Titel
Linné
,
1)
Karl von, Naturforscher, geb. 2. (13.) Mai 1707 zu Råshult in
Småland, wo sein
Vater
Nils Ingemarsson Linnäus
Prediger war, besuchte, zum geistlichen
Stand bestimmt, 1717-27 die
Schule zu
Wexiö, machte aber bei großer
Vorliebe für
Botanik so geringe Fortschritte, daß er wohl nach dem
Willen des
Vaters das
Gymnasium mit der Schuhmacherwerkstätte
vertauscht haben würde, wenn nicht der
Arzt Rothmann, welcher seine Begabung erkannte, den
Vater veranlaßt hätte, ihn
Medizin
studieren zu lassen. Linné
bezog nun die
Universität
Lund, wo sich der
Botaniker Stobäus seiner annahm und
durch den
Vortrag
Vaillants: »De sexu plantarum« Linnés
Aufmerksamkeit zuerst auf die
Geschlechtsorgane der
Pflanzen gelenkt wurde. 1728 ging
Linné
nach
Upsala,
[* 2] und schon 1730 übernahm er die botanischen
Vorträge
Rudbecks und die
Verwaltung des botanischen
Gartens;
auch begann er damals die Bearbeitung seiner »Bibliotheca botanica«, der »Classes« und der »Genera plantarum«, und in Rudbecks Bibliothek wurde er zum Studium der Zoologie hingeführt. Im Auftrag der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Upsala besuchte er 1732 Lappland, ging dann nach Falun, bereiste Dalekarlien, hielt eine Zeitlang in Falun Vorträge über Mineralogie und Probierkunst und begab sich 1735 nach Holland, wo er zunächst promovierte, drei Jahre blieb und die genannten Schriften, das »Systema naturae«, die »Fundamenta botanica« u. a. drucken ließ. 1736 besuchte er England und 1738 Paris, [* 3] dann kehrte er nach Stockholm [* 4] zurück, praktizierte hier als Arzt, ward aber 1741 Professor der Medizin und noch in demselben Jahr Professor der Botanik und Naturwissenschaft in Upsala. In dieser Stellung reformierte er den botanischen Garten, [* 5] errichtete ein naturhistorisches Museum, gab 1746 seine »Schwedische Fauna« heraus, ward 1747 Archiater und sandte mehrere seiner Schüler nach den verschiedensten Ländern zur Erforschung der Naturerzeugnisse aus.
Unablässig war er bemüht, die Kenntnis der
Formen und ihrer Beziehungen zu einander zu fördern
und zu erweitern, und die neuen
Auflagen seiner
Bücher wurden zum Teil ganz neue Werke. Ebenso bedeutend war seine Thätigkeit
als
Lehrer; er wirkte ungemein anregend und führte seine
Schüler in einer ganz neuen
Weise in die
Natur
ein. 1758 kaufte er Hammarby, und als er 1764 durch seinen Sohn
Karl eine Vertretung im Lehramt erhalten hatte, zog er sich
dorthin zurück, nachdem er 1762 in den Adelstand erhoben worden war (erst jetzt nannte er sich Linné
, vordem nur
Linnäus). Er starb
Denkmäler wurden ihm im botanischen
Garten zu
Upsala (von
Byström) und
in
Stockholm (von Kjellberg, 1885) errichtet. Linné
war für die
Wissenschaft von der belebten
Natur von einer Bedeutung wie kaum
ein andrer Mann.
Zwar kann er für sein Hauptfach, für die Botanik, nicht als Reformator bezeichnet werden, da der ideelle Inhalt seiner Theorien bereits in den Werken seiner Vorgänger seit Cesalpini enthalten ist; allein er lieferte eine geschickte Zusammenfassung aller vorhandenen Leistungen und besaß eine wunderbare Befähigung, alles mit Geschick und Klarheit der Distinktion zu klassifizieren. Sein Verdienst ist die strenge Durchführung der schon von seinen Vorgängern angewandten binären Nomenklatur in Verbindung mit der sorgfältigen methodischen Charakteristik der Gattungen und Arten, der Klassen und Ordnungen, wodurch die beschreibende Botanik im engern Sinn eine völlig neue Form gewann.
Sein wohlgegliedertes und höchst brauchbares Sexualsystem, welches sich auf die morphologischen Eigenschaften der Staubgefäße [* 6] und Karpelle gründet, wurde von ihm selbst nur als Notbehelf betrachtet, und er bezeichnete es als die Hauptaufgabe der Botanik, ein natürliches System aufzufinden. Auch lieferte er das Fragment eines solchen, auf welchem Jussieu weiterbaute. Verhängnisvoll für die Zukunft wurde dagegen die von ihm gehegte Meinung, daß die höchste und einzig würdige Aufgabe des Naturforschers darin bestehe, alle Spezies dem Namen nach genau zu kennen; die Morphologie, überhaupt die allgemeine theoretische Botanik, war ihm nur Mittel zum Zweck, und in der That hat er keine einzige irgend bedeutende Entdeckung gemacht, welche auf das Wesen der Pflanzen ein neues Licht [* 7] geworfen hätte.
Von gleicher Bedeutung war die Feststellung des
Begriffs der Art, deren Unabänderlichkeit er zuerst in
vollkommener Starrheit aussprach: »Es gibt so viel
Spezies, als verschiedene
Formen im
Prinzip erschaffen worden sind«. Die
Gattungen,
Ordnungen und
Klassen deuten objektiv vorhandene Verwandtschaftsverhältnisse an, und die
Erklärung dieser Verhältnisse
gab Linné
nach allen
Regeln scholastischer Denkweise.
Letztere stellt ihn in schärfsten
Gegensatz zu der modernen
Naturwissenschaft, deren
Vorläufer durch das Übergewicht Linnés
auf lange Zeit zurückgedrängt wurde.
Von seinen Schriften sind besonders hervorzuheben: »Systema naturae, sive regna tria naturae systematice proposita« (Leid. 1735, 7 Bde.; 12. Aufl., Stockh. 1766-68, 3 Bde.; 13. Aufl. von Gmelin, Leipz. 1788-93, 3 Bde.; deutsch von Müller, Nürnb. 1773-1800, 11 Bde.);
»Fundamenta botanica, quae majorum operum prodromi instar theoriam scientia botanices par breves aphorismos tradunt« (Amsterd. 1736, 3. Aufl. 1741);
»Bibliotheca botanica recensens libros plus mille de plantis hucusque editos« (das. 1736, 2. Aufl. 1751);
»Hortus Cliffortianus« (das. 1737);
»Flora lapponica« (das. 1737; 2. Aufl., Lond. 1792);
»Genera plantarum« (Leiden [* 8] 1737; 7. Aufl. von Richard, Frankf. 1778; 8. Aufl. von Schreber, das. 1789-91, 2 Bde.; 9. Aufl. von Sprengel, Götting. 1830-31, 2 Bde.; deutsch von Planer, Gotha [* 9] 1775, 2 Bde.; Nachtrag 1785);
»Classes plantarum seu systemata plantarum omnium. Fundament. bot. p. II.« (Leid. 1738, Halle [* 10] 1747);
»Critica botanica. Fundament. bot. p. IV.« (Leid. 1737);
»Flora suecica« (Stockh. 1745, 2. Aufl. 1755);
»Fauna suecica« (das. 1746, 2. Aufl. 1800);
»Flora zeylanica« (das. 1747);
»Hortus Upsaliensis« (das. 1748);
»Materia medica e regno vegetabili« (das. 1749; 5. Aufl., Leipz. u. Erlang. 1787);
»Materia medica e regno animali« (Stockh. 1750);
»Materia medica e regno lapideo« (das. 1752);
»Amoenitates academicae« (Stockh. u. Leipz. 1749-79, 7 Bde.; 3. Aufl. von Schreber, Erlang. 1787-90, 10 Bde.);
»Philosophia botanica, in qua explicantur fundamenta botanica« (Stockh. 1751; 4. Aufl. von Sprengel, Halle 1809; deutsch, Augsb. 1787);
»Species plantarum« (Stockh. 1753, 3 Bde.; 4. (5.) Aufl. von Willdenow, Berl. 1797-1830, 6 Bde.;
6. Aufl. von Dietrich, das. 1831-38, 2 Bde.);
»Mantissa plantarum« (Stockh. 1767 u. 1771);
»Systema vegetabilium« (13. Aufl. von Murray, Götting. 1774; neue Aufl. von Schultes und Römer, [* 11] Stuttg. 1817-30, 7 Bde.; 16. Aufl. von Sprengel, Götting. 1825-28, 4 Bde.);
»Systema plantarum« (neueste Aufl. von ¶
mehr
Reichard, Frankf. 1779-80, 4 Bde.; deutsch, Nürnb. 1777-88, 14 Tle.; Wien [* 13] 1786, 2 Bde.; Marb. 1823, 2 Bde.); »Systema, genera, species plantarum. Editio critica, adstricta, conferta« (von Richter, Leipz. 1835; mit Index 1840); außerdem zahlreiche Dissertationen und Briefe.
Vgl. Stöver, Leben des Ritters K. v. Linné
(Hamb. 1792, 2 Bde.);
Linnés
»Eigenhändige Aufzeichnungen über sich selbst«,
mit Zusätzen von Afzelius (Berl. 1826);
Schleiden, K. v. Linné
(in »Westermanns Monatsheften« 1871);
Gistel, Carolus Linnaeus.
Ein Lebensbild (Frankf. 1872); Malmsten, Karl v. Linné
(Berl. 1879); Hjelt, Karl v. Linné
als Arzt (Leipz. 1882).
2) Karl von, Sohn des vorigen, geb. wurde 1760 Administrator am königlichen Garten zu Upsala, 1763 Professor der Medizin und Botanik daselbst, erhielt nach seines Vaters Tode dessen Lehrstuhl, bereiste 1781 und 1782 England und Frankreich und starb Er schrieb ein »Supplementum plantarum systematis vegetabilium ed. XIII., generum plant. ed. VI. et specierum plant. ed. II« (Braunschw. 1781) und mehrere kleinere Arbeiten. Die großen Sammlungen seines Vaters gelangten in den Besitz der Linnean Society zu London. [* 14]