Linde
(Tilia Linde
), Pflanzengattung aus der Familie der
Tiliaceen (s. d.) mit 8 in der nördlichen
gemäßigten Zone vorkommenden
Arten,
Bäumen mit etwas schiefen, meist herzförmigen
Blättern. Die gelblichen
Zwitterblüten,
in drei- oder mehrblütigen
Trugdolden, sitzen in der
Achsel eines großen, an den Stiel der
Dolde angewachsenen, zungenförmigen,
blaßgrünen, netzaderigen
Deckblattes. Der
Kelch ist fünfblätterig, ebenso die
Blumenkrone, die Staubfäden sind langgestielt,
zahlreich, die
Fruchtknoten obenständig, fünffächerig mit zwei Samenknospen, die
Früchte meist fünfkantige,
gewöhnlich nur einsamige Kapseln
[* 2] mit harter Schale, die sich beim
Keimen fünfklappig teilt. In
Deutschland
[* 3] kommt nur die
klein- und die großblätterige Linde
vor.
Die kleinblätterige Linde
(Tilia parvifolia Ehrh.,
ulmifolia Scop.),
auch
Stein-,
Berg-, Spät- oder Winterlinde
genannt, hat unterseits seegrünliche
Blätter, die außer einem
gelben Bärtchen in den Nervenwinkeln kahl sind. Die Abbildung auf
Tafel:
Laubhölzer.
Waldbäume IV,
[* 1]
Fig. 2 zeigt die Winterlinde
als frei erwachsenen
Baum, ferner: 1 blühenden Zweig, 2 und 3
Blüten, 4
Stempel, 5 Querdurchschnitt des
Fruchtknotens, 6 Längsdurchschnitt
desselben, 7
Frucht, 8 Längsdurchschnitt derselben, 9 Längsdurchschnitt des Samens, 10 Triebspitze mit
Knospen
[* 4] im Winter, 11 Keimpflanze mit den beiden fünf- oder mehrspaltigen Kotyledonen.
Die großblätterige Linde
(Tilia grandifolia Ehrh.,
plytyphyllos Scop.),
auch Wasser-,
Früh- oder Sommerlinde
genannt, hat etwas größere, unterseits blaß-grasgrüne, etwas rauh behaarte
Blätter,
in den Nervenwinkeln hellere Bärtchen;
Blüten und
Früchte sind etwas größer als bei der kleinblätterigen
Linde.
Von beiden
Arten giebt es zahlreiche
Varietäten; merkwürdig ist die sog. Kapuzenlinde
auf dem Kirchhofe des von den
Hussiten
zerstörten
Klosters Siedlec in
Böhmen,
[* 5] die sich durch eigentümliche Verwachsung des
Blattes zu einer Art
Kapuze auszeichnet.
Beide Linde
bilden einen geraden Schaft, mit in der
Jugend glatter, im
Alter
¶
mehr
flachrissiger Rinde, und entwickeln eine starke Pfahlwurzel. Sie erreichen ein sehr hohes Alter, in einzelnen Fällen bis 1000 Jahre.
Samenreife findet im Oktober statt, Abfall im November, Keimdauer ist zwei Jahre. Der Verbreitungsbezirk der Linde
, namentlich
der kleinblätterigen, ist sehr groß. Diese ist eine osteurop. Holzart, waldbildend im mittlern Rußland,
geht nördlich bis Finland und Skandinavien, westlich bis Nordspanien, gehört namentlich dem Flachlande an und steigt im Böhmer
Wald kaum bis 700 m, in Tirol
[* 7] einzeln bis 1200 m. Lindenwälder giebt es nur noch in Rußland, früher mögen sie in Deutschland
und Österreich
[* 8] nicht selten gewesen sein, worauf viele slaw. und deutsche
Ortsnamen schließen lassen. Die großblätterige Linde kommt namentlich in Südeuropa vor, waldbildend im südlichern
Rußland (Volhynien u. s. w.), einzeln nicht selten eingesprengt im mitteleurop. Waldgebiet,
steigt in den Gebirgen etwas höher als die kleinblätterige Linde, im böhm.-bayr. Walde und in den bayr. Alpen
[* 9] bis 1000 m; im
nördl. Europa
[* 10] ist sie häufig angepflanzt, aber von Natur nicht heimisch.
Das Holz [* 11] beider Linde ist zum Bauen nicht brauchbar, dagegen für Tischler als Blindholz vorzüglich geeignet, ebenso zu den verschiedensten Schnitzarbeiten, es liefert sehr weißen Holzstoff [* 12] und eine gute Kohle zum Zeichnen (Reißkohle), zum Feinschleifen der Metalle und zur Herstellung von Schießpulver. [* 13] Die Rinde liefert Bast [* 14] zu Flechtwerken (Seilen, Tauen, Matten u. s. w.) und zum Binden; diese Bastwaren kommen vorzugsweise aus Rußland in den Handel. Der Bast wird im Frühjahr von 20- bis 30jährigen gefällten Linde durch streifenweises Schälen gewonnen; eine 10 m hohe, 30-40 cm starke Linde liefert etwa 45 kg Bast, der für 10-12 Matten ausreicht.
Die Blüten gewähren den Bienen vorzügliche Nahrung, auch bereitet man aus ihnen einen offizinellen, schweißtreibenden Thee. Die Linde wird als Park- und Alleebaum geschätzt. Häufig findet man nicht bloß die deutschen Linde in Gärten, sondern auch die schöne Silberlinde (Tilia argentea DC. oder tomentosa Moench), die im Orient und in Ungarn [* 15] heimisch ist, die nordamerikanische Silberlinde (Tilia alba Ait., heterophylla Vent.), beide Arten ausgezeichnet durch die unterseits silberweißen Blätter; die amerik. Tilia pubescens Ait. mit großen weißhaarigen Blättern, und die ebenfalls amerik. Tilia americana Linde mit kahlen, beiderseits grünen Blättern. Obgleich vielfach von verschiedenen Insekten [* 16] bewohnt, erleidet die Linde doch selten erhebliche Schäden. Auffallend sind an den Lindenblättern oft die durch eine Milbe (Phytoptus) hervorgerufenen Gallen und filzartigen Gebilde.