Linĭe
(Linea), in der
Geometrie eins der Elementargebilde
(Punkt, Linie
,
Fläche,
Körper), welches dadurch charakterisiert
ist, daß man auf demselben von jedem
Punkt aus nur in einer einzigen oder der gerade entgegengesetzten
Richtung fortgehen
kann. Man kann die auch als den Weg eines mathematischen
Punktes bezeichnen oder auch als die
Grenze einer
Fläche;
Eukleides definiert sie als eine
Länge ohne
Breite.
[* 2] Die geometrische ist ein abstrakter
Begriff; alle
Darstellungen von
Linien durch
Fäden,
Striche u. dgl. sind nur näherungsweise
Linien, insofern wir von der
Dicke oder
Breite
derselben absehen. Wenn die
Richtung, nach welcher ein
Punkt sich auf einer Linie
bewegen kann, überall dieselbe ist, so ist
die eine gerade, im entgegengesetzten
Fall eine krumme Linie
oder
Kurve (s. d.). Die gerade Linie
oder
Gerade bildet die kürzeste
Entfernung zwischen zweien ihrer
Punkte und dient deshalb zur Messung der
Entfernungen. - Der
Ausdruck Linie
bedeutet
auch ein Längenmaß und wird dann durch ''' bezeichnet; im Duodezimalsystem ist die Linie
der 12., im Dezimalsystem
der 10. Teil eines
Zolles; 1
Pariser ist = 2,2558
mm, 1 rheinische Linie
= 2,179
mm, 1
Wiener Linie
= 2,195
mm, 1 englische
oder russische Linie
= 2,116
mm.-
In der
Geographie und
Schiffahrtskunde bedeutet Linie
den Erdäquator, daher der
Ausdruck: »die Linie
passieren«. - In der Rechtssprache
bedeutet eine
Reihe von Verwandten. Man unterscheidet die gerade Linie
(linea recta) und die Seitenlinie (linea transversa).
Zu der erstern gehören die
Personen, von welchen die eine unmittelbar oder
mittelbar von der andern abstammt,
also die
Reihe der
Aszendenten und
Deszendenten, und zwar nennt man die
Reihe:
Vater, Großvater, Urgroßvater etc. aufsteigende
Linie
, während die
Reihe: Sohn, Enkel, Urenkel etc. absteigende Linie
heißt. Zu der Seitenlinie gehören
diejenigen
Personen (Seitenverwandte,
Kollateralen), von welchen die eine nicht von der andern, sondern
welche gemeinschaftlich von einer dritten abstammen, so daß also z. B.
Geschwister in der Seitenlinie
verwandt sind. - In der
Taktik heißt Linie
diejenige
Aufstellung der
Truppen, bei welcher die
Mannschaften in wenigen (2-3)
Gliedern hintereinander, die
Unterabteilungen aber nebeneinander stehen.
Die
Aufstellung in ist entweder geschlossen oder geöffnet. Sie gestattet, alle
Waffen
[* 3] in Thätigkeit zu
bringen, ist dadurch die wichtigste, für die
Artillerie die einzig mögliche Gefechtsform, sie leidet durch
Feuer weniger
als die
Kolonnen; dagegen ist sie schwerer zu führen, geordnet zu bewegen und im
Terrain zu decken. Deshalb
ist sie ungeeignet zum Manövrieren.
[* 4] Bei der Unmöglichkeit, lange
Linien geordnet zu leiten, läßt man zwischen den Truppenkörpern
Intervalle, in
Deutschland
[* 5] z. B. zwischen den
Bataillonen je 20, zwischen den
Eskadrons eines Kavallerieregiments je 6
Schritt.
In der Heeresorganisation bezeichnet Linie
das stehende
Heer
(Linientruppen), im
Gegensatz zur
Landwehr, oder die
übrigen
Regimenter im
Gegensatz zu den
Garden, früher auch die schwere Linieninfanterie im
Gegensatz zur leichten Füsilierinfanterie.
(Über russische Linienbataillone s.
Russisches Reich, Heerwesen.). - In der Befestigungskunst versteht man unter Linie zunächst
die einzelnen Teile eines Festungswerks, z. B. eine
Face,
[* 6]
Kurtine,
Flanke.
Verschanzte Linien (lignes retranchées) nennt man Verschanzungen, welche bestimmt sind, der Behauptung großer Terrainstrecken mehr Sicherheit zu verschaffen. Anwendung fanden sie schon zur Zeit der Römer, [* 7] zum Grenzschutz (Piktenmauer, Trajanswall etc.) und bei Belagerungen (Zirkum- und Kontravallationslinien). Aus dem 18. Jahrh. stammen noch die Weißenburger Linien zum Schutz des nördlichen Elsaß, aus dem jetzigen die von Wellington 1809 in Portugal [* 8] angelegten 45 km langen Linien von Torres Vedras.