Titel
Lipsĭus,
1) Justus, eigentlich
Joest
Lips, berühmter Philolog, geb. zu Oberrissche
bei
Brüssel,
[* 2] gebildet in
Ath und bei den
Jesuiten zu
Köln,
[* 3] studierte seit 1563 zu
Löwen
[* 4] die
Rechte, besonders aber
Humaniora,
wurde 1567 infolge der »Variarum lectionum libri III« als
Sekretär
[* 5] seines
Gönners, des
Kardinals Granvella, nach
Rom
[* 6] berufen,
kehrte 1569 nach
Löwen zurück, ging aber bald darauf nach
Wien
[* 7] und folgte 1572 einem
Ruf als
Professor
der
Beredsamkeit und Geschichte nach
Jena.
[* 8] Wegen Mißhelligkeiten mit seinen Amtsgenossen wendete er sich 1574 nach
Köln, wo
er seine »Antiquarum lectionum libri V«
(Antwerp. 1575) schrieb, hielt seit 1576 in
Löwen Vorlesungen, wurde 1578
unter Übertritt
zur reformierten
Kirche
Professor der Geschichte zu
Leiden,
[* 9] enthob sich 1591, nachdem seine
Stellung durch
die Abhandlung
»De una religione« und seine »Politicorum libri IV« bereits
unhaltbar geworden war, durch Rücktritt zur katholischen
Kirche selbst seines
Amtes und wirkte seit 1592 als
Professor der
alten Geschichte in
Löwen, wo er, kurz vorher auch zum Historiographen des
Königs ernannt, starb. 1853 wurde
ihm daselbst ein Denkmal errichtet. Lipsius'
Verdienste erstrecken sich besonders auf die römischen
Antiquitäten und die
Kritik
lateinischer
Texte, vorzugsweise archaistischer und aus der silbernen
Latinität. In letzterer Beziehung heben wir seine Leistungen
zu
Plautus,
Nonius,
[* 10]
Vellejus,
Valerius Maximus, dem
Philosophen
Seneca, des
Plinius »Panegyricus«, besonders
aber seine
Ausgabe des
Tacitus
(Antwerp. 1574; zuletzt 1600, 1607 u. 1668) hervor. Dem entsprechend ist auch sein lateinischer
Stil eine Verschmelzung der archaistischen
Latinität mit der des
Apulejus, Tertullian,
Cyprian und
Arnobius und blieb nicht ohne
nachteiligen Einfluß auf die Schreibweise der nächstfolgenden Philologen. In der
Philosophie war er,
wie sein Werk
»De constantia in malis publicis«
(Antwerp. 1575) beweist, Anhänger der
Stoiker.
Seine Briefe wurden von ihm selbst (Leiden 1586-90, 2 Bde.) und von Burmann (Amsterd. 1725, 5 Bde.) gesammelt. Daneben verfaßte er: »Epistolicarum quaestionum libri V« (Antwerp. 1577). Seine »Opera omnia« erschienen zu Antwerpen [* 11] (1585, 8 Bde.), vollständiger zu Wesel [* 12] (1675, 4 Bde.).
Vgl. Reiffenberg, De J. Lipsii vita et scriptis (Brüssel 1823);
Nisard, Le [* 13] triumvirat littéraire au XVI. siècle (Par. 1852);
Halm, Über die Echtheit der dem Justus Lipsius
zugeschriebenen
Reden
(Münch. 1882);
Amiel, Un publiciste du XVI. siècle,
Juste Lipsius
(Par. 1884);
van der Haeghen, Bibliographie Lipsienne (Gent [* 14] 1886 ff.).
2)
Richard
Adelbert, protest. Theolog, geb. zu
Gera,
[* 15] Sohn von
Karl
Heinrich
Adelbert Lipsius
(gest. 1861 als
Rektor der Thomasschule
in
Leipzig),
[* 16] studierte bis 1848 zu
Leipzig
Theologie, ließ sich 1855 daselbst als
Privatdozent nieder. Nachdem er 1859 zum
außerordentlichen
Professor vorgerückt war, wurde er als
Ordinarius 1861 nach
Wien, 1865 nach
Kiel,
[* 17] 1871 nach
Jena berufen.
An der österreichischen Generalsynode von 1864 beteiligte er sich als
Abgeordneter der
Universität;
auf dem Protestantentag zu Osnabrück [* 18] 1872 erstattete er Bericht über die Bekenntnisfrage;
auf der ersten Landessynode des Großherzogtums Weimar [* 19] 1874 war er Führer der liberalen Partei;
seit 1875 redigiert er die »Jahrbücher für protestantische Theologie«.
Unter seinen zahlreichen Schriften heben wir hervor: »Die Paulinische Rechtfertigungslehre« (Leipz. 1853);
»De Clementis Romani epistola ad Corinthios priore« (das. 1855);
»Der Gnostizismus« (das. 1860);
»Zur Quellenkritik des Epiphanios« (Wien 1865);
»Chronologie der römischen Bischöfe bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts« (Kiel 1869);
»Glaube und Lehre. [* 20] Theologische Streitschriften« (das. 1871);
»Die Pilatus-Akten« (das. 1871, neue Ausg. 1886);
»Die Quellen der römischen Petrussage« (das. 1872);
»Über den Ursprung des Christennamens« (Jena 1873);
»Die Quellen der ältesten Ketzergeschichte« (Leipz. 1875);
»Lehrbuch der evangelisch-protestantischen Dogmatik« (Braunschw. 1876, 2. Aufl. 1879),
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»Dogmatische Beiträge zur Verteidigung und Erläuterung meines Lehrbuchs« (Leipz. 1878);
»Die edessenische Abgar-Sage« (Braunschw. 1880);
»Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden« (das. 1883-87, 2 Bde.);
»Philosophie und Religion« (das. 1885).
3) Konstantin, Architekt, Bruder des vorigen, geb. zu Leipzig, bildete sich auf der Baugewerksschule und der Kunstakademie daselbst und von 1851 bis 1854 auf der Kunstakademie zu Dresden [* 22] unter Nicolai. Nach einer Studienreise nach Venedig [* 23] und Paris [* 24] ließ er sich in Leipzig nieder, wo er unter anderm das neue Johanneshospital (1872) erbaute und 1876 Direktor der Bauschule wurde. 1881 erhielt er einen Ruf als Nachfolger Nicolais an die Dresdener Kunstakademie. Er hat ferner die Johanniskirche zu Gera, die neue Peterskirche zu Leipzig (mit Hartel) und das neue Gebäude der Kunstakademie im Renaissancestil zu Dresden erbaut. Er schrieb: »Gottfried Semper in seiner Bedeutung als Architekt« (Berl. 1880).
4) Justus Hermann, Philolog, Bruder des vorigen, geb. zu Leipzig, studierte daselbst 1850-55, wirkte seit 1856 an der dortigen Nikolaischule und Thomasschule, wurde 1857 Oberlehrer in Meißen, [* 25] 1860 Oberlehrer und dann Professor in Grimma, [* 26] 1863 Konrektor und 1866 Rektor an der Nikolaischule zu Leipzig, daneben 1869 außerordentlicher Professor der klassischen Philologie an der Universität, Ostern 1877 ordentlicher Professor an derselben und Direktor des russischen philologischen Seminars, worauf er Michaelis 1877 sein Rektorat niederlegte. Wir verdanken ihm besonders eine Augabe ^[richtig: Ausgabe] von Demosthenes' »De corona« (Leipz. 1876) und eine neue Bearbeitung von Meiers und Schömanns Werk »Der attische Prozeß« (Berl. 1883-1885, 2 Bde.). Mit Curtius, Lange und Ribbeck begründete er 1878 die »Leipziger Studien«, deren Mitherausgeber er noch ist.
5) Marie, unter dem Pseudonym La Mara bekannte Musikschriftstellerin, Schwester des vorigen, geb. zu Leipzig, hat sich besonders durch ihr anziehendes und vielverbreitetes Werk »Musikalische Studienköpfe« (Leipz. 1868-82, 5 Bde.; zum Teil mehrfach aufgelegt) einen Namen gemacht. Außerdem veröffentlichte sie: »Musikalische Gedanken-Polyphonie«, eine Sammlung von Aussprüchen berühmter Musiker über ihre Kunst (Bresl. 1873);
»Beethoven« (2. Aufl., Leipz. 1873);
»Im Hochgebirge, Skizzen aus Oberbayern etc.« (das. 1876);
»Das Bühnenfestspiel in Baireuth« [* 27] (das. 1877);
»Sommerglück«, Skizzen (das. 1881),
und »Musikerbriefe aus fünf Jahrhunderten« (das. 1886, 2 Bde.) sowie eine deutsche Bearbeitung von Liszts Werk »Friedrich Chopin« (das. 1880).