Littauen
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s. Litauen.
Littauen
3 Wörter, 22 Zeichen
Littauen,
s. Litauen.
(Lithauen, russ. u. poln. Litwa), vormals zum polnischen Reiche gehöriges Großfürstentum, bestand vor der Teilung Polens aus dem eigentlichen Litauen, welches die Woiwodschaften Wilna [* 3] und Troki in sich begriff, aus dem Herzogtum Samogitien und aus dem litauischen Rußland, d. h. den Woiwodschaften, welche von den Litauern früher den Russen abgenommen worden waren, nämlich dem alten Polesien, Schwarzrußland oder Nowogrodek und Weißrußland oder Minsk, Mcisclaw, Witebsk, Smolensk, Plozk und Polnisch-Livland. Bei der Teilung Polens ward diese über 275,000 qkm (5000 QM.) umfassende Ländermasse zwischen Rußland und Preußen [* 4] geteilt; doch fielen die preußischen Erwerbungen später ebenfalls an Rußland (s. unten, Geschichte). - Die Litauer (poln. Litwini, russ. Litowzi) bilden mit den Letten, den alten Preußen und den Shmuden (Samogitiern) einen besondern Zweig des sogen. baltischen oder slawolitauischen Astes des indogermanischen Völker- und Sprachstammes, den litauischen.
Sämtliche litauische Stämme zählen gegen 3 Mill. Seelen, darunter 1,2 Mill. Letten (s. d.) und 0,7 Mill. Shmuden (meist in den Gouvernements Kowno und Suwalki); der Rest (1,1 Mill.) sind eigentliche Litauer (meist in den Gouvernements Kowno und Wilna). Letztere, die sich übrigens sehr stark mit den Nachbarvölkern vermischt haben, sind blond, von festem Körperbau, religiös, in hohem Grad abergläubisch und hängen mit großer Zähigkeit an den althergebrachten heidnischen Gebräuchen.
Die Wohnungen sind ärmlich und unsauber, die Wände immer mit einer Menge von Heiligenbildern geschmückt. Die Litauer bekennen sich größtenteils zur römisch-katholischen Kirche; doch wächst die Zahl der zur griechisch-katholischen Kirche Gehörenden beständig, seit Kaiser Nikolaus die unierte Kirche in Litauen aufgehoben und mit der griechisch-katholischen verbunden hat. Im nördlichen Ostpreußen [* 5] (namentlich in den Kreisen Heydekrug, Memel, [* 6] Tilsit, [* 7] Ragnit, Niederung, Pillkallen und Labiau) wohnen ca. 150,000 protestantische Litauer.
ist etwa seit 850 n. Chr. von dem Volk der Litauer bewohnt. Die Vorzeit bis 1230 ist mythisch. Bis dahin lebten die litauischen Stämme unter kleinen Fürsten. Sie hatten eine strenge Kasteneinteilung in Priester, Fürsten (preuß. Reiks oder Rekis, lit. Kuingas, lett. Kungs), Krieger, Grundbesitzer, freies Volk und Leibeigne. Geschriebene Gesetze kannten sie nicht. Die oberste Gewalt befand sich in der Hand [* 8] ¶
des ersten Priesters (Kriwe-Kriweito). Mord und Diebstahl wurden sehr streng bestraft. Hauptbeschäftigung waren Ackerbau und Handel mit den Schweden [* 10] und Slawen. Als erster Großfürst wird Ringold (1230-35) genannt. Sein Sohn Mindowg ließ sich 1252 vom Erzbischof von Riga [* 11] taufen und zum König krönen, trat dem Deutschen Orden [* 12] Samaiten und Schalauen ab und versprach ihm für den Fall seines Todes sein ganzes Reich. Doch 1261 fiel er vom Glauben wieder ab, vernichtete ein Ordensheer in der blutigen Schlacht an der Durbe und reizte die heidnischen Preußen zum Aufstand.
Fast alljährlich fanden in den nächsten 20 Jahren Einfälle der Litauer ins Ordensland statt, wofür der Orden seit 1283 seinerseits blutige Rache nahm, neue Plünderungszüge der Litauer jedoch nicht verhindern konnte. Gedimin (seit 1315) eroberte durch den Sieg am Fluß Irpénj 1321 einen Teil des südlichen Rußland samt Kiew, [* 13] gründete die Städte Wilna und Troki, kämpfte im Bund mit Wladislaw von Polen gegen den Orden, der vom König Johann von Böhmen [* 14] unterstützt ward, und empfing die Todeswunde bei der Belagerung einer Ordensburg 1340. Sein Nachfolger Olgerd (1345-77) entriß den Ruthenen Podlachien am Bug (1366), zwang um dieselbe Zeit die Tataren von Perekop zur Anerkennung seiner Oberhoheit und bewog Groß-Nowgorod und Pskow, unter seinen Schutz zu treten.
Weniger glücklich war er in den Kämpfen gegen den Orden, die er, von seinem Bruder Keistut unterstützt, unaufhörlich führte; beide wurden 1370 bei Rudau total geschlagen, doch gelang die Eroberung von Wilna 1378 dem Orden nicht. Olgerds jüngster Sohn, Jagello (1377-1434), ließ sich 1386 in Krakau [* 15] taufen und nahm den Namen Wladislaw an. Durch seine Vermählung mit der Erbin Polens, Hedwig, erhielt er damals Polen, mußte jedoch 1392 den Litauern in Witowt, dem Sohn des von ihm getöteten Keistut, einen eignen Großfürsten geben.
Obwohl dieser sich wiederholt mit dem Orden gegen Polen verband, so focht er doch an der Seite Jagellos in der für den Orden verhängnisvollen Schlacht bei Tannenberg (1410). Während die Eroberung des Fürstentums Smolensk Witowt 1404 gelang, schlug sein Zug gegen die Goldene Horde fehl; er erlitt an der Worskla eine furchtbare Niederlage (1399). Inzwischen war ein großer Teil der Litauer katholisch geworden. Auf dem Tag zu Gorodlj am Bug (1413) ward festgesetzt, daß der katholische Adel Litauens mit dem polnischen zur Wahl der Könige und Großfürsten sowie zu wichtigen Beratungen einen gemeinschaftlichen Reichstag bilden sollte.
Vergebens bemühte sich Witowt, welchem die Abhängigkeit von Polen verhaßt war, vom deutschen Kaiser Siegmund den Königstitel zu erhalten; die Polen verhinderten es. Nach Witowts Tod (1430) ernannte Wladislaw seinen Bruder Sswitrigailo zum Großfürsten von Litauen; dieser ward aber von dem durch die litauischen Bojaren gewählten Bruder Witowts, Siegmund, verdrängt. Jener wurde 1435 in seinen Ansprüchen auf und Polen vom Orden unterstützt; doch letzterer versprach im Frieden zu Brzesc sich nicht mehr in die litauischen Händel zu mischen.
Siegmund, wegen seiner Grausamkeit verhaßt, ward 1440 vom Fürsten Czartoryiski ermordet, und ein Bruder des polnischen Königs Wladislaw III., Kasimir, erhielt Litauen; derselbe bestieg 1444 auch den polnischen Thron. [* 16] In den mit Litauen vereinigten russischen Gebieten bestanden noch bis zum Anfang des 16. Jahrh. Teilfürsten; Smolensk ging 1522 an Moskau [* 17] verloren. Nach dem Tod Kasimirs IV. (1492) erwählten die Polen dessen zweiten Sohn, Johann I. Albrecht, zum König; die Litauer dagegen wählten seinen dritten Sohn, Alexander, zu ihrem Großfürsten, der 1501 König von Polen wurde.
Seitdem blieben Polen und Litauen unter Einem Oberhaupt vereinigt. Die völlige Vereinigung beider Länder in allen Staatsangelegenheiten kam endlich auf dem Reichstag zu Lublin (1569) zu stande. Die litauischen Provinzen im südwestlichen Rußland fielen an Polen. Beide erhielten einen gemeinsamen Senat und Reichstag in Warschau, [* 18] doch sollte seit 1673 stets der dritte Reichstag in Grodno gehalten werden. Bei der dritten Teilung Polens 1795 kam der größere Teil Litauens an Rußland, das daraus die sechs Gouvernements: Wilna, Kowno, Grodno, Mohilew, Witebsk und Minsk bildete;
der kleinere, bis zur Memellinie Kowno-Grodno, fiel an Preußen, wurde aber 1807 mit dem Großherzogtum Warschau vereinigt und fiel 1814 als Teil Kongreßpolens ebenfalls an Rußland. Litauen beteiligte sich 1830 und 1863 an den Aufständen in Polen gegen Rußland (s. Polen).
Vgl. Schlözer und Gebhardi, Geschichte von Litauen (Halle [* 19] 1785);