Linde
(Tilia Linde
, hierzu Tafel »Linde«
),
Gattung aus der Familie der Tiliaceen, große Bäume mit meist schief herzförmigen, gesägten Blättern, in Trugdolden stehenden und mit dem allgemeinen Stiel einem länglichen und schließlich gelblichen Deckblatt angewachsenen Blüten, in welchen außer Kelch und Krone oft noch eine zweite Reihe Blumenblätter, sogen. Staminodien, sich finden, und ein- oder zweisamiger Nuß.
I.
Blüten ohne
Staminodien. Die kleinblätterige Linde
(Winterlinde, Steinlinde, T. ulmifolia
Scop., T. parvifolia
Ehrh., s. Tafel
»Linde«
),
Europa. Fluß- und Gebi

* 2
Europa.ein bis 25 m hoher Baum mit zweizeiligen, gestielten, schief rundlich-herzförmigen, zugespitzten, doppelt gesägten, auf der Unterfläche nur in den Winkeln der Hauptnervenäste rostfarbenbärtigen, sonst blaugrünen Blättern, fünf- bis elfblütiger Trugdolde, durch Umwendung des Flügelblattes nach oben gerichtet, blaßgelben oder weißlichen Blüten und meist rundlicher, glatter Frucht, findet sich in ganz Europa [* 2] bis zum Ural und in den Kaukasusländern und ist in unsern Wäldern sehr verbreitet; ausgedehnte Bestände bildet sie besonders im Osten.
Die großblätterige Linde
(Sommerlinde, Wasserlinde, holländische Linde, T. platyphylla
Scop., T. grandifolia
Ehrh.), ein bis 30 m
hoher
Baum mit doppelt gesägten, unten behaarten und meist heller als
oben gefärbten Blättern, zwei- bis fünfblütigen,
hängenden
Trugdolden und deutlich fünfrippiger
Frucht, findet sich wild vielleicht nur in den Wäldern jenseit
der
Donau im
Osten, eingesprengt in Wäldern in Süddeutschland und
Österreich,
[* 3] Bestände bildend nur in
Ungarn,
[* 4] ist aber bei
uns durch Anpflanzungen allgemein verbreitet und variiert in der Gestalt der
Blätter und
Früchte so stark, daß man mehrfach
verschiedene
Arten in ihr vermutete.
Linde (Personenname)

* 7
Seite 10.801.
In den
Gärten unterscheidet man zahlreiche
Varietäten. Sie blüht früher als die vorige Art und schlägt
auch früher aus. Die Zwischenlinde
(T. vulgaris
Hayne), mit doppelt gesägten, auf der Unterseite wenig hellern und nur in
den
Winkeln der Hauptnervenäste graugrünbärtigen Blättern, vielblütigen
Trugdolden und eirundlicher, mit abstehendem
Filz
bedeckter
Frucht, findet sich ziemlich verbreitet in
Nord- und Mitteleuropa. Die Winterlinde
bevorzugt
den mehr frischen als trocknen Waldboden der niedern Vorberge und der
Ebenen; sie ist über ganz
Deutschland
[* 5] bis weit nach
Nordosten verbreitet, während die Sommerlinde
mehr südlich und westlich vorkommt. Zur
Erziehung starker Linde
npflänzlinge
säet man im Saatbeet auf gut vorbereitetem
Boden in 5
cm tiefe
Rillen den
Samen
[* 6] ganz dicht, so daß
Korn an
Korn liegt, und bedeckt ihn 1
cm tief. Der
Same keimt meistens erst im
¶
mehr
zweiten Jahr. Die zweijährigen Pflänzchen werden umgepflanzt (verschult); zur Erziehung starker Pflänzlinge empfiehlt sich
eine zweite Umlegung im Pflanzbeet etwa im fünften Lebensjahr. Vor dem zehnten Jahr sind die Pflanzen selten als Alleebäume
brauchbar. Die Linde
zeigt von Jugend an ein freudiges Wachstum und bildet einen anfangs fast immer vollkommen
walzenrunden Stamm, der schon in geringer Höhe Äste ausschickt, welche sich gern flach schirmförmig ausbreiten.
Die Krone wölbt sich frühzeitig ab und wird mit dem Alter immer dichter und umfangreicher. Die tief eingreifende und sich
weit verzweigende Wurzel
[* 8] befähigt die Linde
, den stärksten Stürmen zu trotzen. Sie zeigt überhaupt große
Widerstandsfähigkeit gegen allerlei Unbilden ihres Standorts, leidet von Krankheiten und Feinden kaum, und nur das Wild und
Weidevieh benagt gern ihre Triebe. Sie besitzt am Stamm und Stock großes Ausschlagvermögen und bildet daher oft große Maserknoten.
Im hohen Alter wird sie leicht kernfaul; doch finden sich auch ganz gesunde 400-500jährige Bäume, und
überhaupt erreicht die Linde von allen unsern Waldbäumen das höchste Alter.
Bairak - Baireuth

* 9
Baireuth.Man sieht sie dann häufig zur Trägerin von Galerien, zuweilen mehrfach übereinander liegenden, benutzt, und die schweren, oft sehr flach ausgebreiteten Äste werden durch Pfeiler gestützt. Die Linde zu Donndorf bei Baireuth, [* 9] welche 1849 den letzten ihrer Hauptäste verlor, wurde auf mehr als 1230 Jahre geschätzt; 1390 soll sie schon 24 Ellen im Umfang gehabt haben. Linden von 300-500 Jahren scheinen in Deutschland nicht eben selten zu sein. Die Rinde ist anfangs ziemlich glatt und glänzend, düster rotbraun, wird später borkig, ziemlich tief in Borkentafeln aufgerissen, in hohem Alter tief furchenrissig.
Man benutzt sie in Rußland zu Schlittenkörben, Wagenkasten, zum Decken der Gebäude etc. Den unter der äußern Rinde liegenden sehr entwickelten Bast [* 10] schält man im Mai von 20-30jährigen gefällten Stangenhölzern in Streifen von 6-9 cm Breite, [* 11] röstet ihn wie Flachs im Wasser und befreit ihn durch Klopfen und Waschen von den leichter zersetzbaren Bestandteilen, so daß nur die ein feines Maschennetz bildenden, sehr dickwandigen Bastzellen übrigbleiben, worauf man die einzelnen Jahreslagen voneinander trennt. In Rußland, welches den meisten Lindenbast liefert, fertigt man daraus Körbe, Decken etc., besonders aber die zum Verpacken von Waren dienenden Bastmatten.
Desterro - Destillatio

* 12
Destillation.Ein Baum von 10 m Höhe und 30-40 cm Durchmesser liefert 45 kg Bast, für 10-12 Matten ausreichend. Rußland liefert jährlich 14 Mill. Stück Matten. Das Lindenholz (meist von T. parvifolia) ist ungemein weich und locker, weiß, oft mit einem Stich ins Rötliche, von gleichmäßigem Gefüge, mit kleinen Spiegeln und Jahresringen; es ist gut schneidbar, spaltet leicht, aber nicht eben und glänzt etwas auf frischer Radialfläche. Trocken dauert es sehr lange aus, feucht geworden oder unter Wasser geht es bald zu Grunde. Man benutzt es als Schnitz- und Tischlerholz, die Kohle zum Zeichnen; als Brennholz hat es geringen Wert. Die Lindenblüten gewähren den Bienen reichliche Nahrung, sind offizinell und werden als schweißtreibendes Mittel benutzt. Das durch Destillation [* 12] mit Wasser daraus bereitete Lindenblütenwasser besitzt nur, wenn es aus frischen Blüten bereitet wurde, einen Geruch; irgend welchen Heilwert hat es nicht.
II. Blüten mit Staminodien. Die morgenländische Silberlinde (T. tomentosa Mnch.), aus Ungarn, der europäischen Türkei [* 13] und Kleinasien, mit auf der Oberseite matten, auf der Unterseite wie an den Blattstielen filzig behaarten, scharf oder eingeschnitten gesägten Blättern von 10 cm Länge, ein- und zweisamiger, eirundspitzer, schwach fünfrippiger Frucht und dichter, eirunder oder rundlicher Krone; die abendländische Silberlinde (T. alba Ait.), aus Nordamerika, [* 14] mit auf der Unterseite schwach (oft kaum) filzig behaarten, oft 13 cm breiten, scharf gezahnten Blättern, unbehaarten Blattstielen, mehrblütigen Trugdolden u. fünfsamiger, tief fünffurchiger, schwach warziger Frucht.
Holywood - Holz

* 15
Holz.Die Schwarz linde (T. americana Linde, T. glabra Vent.), aus dem nördlichen Nordamerika und Kanada, mit auf der Unterfläche meist unbehaarten, scharf gesägten Blättern, welche in ihrer Form vielfach abändern, vielblütigen Trugdolden und rundlicher Frucht, wird wie die beiden vorigen Arten vielfach als Zierbaum angepflanzt. Die Linden sind sehr raschwüchsig und lassen sich selbst als große Bäume sehr gut verpflanzen. Sie ertragen auch das Zurückschneiden oder Kappen und treiben leicht aus dem alten Holz. [* 15]
Die Abarten vermehrt man durch Okulieren [* 16] auf unsre einheimischen Linden.-
Unsre Vorfahren hielten die Linde heilig. Alle Dorfangelegenheiten wurden, wie es in einigen Gegenden noch jetzt geschieht, unter einer Linde verhandelt. Hier tanzte und spielte die Jugend und ruhte das Alter aus; ja, es wurde sogar dafür gesorgt, daß die Begräbnisplätze von Linden beschattet waren. In neuerer Zeit schien die schnellwüchsige Pyramidenpappel die Linde zu verdrängen, aber schon beginnt diese wieder in ihre alten Rechte eingesetzt zu werden. Wegen ihrer Dauerhaftigkeit und ihres Alters kann die auch als Merkmal und Grenzzeichen dienen sowie auch zur Befestigung der Festungswälle, wozu man sie namentlich in Holland benutzt.