Litauische
Sprache
[* 2] und Litteratur. Das Litauische
ist im weitern
Sinn eine der Sprachfamilien (jetzt
nur noch von ungefähr 2½ Mill.
Menschen gesprochen), aus denen sich der große indogermanische Sprachstamm
[* 3] zusammensetzt;
im engern
Sinn versteht man darunter gewöhnlich eine der drei
Sprachen (Litauisch, Lettisch,
Altpreußisch), aus denen diese
Sprachfamilie, die auch die lettische oder baltische genannt wird, besteht.
Ihrer nahen
Verwandtschaft
mit den slawischen
Sprachen halber wird sie häufig mit diesen unter dem
Namen der slawolettischen (slawolitauischen
, baltisch-slawischen)
zusammengefaßt.
Aber auch die germanischen Sprachen scheinen in nähern Beziehungen zu diesen beiden Sprachfamilien zu stehen, und die drei zusammen können als die nordeuropäische Abteilung des indogermanischen Sprachstammes bezeichnet werden.
Vgl. Hassencamp, Über den Zusammenhang des lettoslawischen und germanischen Sprachstammes (Leipz. 1876);
Leskien, Die
Deklination im Slawisch-Litauischen
und
Germanischen (das. 1876).
Das Litauische
im engern
Sinn, die
Sprache des Landvolkes in der Gegend um
Memel
[* 4] und
Tilsit
[* 5] und in den russischen
Gouvernements
Kowno und
Wilna,
[* 6] ist die altertümlichste unter den lebenden indogermanischen
Sprachen
Europas und deshalb
sehr wichtig für die vergleichende Sprachforschung.
Schon in
Bopps vergleichender
Grammatik ist die litauische Sprache
behandelt,
aber der berühmte Sprachforscher
Schleicher war der erste, der diesen
Schatz systematisch zu heben suchte, indem er 1852 mit
Unterstützung der österreichischen
Regierung eine Art Entdeckungsreise nach
Litauen unternahm und den
Bauern durch Abfragen die uralten
Formen ihrer
Sprache sowie verschiedene ihrer volkstümlichen
Lieder
(Dainos),
Fabeln und
Märchen
entlockte. Die
Resultate seiner
Reise legte er in einem vortrefflichen »Handbuch der litauischen
Sprache« nieder, wovon der
erste Teil die
Grammatik
(Prag
[* 7] 1855),
der zweite das
Lesebuch mit
Glossar (das. 1856) enthält. Für die
Zwecke der
Sprachvergleichung verwertete
Schleicher das Litauische
selbst in seinem
»Kompendium der vergleichenden
Grammatik«
(4. Aufl., Weim. 1876),
Curtius in seinen »Grundzügen der griechischen Etymologie« (5. Aufl., Leipz. 1879) u. a.; zahlreiche Monographien enthalten auch verschiedene Zeitschriften, wie Kuhn und Schleichers »Beiträge«, Kuhns ¶
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»Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung« und Bezzenbergers »Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen«. Wörterbücher lieferten Nesselmann (Königsberg [* 9] 1851) und Kurschat (Halle [* 10] 1872-74, 2 Bde.),
eine Grammatik (das. 1876) ebenfalls Kurschat,
von dem bereits früher »Beiträge zur Kunde der litauischen
Sprache« (Königsb. 1843 u. Berl.
1849) erschienen waren; »Beiträge zur Geschichte der litauischen
Sprache« gab Bezzenberger (Götting. 1877),
ein übersichtliches »Litauisches Elementarbuch« J. Völkel (Heidelb. 1879) heraus.
Im J. 1879 bildete sich in Tilsit eine Litauische
litterarische Gesellschaft, die in ihren »Mitteilungen« die interessanten
Überreste des gegen die Deutschen, Russen und Polen stetig an Boden verlierenden litauischen
Sprach- und Volkstums in möglichster
Vollständigkeit zu sammeln bestrebt ist. Die Litteratur des Litauischen
ist äußerst unbedeutend, indem das einzige größere
selbständige Werk in litauischer
Sprache das Gedicht »Die Jahreszeiten«
[* 11] ist, das von dem Dichter Donalitius (Donaleitis) aus
dem 18. Jahrh. herrührt und von Rhesa (1818), von Schleicher (Petersb. 1865) und Nesselmann (Königsb.
1868) herausgegeben wurde.
Außerdem gibt es nur Gebetbücher u. dgl., die ältesten aus dem 16. Jahrh.,
und eine litauische
Bibelübersetzung des 17. Jahrh., die aber noch nicht wieder aufgefunden ist. »Litauische
Märchen, Rätsel und Lieder« gab Schleicher heraus (Weim. 1857); andre Sammlungen von Volksliedern veröffentlichten Rhesa (»Dainos«,
neue Aufl. von Kurschat, Berl. 1843),
Nesselmann (das. 1853),
Juszkiewicz (»Lietuviškos dainos«
, Kasan
[* 12] 1880-82, 3 Tle., und »Lietuviškos svotbinès dainos«
, Hochzeitslieder, Petersb.
1883),
Brugmann und Leskien (»Litauische
Lieder und Märchen«, Straßb. 1882) und Chr. Bartsch (»Dainu Balsai«, Melodien litauischer
Volkslieder mit Textübersetzung etc., Heidelb. 1887). Über
litauische Mythologie handelte Schleicher in seinen »Lituanica« (Abhandlungen der
Wiener Akademie 1854) u. Bezzenberger in »Litauische Forschungen zur Kenntnis der Sprache und des Volkstums der Litauer« (Götting.
1882). »Mythen, Sagen und Legenden der Zamaiten (Litauer)« gab Veckenstedt heraus (Heidelb. 1883, 2 Bde.).
Die interessanteste
[* 8]
Figur des altlitauischen Götterglaubens ist der Donnergott Perkunos (s. d.).