Livórno
(engl.
Leghorn), die kleinste der ital.
Provinzen, in der
Landschaft
Toscana, besteht nur aus dem
Stadtkreis und
der
Insel
Elba (s. d.) nebst mehreren kleinern Eilanden und zählt
(1881) auf 326 qkm (nach Strelbitsky 343 qkm oder 6,2 QM.)
121,612 Einw. Die gleichnamige Hauptstadt liegt an flacher, landeinwärts künstlich trocken
gelegter
Küste des
Mittelländischen
Meers, ist gegen die
See- wie gegen die Landseite durch mehrere
Forts,
Bastionen und
Batterien
geschützt und bildet einen der wichtigsten
Hafen- und Handelsplätze
Italiens,
[* 2] welcher sich als künstlicher,
weitab von den Anschwemmungen des
Arno und
Serchio angelegter
Hafen, nachdem
Pisa
[* 3] seine Bedeutung als Handelsstadt verloren hatte,
immer mehr entwickelte und als
Freihafen durch Herbeirufung von
Menschen aller
Nationen und
Konfessionen
[* 4] rasch bevölkerte. Livórno
hat
trefflich gepflasterte
Straßen, von welchen die breite
Via
¶
mehr
Vittorio Emmanuele die ältere Stadt der Quere nach durchzieht und mit den Hauptverkaufsläden geschmückt ist, große
Plätze (darunter der Hauptplatz: Piazza Vittorio Emmanuele) und hohe, bis fünfstöckige, geräumige Häuser; doch fehlt Livórno
ebensowohl
die Nationalphysiognomie, wie es an nationalen Kunstleistungen Mangel hat. Bemerkenswert sind unter den Bauwerken: der Dom
(aus dem 17. Jahrh.), außer welchem die Stadt noch 23 Kirchen (darunter eine deutsche protestantische,
eine englische, eine schottische, eine griechisch-unierte und eine schismatische, eine armen.
Kirche und eine große schöne Synagoge von 1603) besitzt;
ferner der ehemalige großherzogliche Palast (von 1605), das Stadthaus (1720), die Börse, die Präfektur, die Hauptwache, der Palast Larderel (mit Gemäldesammlung).
Von Denkmälern
sind die Marmorstatue des Großherzogs Ferdinand I. am Hafen, die Standbilder Ferdinands III. und Leopolds II. an der Piazza Carlo
Alberto, das Denkmal Cavours und die Statue des zu Livórno
gebornen Politikers und Schriftstellers Guerrazzi zu erwähnen. Interessant
ist der nordwestliche Teil der Stadt, »Neu-Venedig«
genannt, welcher von zahlreichen Kanälen durchschnitten und, wie die übrige Stadt, durch eine 1792 angelegte Wasserleitung
[* 6] mit gutem Trinkwasser versehen ist, das von Colognolo aus den Bergen
[* 7] 30 km weit herbeigeführt wird. Erwähnung verdienen
endlich die Schwefelquellen mit Badeanstalt
[* 8] und die Seebäder von Livórno.
Die Bevölkerung
[* 9] beträgt (1881) 78,998,
mit Einschluß der Vororte 89,980 Seelen, darunter etwa ein Fünftel Juden.
Der Hafen besteht aus dem innern, von den Mediceern angelegten Bassin, Porto vecchio, welches durch einen 525 m langen, mit einer Batterie endigenden Damm abgeschlossen wird, und dem 1854 hinzugefügten äußern Hafen, Porto nuovo, welcher durch einen bogenförmig vorgelegten Wellenbrecher mit zwei Leuchttürmen geschützt wird und 8-10 m tief ist. Auf einer Felseninsel in diesem Vorhafen erhebt sich der alte, 1303 errichtete Leuchtturm. Der alte Hafen enthält Schiffswerften und zwei Arsenale; außerhalb des Hafens befinden sich an der Meeresküste zwei Lazarette.
Die Eisenbahnverbindungen Livornos
über Pisa einerseits nach Florenz
[* 10] und Bologna, anderseits nach Genua
[* 11] sowie an der Küste nach Rom und
[* 12] Süditalien,
[* 13] regelmäßige Dampfschiffsverbindungen mit Civitavecchia, Neapel,
[* 14] Genua und Marseille
[* 15] täglich, dann mit andern italienischen Häfen, mit Malta und der Levante, mit englischen und nordamerikanischen Häfen beleben
den Handel. In Livórno
sind viele jüdische, türkische, griechische, überhaupt fremde Handelshäuser
etabliert, zu deren Schutze zahlreiche Konsulate hier ihren Sitz haben.
Dem städtischen Verkehr dient ein Tramway. Im Hafen sind 1885 im internationalen Verkehr 636 beladene Schiffe
[* 16] mit 297,729 Ton.
ein- und 431 Schiffe mit 181,030 T. ausgelaufen. Auf den Verkehr mit italienischen Häfen kamen 3394 ein- und 2696 ausgelaufene
Fahrzeuge mit 1,041,412, resp. 1,021,297 T. Der Gesamtverkehr bezifferte
sich sonach auf 7157 Schiffe und 2,541,468 T., mit welchen Ziffern Livórno
unter den Häfen Italiens nur Genua und Neapel nachsteht.
Auf den Dampfschiffahrtsverkehr kamen 3653 Schiffe und 2,357,217 T. Nächst der italienischen Flagge behaupteten die englische
und französische Flagge den Vorrang.
Der durch die Schiffahrt vermittelte Warenverkehr belief sich 1885 auf 688,038 T., wovon 286,197 auf den Import aus dem Ausland,
69,098 T. auf den Export in fremde Länder kamen. Der Wert der Ausfuhr in Livórno
betrug 1886: 42⅕ Mill. Lire (1885: 51½ Mill.
Lire), derjenige
der Einfuhr 72⅖ Mill. Lire (1885: 79¾ Mill. Lire). Die Hauptartikel des Handels sind
in der Ausfuhr: Olivenöl, Wein, Hanf, Seide,
[* 17] Marmor und andre Steine, Eisenerz, Boraxsäure, Weinstein, Konfitüren und Konserven,
Häute und Felle, Strohhüte;
in der Einfuhr: Spiritus,
[* 18] Zucker,
[* 19] Farbhölzer und Farbwurzeln, Garne und Gewebe,
[* 20] Maschinen, Getreide
[* 21] und Mehl.
[* 22] Die Stadt besitzt an Förderungsmitteln für den Verkehr insbesondere eine Diskontobank, eine
Seeversicherungsgesellschaft, eine Sparkasse, große Magazine und ist der Mittelpunkt für die bedeutendsten Speditions- und
Wechselgeschäfte zwischen Italien
[* 23] und der Levante. Gegen den Handel tritt die Industrie von Livórno
bedeutend in den Hintergrund;
doch sind einige Zweige derselben, wie der Schiffbau, die Erzeugung von Schmucksachen
[* 24] aus Korallen
[* 25] und Alabaster,
Strohhüten, Seilerwaren, ferner Fischfang und Korallenfischerei, Erwerbsquellen für eine große Zahl von Einwohnern.
Sehr reich ist Livórno
an Humanitäts- u. Wohlthätigkeitsanstalten, von denen die zwei Lazarette außerhalb der Stadt, an der Küste,
das große vereinigte königliche Spital (1622 gegründet) samt Findelanstalt, das Waisenhaus für beide
Geschlechter, das 1844 gestiftete Arbeitshaus (Pia casa di Sant' Andrea), der seit 1597 bestehende Israelitische Unterstützungsverein
die bedeutendsten sind. An wissenschaftlichen Anstalten bestehen ein bischöfliches Seminar, ein königliches Lyceum, ein Gymnasium,
ein Institut für die Handelsmarine, eine technische Gemeindeschule, eine höhere Rabbinatschule sowie eine 1816 gegründete
wissenschaftliche Akademie (Accademia Labronica) mit einer ansehnlichen Bibliothek (40,000 Bände). ist
der Sitz eines Präfekten, Bischofs, Zivil- und Korrektionstribunals, einer Finanzintendanz, eines Generalkommandos, einer Handels- und
Gewerbekammer, Zollinspektion und eines Hauptzollamts sowie eines deutschen Konsuls. In der Nähe der Stadt liegt der Monte Nero,
mit schönen Villen der Livorneser und der Wallfahrtskirche Madonna di Monte Nero. - Livórno
steht an der Stelle
des Portus Herculis oder Portus Liburnus der Alten.
Gegen Ende des 13. Jahrh. war es noch ein offener Flecken von geringer Bedeutung; erst seit der Zerstörung des Hafens von
Pisa fing es an sich zu heben, besonders nachdem es 1421 an Florenz gekommen. Alessandro de' Medici befestigte
die Stadt und baute die Citadelle; Cosimo I. erklärte den Hafen für einen Freihafen (den ersten im Mittelmeer). Namentlich seit
Ferdinand I., der Livórno
1606 zur Stadt erhob und zum Zufluchtsort aller Verfolgten (Juden, Protestanten etc.) machte, gelangte
es nach und nach zu großem Wohlstand, der nur im Revolutionskrieg und 1804 durch das gelbe Fieber vorübergehend
gestört wurde.