrt, und selbst der geborne Londoner ist nicht immer in der Lage, anzugeben, in welchem Kirchspiel, Armen- oder anderm Bezirk er wohnt. Die 28 parlamentarischen Wahlbezirke (boroughs), welche 59 Mitglieder in das Parlament schicken, sind die City, Hackney, Shoreditch, Bethnal Green, Tower Hamlets, Islington, Finsbury, Hampstead, Marylebone, Paddington, St. Pancras, Hammersmith, Fulham, Kensington, Chelsea, Westminster, St. Georges und Strand in Middlesex, Battersea mit Clapham, Camberwell, Lambeth, Newington, Southwark und Wandsworth in Surrey, und Greenwich, Deptford, Woolwich und Lewisham in Kent.
Viel geläufiger im Volksmund sind die großen sozialen Abteilungen Londons.
Die City muß als das Herz der großen Weltstadt
angesehen werden. In ihr haben die großen Kaufherren ihre Geschäftshäuser und entwickelt sich während
des Tags der lebhafteste Verkehr. Lombard Street ist seit Jahrhunderten der Sitz der Bankgeschäfte; in Mark Lane wohnen Kornmakler,
in Mincing Lane Kolonialhändler, in Paternoster Row Buchhändler, und in der Nähe von Fleet Street findet man die
größten Druckereien.
Der City schließt sich das gewerbreiche, großenteils von Arbeitern bewohnte Ostend an. Die Docks und die vielfachen dem Seehandel
gewidmeten Anstalten, welche London
den Charakter einer Seestadt verleihen, liegen am Ufer der Themse. Whitechapel, nördlich von
dieser, hat zahlreiche Tabaks- und Zigarrenfabriken, und die deutschen Arbeiter, die dort wohnen, finden
vielfach in den benachbarten Zuckersiedereien in Goodman's Fields Beschäftigung. Spitalfields ist der Sitz der aus Frankreich
vertriebenen Seidenweber; Clerkenwell zählt unter seiner Bevölkerung
[* 11] zahlreiche Uhrmacher, Juweliere und Mechaniker.
Ein neutraler Streifen Landes, welchen die »Inns« der Advokaten und die höchsten Gerichtshöfe einnehmen, trennt die City von dem Westend, dessen geschäftlichen Mittelpunkt Charing Croß und Trafalgar Square bilden. Wie die City Sitz des Verkehrs, so ist das Westend im engern Sinn Sitz der politischen Thätigkeit, des Vergnügens und des vornehmen gesellschaftlichen Lebens. Die schönsten Stadtteile dieses Westend sind St. James mit Pall Mall und seinen zahlreichen Klubs, Belgravia im S. des Hyde Park, Mayfair und die Umgegend von Grosvenor Square im O. und der neue Stadtteil Tyburnia im N. desselben.
Diese vornehmen Quartiere der Stadt wandern stetig nach W., und Straßen und Plätze, welche noch zu Anfang des Jahrhunderts für aristokratisch galten, wie Russell Square, sind den wohlhabenden Mittelklassen, den Geschäftslokalen und selbst der Armut überlassen worden. Indes fehlt es auch dem Westend ebenso wie dem Ostend nicht an Stadtteilen, in welchen Armut und Laster ihren Sitz aufgeschlagen haben. Unter ihnen sind zu erwähnen: St. Giles, in der Nähe des Leicester [* 12] Square, und Teile von Westminster und Chelsea.
Der südlich der Themse gelegene Stadtteil hat wiederum sein eigentümliches Gepräge. Er ist voll von Arbeiterwohnungen und Fabriken. In Lambeth und Wandsworth findet man zahlreiche Töpfereien und chemische Fabriken, in Southwark Brauereien, in Bermondsey Gerbereien. Diese innern Stadtteile umgibt in weitem Umkreis eine Reihe von teils sehr stattlichen Vorstädten, ursprünglich Landstädtchen oder Dörfern, die im Lauf der Zeit mit der Stadt völlig zusammengewachsen sind oder doch mit ihr durch Häuserreihen in Verbindung stehen. Die bekanntern davon sind: Dalston und Clapton im NO., Islington, Highbury, Holloway, Highgate und Hampstead im N., St. John's Wood, Bayswater und Notting Hill im NW., Kensington und Hammersmith jenseit des Hyde Park, Brompton im SW., Battersea, Clapham, Stockwell, Brixton und Camberwell im S.
[Brücken.]
Den Verkehr zwischen den auf beiden Seiten der Themse gelegenen Stadtteilen vermitteln 19 Brücken
[* 13] und 2 Tunnels.
Von den Brücken dienen 6 dem Eisenbahnverkehr, 4 von ihnen sind in Stein ausgeführt, 8 in Stein und Eisen,
[* 14] 3 in
Eisen, und 4 sind Hängebrücken. Die wichtigern unter ihnen sind: Die London
brücke, das wichtigste Bindeglied zwischen City
und Southwark, an der obern Grenze des Londoner Hafens, ist 1825-31 von John Rennie an Stelle der ältesten, seit dem 12. Jahrh.
bestehenden steinernen Brücke
[* 15] der Stadt aus schottischem Granit aufgeführt.
Einschließlich der Widerlager ist die Brücke 283 m lang, von den fünf Bogen [* 16] hat der mittlere 46,3 m Spannweite. Man hat berechnet, daß täglich 20,000 Wagen und 170,000 Menschen diese Brücke passieren. Ihr zunächst folgt die vom Bahnhof in Cannon Street ausgehende Eisenbahnbrücke, die von 16 gußeisernen Cylindern getragen wird. Oberhalb liegt die Southwarkbrücke, ein Meisterwerk John Rennies, 215,8 m lang, mit drei gußeisernen, auf steinernen Pfeilern ruhenden Bogen (der mittlere 73,2 m weit).
Dann folgen rasch aufeinander eine noch unvollendete Eisenbahnbrücke, die Alexandrabrücke, 317 m lang, welche gleichfalls dem Eisenbahnverkehr dient, und die 1869 vollendete Blackfriarsbrücke, 281 m lang, mit schmiedeeisernen, von Granitpfeilern getragenen Bogen, bei welcher der Themsedamm seinen Anfang nimmt und sich 2024 m weit ohne Unterbrechung bis zur Westminsterbrücke erstreckt. Die Waterloobrücke, 1811-1817 ebenfalls von Rennie erbaut und unstreitig eine der schönsten Brücken der Welt, ist mit Einschluß ¶
Maßstab [* 18] = 1:60.000.
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ihrer Anfahrten 746,6 m lang, und ihre neun Korbbogen haben eine Weite von je 36,5 m. Die Eisenbahngitterbrücke bei Charing Croß nimmt die Stelle einer alten Hängebrücke ein. Auf sie folgt die 1862 von Page vollendete Westminsterbrücke, aus Stein und Eisen aufgeführt, 352,6 m lang und 25,9 m breit, mit sieben Bogen, deren mittlerer eine Spannweite von 36,5 m hat. Die alte, 1739-50 von einem Schweizer erbaute Brücke, die zweite Londons, fiel ihr zum Opfer. Unter den obern Brücken ist die Kettenbrücke bei Chelsea, 1857-58 erbaut, wohl die wichtigste. Sie ist 289,9 m lang, und die beiden Öffnungen sind jede 105,8 m weit. Der einst für ein Wunderwerk der Welt gehaltene Themsetunnel wird jetzt von einer Eisenbahn durchfahren; man hat aber einen kleinern Tunnel [* 20] (subway), für Personenverkehr, beim Tower gebaut und arbeitet an einem großen Tunnel, welcher Blackwall mit Greenwich verbinden wird.
[Straßen.]
Von den ungefähr 11,000 Straßen Londons, in einer Gesamtlänge von 3200 km (450 km mit Granit und 85 mit Holz [* 21] gepflastert, 22 asphaltiert und sämtlich mit guten Trottoirs versehen), können nur wenige in architektonischer Beziehung Anspruch auf Schönheit machen. Die Mehrzahl der Häuser ist aus Backsteinen aufgeführt, 2-3 Stockwerke hoch, zwei Fenster breit, ungetüncht und von Rauch geschwärzt. In den Geschäftsstraßen der City jedoch, in den wohlhabenden Stadtteilen des Westend und vielfach in den Vorstädten gestalten sich diese Verhältnisse günstiger, und namentlich in jüngster Zeit sind zahlreiche Bauten erstanden, welche einer jeden Stadt zur Zierde gereichen würden.
Unter sämtlichen Verkehrsadern Londons ist die ausgedehnte Straßenreihe, welche die Bank mit Westminster verbindet, die wichtigste und auch wohl die älteste. Als Cheapside (»Kaufstraße«) erstreckt sie sich von der Bank bis zur Paulskathedrale, nimmt dann den Namen Ludgate Hill an und geht an der Stelle des alten Ludthors in Fleet Street über. Bei Temple Bar, dem einstigen Stadtthor, an dessen Stelle ein Denkmal getreten ist, verlassen wir das Gebiet der City. Der Strand, mit zahlreichen Theatern, Speisewirtschaften und Kaufläden, bringt uns nach dem Trafalgar Square und Charing Croß, von wo die breite, Whitehall genannte und fast ganz von Regierungsgebäuden besetzte Straße nach den Parlamentsgebäuden führt.
Abermals von der Bank ausgehend, bringt uns die neue Queen Victoria [* 22] Street mit ihren stattlichen Geschäftshäusern auf den Themsedamm, der, teilweise mit städtischen Anlagen geziert, sich mit der Zeit zu einem Glanzpunkt Londons entwickeln wird. Die von Bäumen beschattete Northumberland Avenue verbindet den Themsedamm mit Charing Croß. Eine dritte Straßenreihe geht von der Paulskathedrale aus. Sie überschreitet auf hohem Viadukt das Thal [* 23] des ehemaligen Flüßchens Fleet und setzt sich als Holborn und Oxford [* 24] Street bis zum Hyde Park fort.
Unter den andern Straßen, welche von der Bank, dem Mittelpunkt der City, ihren Ausgangspunkt haben, sind zu erwähnen: Moorgate Street mit ihren Verlängerungen, der City Road etc., welche nördlich von Oxford Street nach dem weiten Westen führt;
die in nördlicher Richtung verlaufende Bishopsgate Street, die nach O. führende Whitechapel Road und King William Street, welche zur Londonbrücke führt und jenseit derselben sowohl in südlicher als in südöstlicher Richtung ihre Fortsetzung findet.
Unter den von N. nach S. verlaufenden Straßen ist Regent Street die bedeutendste und überhaupt eine der schönsten in London. Sie wurde seit 1813 nach dem Entwurf von Nash nach einheitlichem Plan ausgeführt und verbindet Waterloo [* 25] Place, wo die Denksäule des Herzogs von York steht, mit dem Regent's Park. Sie durchschneidet Oxford Street sowohl als Piccadilly, Pall Mall (mit schönen Klubhäusern) und mündet beim Waterloo Place in St. James. Die neuern Straßendurchbrüche erleichtern zwar den Verkehr, verschönern aber keineswegs die Stadt in dem gehofften Maß.
[Squares, Parke.]
Zahlreiche mit Gartenanlagen versehene Squares gereichen London zur besondern Zierde. Die Mehrzahl derselben ist Privateigentum und nur den Umwohnern zugänglich. Einige jedoch, wie der mit einem Denkmal Shakespeares geschmückte Leicester Square, Soho Square und der bei den Parlamentsgebäuden und der Westminsterabtei gelegene Parlament Square, stehen dem Publikum offen. Die bereits 1619 vom berühmten Architekten Inigo Jones angelegten Lincoln's Inn Fields, Eaton Square, der aristokratische Belgrave Square und Russell Square sind die bedeutendsten unter diesen offenen Stellen im Londoner Häusermeer.
Trafalgar Square hat keinen Baumwuchs, aber Springbrunnen, eine Nelsonsäule und andre Denkmäler. Smithfield (eigentlich Smoothfield, »ebenes Feld«) in der City ist historisch merkwürdig als alter Turnierplatz und Hinrichtungsstätte. Nächst den Squares sind es die großen öffentlichen Parke, deren frisches Grün das Auge [* 26] erquickt, und die teilweise im Innern der Stadt liegen. Sämtliche 42 Parke und öffentliche Gärten von London umfassen einen Flächenraum von 1817 Hektar.
Den vornehmsten Rang unter ihnen nimmt die zusammenhängende Reihe des Westend Park ein, welche sich von der Nähe der Charing Croß ununterbrochen bis zur Vorstadt Kensington erstreckt und ein Areal von 319 Hektar hat. Dazu gehören St. James' Park mit der nach einem Ballspiel genannten Allee »The Mall«, Green Park, Hyde Park (157 Hektar) und die mit prächtigem Baumwuchs gezierten Kensington Gardens. Am Hyde Park Corner, wo Green und Hyde Park zusammenstoßen, steht ein Denkmal Wellingtons und im Park selbst, an der Stelle, welche das 1851er Ausstellungsgebäude [* 27] einnahm, ein großartiges Denkmal des Prinzen Albert (Albert Memorial).
Hyde Park ist Sammelplatz der vornehmen Welt, welcher hier in der Rotten Row (Route du roi) eine vorzügliche Reitbahn, in der Ladies' Mile oder dem Ring eine schöne Fahrbahn geboten wird. Regent's Park (191 Hektar) mit dem anstoßenden Primrose Hill Park (28 Hektar) liegt nördlich vom Hyde Park, und in noch größerer Entfernung vom Westend liegen Finsbury Park (47 Hektar), Victoria Park (107 Hektar) und West Ham Park (32 Hektar), letzterer im fernsten Osten. Auf dem südlichen Ufer liegen Battersea Park (101 Hektar), Kennington Park (10 Hektar), Southwark Park (25,5 Hektar) und Greenwich Park (70,3 Hektar).
Kleinere Gartenanlagen findet man in verschiedenen Teilen der Stadt, namentlich auf dem Themsedamm; auch die schönen Temple Gardens stehen dem Publikum zu gewissen Stunden offen. Diesen eigentlichen Parken schließen sich eine stattliche Reihe von Commons (Gemeindeweiden) an, unter welchen Hampstead Heath im N., Clapham Common im SO. und Blackheath (»die schwarze Heide«) bei Greenwich die bedeutendsten sind. In sämtlichen Parken findet man Spiel- und Turnplätze, und auch für das Baden [* 28] sind in einigen unter ihnen Vorrichtungen getroffen. Sie wirken außerdem belehrend durch die in ihnen gepflegten ausländischen, stets mit Namen versehenen Gewächse, und als ¶