Likör
(franz. liqueur, v. lat. liquor, »Flüssigkeit«),
Bezeichnung für aromatische, zuckerhaltige
geistige Getränke, welche aus
Spiritus,
[* 2] aromatischen Pflanzensubstanzen
und
Zucker
[* 3] bereitet werden. Je nach der
Menge
Zucker, welche zum Versüßen angewandt wird, unterscheidet
man
Cremes, eigentliche Liköre
und doppelte oder einfache
Aquavite. Die
Cremes sind die zuckerreichsten und deshalb dickflüssigen
Liköre
, welche nur aus den feinsten Pflanzensubstanzen bereitet werden. Mit
Spiritus vermischte
Fruchtsäfte nennt man
Ratafias
(z. B. Kirschratafia).
Ölsäure - Olshausen

* 5
Öls.
Die
Stärke
[* 4] der Liköre
ist von dem
Gehalt an
Alkohol abhängig, und dieser richtet sich wieder nach dem
Zuckergehalt; die
Cremes enthalten am wenigsten
Alkohol. Im allgemeinen haben
Cremes mit einem Zuckergehalt von 0,34-0,43 kg
im
Liter einen Alkoholgehalt von 36-40 Proz., Liköre
mit einem Zuckergehalt von 0,18-0,33
kg im
Liter einen Alkoholgehalt von 40-43 Proz., und
Aquavite von 0,04-0,10 kg
Zucker im
Liter werden 45-59
Proz. stark gemacht. Wenn die aromatischen Pflanzenstoffe nur ihres ätherischen
Öls
[* 5] halber benutzt werden, so kann man sie
mit
Wasser destillieren und das an ätherischem
Öl reiche wässerige Destillat durch Zusatz von hochgradigem
Spiritus auf die
gewünschte
Stärke bringen, worauf nur noch der
Zucker hinzuzufügen ist.
Oder man wendet statt der Pflanzenstoffe direkt die entsprechenden ätherischen
Öle
[* 6] an, indem man diese in wenig
Spiritus
löst und die
Lösung der Mischung von
Zucker,
Wasser und
Alkohol hinzusetzt (Fabrikation auf kaltem Weg). Auch kommen alkoholische
Lösungen ätherischer
Öle (Likör
essenzen) in den
Handel, welche bisweilen mehrere ätherische
Öle enthalten
und direkt gemischte Liköre
liefern. Von andern aromatischen
Substanzen will man auch die extraktartigen
Bestandteile verwerten,
und in diesem
Fall zieht man sie mit
Spiritus von höchstens 70 Proz. entweder in der
Wärme
[* 7]
(Digerieren) oder bei gewöhnlicher
Temperatur
(Macerieren) aus.
Die alkoholischen
Extrakte heißen
Tinkturen. Man bereitet sie von ziemlich bedeutender
Konzentration und
hält sie wie die ätherischen
Öle vorrätig, um durch Vermischen mit
Alkohol,
Zucker und
Wasser sofort die Liköre
bereiten
zu können. Die mit
Tinkturen hergestellten Liköre
sind meist bitter und nicht in entsprechender
Weise aromatisch, man vermischt
sie deshalb vorteilhaft mit etwas ätherischem
Öl derselben
Pflanze oder bereitet von vornherein einen
solchen farblosen Likör
mit ätherischem
Öl, dem man durch Zusatz von
Tinktur leicht die passende
Bitterkeit geben kann.
Liktoren - Liliaceen

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Seite 10.788.
Endlich werden aus frischen
Früchten, wie Himbeeren, Kirschen,
Erdbeeren,
Quitten,
Ananas etc., Liköre
dargestellt, indem man
die
Früchte zerstampft, den ausgepreßten Saft mit ⅓-½
Spiritus vermischt und zur Klärung lagern läßt.
Man löst den
Zucker in weichem
Wasser und gießt den aufgekochten
Sirup durch
Flanell. Nimmt man 1,15 kg
Zucker auf 1
Lit.
Wasser,
so erhält man 2 Likör
Sirup, von welchem das
Liter 875 g
Zucker enthält und etwa 1326 g wiegt. Für feinere
Liköre
ist der reinste
Zucker anzuwenden, nur die
Aquavite oder sehr bittere, extraktreiche Liköre
vertragen
Melis. Zum
Färben
der Liköre
benutzt man alkoholische
Tinkturen von
Kochenille, Heidelbeeren,
Safflor,
Ringelblumen, Kurkuma, ferner
Indigolösung,
blauen
Karmin und Zuckertinktur.
Grün erhält man aus
Blau und
Gelb,
Violett aus
Blau und
Rot.
Manche Liköre
enthalten
Blattgold
(Goldwasser) und
Blattsilber, welches mit etwas Likör
fein zerrieben wurde;
¶
mehr
doch darf man nur ganz reines Gold
[* 9] und Silber anwenden. Die Liköre
klären sich durchs Lagern. Nur im Notfall mischt man sie
mit einem ausgedrückten Brei aus Filtrierpapier und gießt sie durch einen Spitzbeutel. Frisch bereitete Liköre
und namentlich
die aus Alkohol und ätherischen Ölen gemischten zeigen einen starken Spritgeschmack, der sich erst nach
längerm Lagern verliert. Durch Destillation
[* 10] der Pflanzensubstanzen mit spiritushaltigem Wasser wird dieser Geschmack vermieden,
weshalb manche Fabriken noch die alte Methode beibehalten haben.
Die Feinheit der Liköre
, welche erst durch Lagern erreicht wird, kann man in 24 Stunden erzielen, wenn man sie auf 38-40°
erwärmt. Hierbei erhalten die Liköre auch die geschätzte ölige Beschaffenheit. Die Grundlage aller
Liköre sind die Likörkörper, d. h. die Mischungen von Alkohol, Wasser und Zucker, welche in verschiedener Stärke zur Anwendung
kommen. Die folgenden Vorschriften, bei welchen Sirup von angegebener Konzentration und Spiritus von 90 Proz. angenommen sind,
geben einige Beispiele.
Spiritus im Liter | Sirup im Liter | Wasser im Liter | |||
---|---|---|---|---|---|
Cremes: | |||||
440 g | Zucker in 1 Liter; | 36 Proz. | 4.0 | 5.0 | 1.2 |
400 " | " " " " | 36 " | 4.0 | 4.5 | 1.7 |
350 " | " " " " | 38 " | 4.2 | 4.0 | 2.0 |
Liköre: | |||||
330 g | Zucker in 1 Liter; | 40 Proz. | 4.45 | 3.75 | 2.0 |
300 " | " " " " | 40 " | 4.4 | 3.5 | 2.3 |
275 " | " " " " | 40 " | 4.4 | 3.0 | 2.8 |
220 " | " " " " | 42 " | 4.7 | 2.5 | 3.0 |
175 " | " " " " | 44 " | 4.9 | 2.0 | 3.3 |
Aquavite: | |||||
130 g | Zucker in 1 Liter; | 45 Proz. | 5.0 | 1.5 | 3.7 |
110 " | " " " " | 46 " | 5.1 | 1.25 | 3.8 |
100 " | " " " " | 47 " | 5.2 | 1.0 | 4.0 |
55 " | " " " " | 48 " | 5.3 | 0.6 | 4.3 |
50 " | " " " " | 49 " | 5.4 | 0.5 | 4.3 |
Für je 0,1 Lit. Spiritus von 90 Proz., welches man mehr oder weniger nimmt, wird der Likör um 1 Proz. stärker oder schwächer, und für je 2 Proz., welche der Spiritus stärker oder schwächer ist als 90 Proz., wird der Likörkörper 1 Proz. stärker oder schwächer.
Vgl. Möwes, Die Destillierkunst der geistigen Getränke (8. Aufl., Berl. 1881);
Gaber, Die Likörfabrikation (4. Aufl., Wien [* 11] 1885);
Fischer, Likörfabrikation (3. Aufl., Halle [* 12] 1881);
Schedel, Destillierkunst (9. Aufl., Weim. 1879);
Stammer, Die Branntweinbrennerei (Braunschw. 1876);
Sachsse u. Komp., Anleitung zur Herstellung von Likören, Aquaviten etc. (Leipz. 1885).